Grobschnitt live mit dem Philharmonischen Orchester Hagen
Theater Hagen, Hagen, Juni 2012

 


    

Zu vier Konzerten lud das Theater Hagen ein, um das deutsche Rockmärchen „Rockpommel’s Land“ der Hagener Rockformation Grobschnitt mit symphonischem Orchester im Rahmen der 100-Jahr-Feierlichkeiten des Theaters zu präsentieren.

    

    

     

    

Hatte die Band ihre Fans bereits ab dem Jahr 2009 mit der Umsetzung von „Rockpommel’s Land“ auf den Rockbühnen begeistern und vielfach sogar zu Tränen rühren können, so setzte sie mit der symphonischen Variante noch einmal ein Highlight obendrauf. Selten war ich nach einem Konzert so emotional leer gepumpt, wie nach dem ersten dieser Konzerte.

     

    

    

    

     

Die erste Stunde der Show bestand aus Songs des „Grobschnitt-Liederbuches“. Zur Überraschung der Fans wurden lange nicht gespielte Stücke, die man sich zum Teil schon bei den Konzerten der letzten Jahre gewünscht hatte, live gespielt, so zum Beispiel „Merry Go Round“, „Sinfonie“, „Traum und Wirklichkeit“ oder „Drummer’s Dream“.

    

    

    

     

    

Den Beginn machte aber zunächst das Symphonieorchester, das mit einer langen Version von Johan Strauß (Sohn) „Geschichten aus dem Wienerwald“ das Ereignis würdig einleitete. Von dem Walzer wird immer am Ende des Vorprogramms bei Grobschnitt-Auftritten ein Teil gespielt, und damit gehört dieses Stück auch zu jedem Grobschnitt-Konzert. Eine wunderbare Hommage, bei der die Rockmusiker noch nicht auf der Bühne waren. Ein schönes Vorprogramm indem das Philharomische Orchester Hagen gleich mal eine Visitenkarte abgeben konnte.

     

    

    

     

    

Danach kam die Band auf die Bühne und Willi startete das Programm mit dem Spruch „Alles Glatze?“. Ein kleiner Hinweis auf sein neues Outfit. Aber auch ohne Haar macht Will eine gute Figur. Bewundernd nimmt man zur Kenntnis, das seine Stimme, wie ein guter Wein reift und je älter Willi wird, sie immer besser zu werden scheint.

    

     

    

    

     

Und dann ging es los auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle, beginnend mit der „Sinfonie“. Der Klassiker vom Debütalbum „Grobschnitt“ ist ja nun auch wie geschaffen für ein derartiges Event. Sorgten Anfang der 70’er Jahre noch Axel „Felix“ Harlos und Joachim „Eroc“ Ehrig gemeinsam für ein druckvolles Schlagzeugspiel (ja Grobschnitt agierten damals mit zwei Drummern), so sind es heute Admiral Top Sahne (aka Rolf Möller) und Demian Hache, die sich die rhythmischen Bälle zuspielen. Und diese beiden sorgten wie anno dazumal für einen satten Sound, der damals wie heute ein wenig an Gruppen wie Santana erinnerte. Nicht umsonst kam von Willi ein Zwischenruf, in dem er seinen Sohn an der Gitarre als Nuki Santana bezeichnete.

    

    

    

     

    

Schon lange verlangen die Fans nach dem Stück „Merry Go Round“, vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1979. Zur Premiere der Konzertreihe mit dem Philharmonischen Orchester Hagen wurde das lange Warten endlich beendet. Grobschnitt hatten das Stück umarrangiert und präsentierten es in einer akustischen Version. Dazu senkte sich ein durchsichtiger Vorhang vor dem Orchester, das jetzt nur noch schemenhaft zu sehen war. Während des Songs bewegten sich dann plötzlich eine große Anzahl von Ballons hinter dem Vorhang. Man konnte erkennen, das die Musiker des Orchesters die bunten Luftperlen hin und herschwenkten. Als Ergänzung erschien auf der rückwärtigen Leinwand ein altes Karussell, was die Jahrmarktstimmung noch unterstrich. Was für eine Umsetzung!

    

     

    

     

    

Den nächsten Song, einen Klassiker vom „Ballermann“-Album spielte die Band in einer unwiderstehlichen neuen Form. Selten hat man das Stück mit solch druckvollen Gitarrenparts gehört, wie bei diesen Liveevents. Im Refrain kamen dann wunderbare Satzgesänge zum Einsatz, die unter die Haut gingen. Danach zauberte das Philharmonische Orchester Hagen eine wunderbare orchestrale Version von „Silent Movie“. Der Track, bei dem die Band die Bühne verließ und dem Orchester den Platz überließ, erklang in einem ganz neuen Gewand. Es war, als wäre dieses Stück genau für diese Interpretation geschrieben worden. Orchestral, hymnisch, verträumt, lieblich, majestätisch und doch kraftvoll, so spielte es das Vielköpfige Orchester und legte eine große Portion Emotion in das Stück. Visuell wurde dieser Part von einem Sternenhimmel, der sich auf der Leinwand zeigte, getragen. Spätestens bei diesem Stück floss so manche Träne vor Rührung im Publikum.

    

    

    

     

     

An dieses ruhige Stück schloss ein Medley an, das die Band auch zu Beginn ihrer Reunion im Programm hatte. Die akustische Version, die aus den Stücken „May Day“, „Wir wollen leben“, „Morning Song“ und „Waldeslied“ bestand, sorgte vor allem bei „Wir wollen leben“ für einen mehrstimmigen Gesang des Publikums. Da machten sich so einige Gänsehäute breit.

    

    

    

     

    

Den nächsten Song, einen Klassiker vom „Jumbo“-Album, kündigte Willi mit den Worten an „Es ist schon komisch, dass man so manches Stück während der Proben als Lieblingssong für sich entdeckt.“ Er meinte „Traum und Wirklichkeit“ das mit herrlichem Satzgesang vorgetragen wurde und alles andere als angestaubt klang. Und mit dieser auf Träumen basierenden Thematik beschloss die Band dann mit „Film im Kopf“ den ersten Teil der Show. Das Stück hatte gegenüber den bisher live gespielten Versionen noch einmal an Volumen gewonnen, dafür sorgte das Philharmonische Orchester Hagen. So fanden zart gezupfte Harfensaiten und einfühlsam gespielte Streichinstrumente ebenso Einzug in diesen Song, wie Glockenspiel, kraftvolle Blasinstrumente und Paukenschläge. Der glasklare Sound blies einem förmlich die Haare durcheinander, so druckvoll (aber immer schmerzfrei) kam er rüber. Die erste Stunde war wie im Flug vergangen und man fragte sich, was man gerade erlebt hatte. Ungläubige Blicke streiften durch das weite Rund des Saales, so als könne man das gerade erlebte noch gar nicht verarbeiten. Das zeugt von der Klasse, die Grobschnitt und das Orchester an den Tag legten.

    

    

    

    

    

Nach einer Pause ging es dann mit dem kompletten Werk „Rockpommel’s Land“ weiter. Zunächst wurde das Intro „Behind“ mit seinen Geräuschen und Effekten vom Band eingespielt, danach präsentierte das Philharmonische Orchester eine komplett neue Overtuere, die alle Motive des Werkes in gut acht bis zehn Minuten zusammenfasste. Diese Overtuere wurde mit einem unglaublichen Volumen und einer hohen Intensität vorgetragen, der man sich nicht entziehen konnte. Schon hier wurde deutlich, welch symphonisches Werk die Hagener Rockband in den 70’ern erschaffen hatte.

     

    

     

    

Nach dieser orchestralen Einstimmung betrat der Schauspieler Robert Schartel, der den Charakter Mr. Glee darstellte, die Bühne und erzählte die Geschichte auf deutsch. Dabei nahm er schon einige Dinge vorweg und meinte spitzbübisch das die Geschichte ja noch gar nicht so weit fortgeschritten sei. Weitere Highlights der Show waren der neue Tanz der Stoney Man, die Straßenszene in „Severity Town“, bei der zahlreiche Kinder auf der Bühne als Fußgänger agierten, der fliegende Maraboo, der von der Decke schwebte und die Befreiung von Mr. Glee und den Kindern, bei der zahlreiche Statisten auf der Bühne agierten und neben Demian Hache, der als klein Ernie mit roter Mütze über die Bühne schritt auch die Musikers des Orchesters mit den roten Kopfbedeckungen (sowie zahlreichen Fans im Publikum, die ebenfalls ihre Mützen aufsetzten) zeigte.

    

    

    

    

    

Das Rockmärchen war nicht einfach so umgesetzt worden, dass beispielsweise die Streicher den Keyboardsound übernahmen. Man hatte ganze Passagen komplett für das Orchester umgeschrieben und so miteinander kombiniert, dass Rockband und Philharmonisches Orchester Hand in Hand und perfekt aufeinander abgestimmt, die Stücke spielten. Es klang so, als hätte es die Band sowie der leider zu früh verstorbene Volker „Mist“ Kahrs, der ja einen sehr großen Anteil an den Kompositionen und der Geschichte hatte, es für diese instrumentale Fusion geschrieben. Auch er wäre stolz auf diese Umsetzung gewesen.

     

    

    
Ein großes Dankeschön an Andres Reukauf linkes Bild und Thilo Borowczak rechtes Bild

    
Robert Schartel, die perfekte Inkarnation des Mr. Glee

Als Zugaben holte die Band dann noch einmal „Vater Schmidt’s Wandertag“ heraus, das ebenfalls in neuem Licht erstrahlte. Die Menge forderte am Ende lautstark „Solar Music“, dies wäre aber zum einen zeitlich und zum anderen von der Vorbereitung und Umsetzung - das Stück lebt ja auch von Improvisationen, was bei einem Philharmonischen Orchester, das nach Noten spielt, undenkbar ist - nicht möglich gewesen und so musste man auf das Meisterwerk verzichten. Auch hätte es in die erzeugte Stimmung nicht gepasst. Einen emotionalen Höhepunkt setzte die Band dann aber mit dem abschließenden „Beyond“ von der CD „Grobschnitt Live 2010“, bei dem sich das Publikum in den Armen lag. Selten kann man eine so emotionale Kraft in einem Konzert spüren, wie es hier der Fall war.

    

    

    

    

    

Rockmusik in Kombination mit einem Philharmonischen Orchester, das gab es in der Vergangenheit schon oft, bisher ist aber noch nie eine so perfekte Symbiose wie es bei den Auftritten von Grobschnitt im Theater Hagen der Fall war, zu hören und zu sehen gewesen. Dem Theater (hier seien vor allem der Regisseur Thilo Borowczak, der sich und vielen Fans einen Kindheitstraum erfüllt hat, Andres Reukauf, der die herrlichen Arrangements geschrieben hat und Dirigent Steffen Müller-Gabriel stellvertretend genannt) und ihren Musikern sowie der Band Grobschnitt ist damit ein herausragendes Konzertereignis gelungen, das seinesgleichen sucht. Das Event des Jahres 2012!!! Wer eine Karte der schnell ausverkauften Konzertreihe ergattern konnte, der kann sich glücklich schätzen.

    

    

    

     

    

Setlist

Geschichten aus dem Wienerwald (Walzer vom Orchester)
Sinfonie
Merry Go Round
Drummer’s Dream
Silent Movie (vom Orchester)
Medley (May Day, Wir wollen leben, Morning Song, Waldeslied)
Traum und Wirklichkeit
Film im Kopf 

Behind
Overtuere (vom Orchester)
Before
Ernie’s Reise
Severity Town
Anywhere
Stoney Dance
Rockpommel’s Land

Vater Schmidt’s Wandertag
Beyond

Stephan Schelle, Juni 2012

 
   

 

 

 
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Bericht Günter Klößinger

 
Grobschnitt live mit dem Philharmonischen Orchester Hagen 2012