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Zu vier Konzerten lud das Theater Hagen
ein, um das deutsche Rockmärchen „Rockpommel’s Land“ der Hagener
Rockformation Grobschnitt mit symphonischem Orchester im Rahmen der
100-Jahr-Feierlichkeiten des Theaters zu präsentieren.
Hatte die Band ihre Fans bereits ab dem
Jahr 2009 mit der Umsetzung von „Rockpommel’s Land“ auf den Rockbühnen
begeistern und vielfach sogar zu Tränen rühren können, so setzte sie mit der
symphonischen Variante noch einmal ein Highlight obendrauf. Selten war ich
nach einem Konzert so emotional leer gepumpt, wie nach dem ersten dieser
Konzerte.
Die erste Stunde der Show bestand aus
Songs des „Grobschnitt-Liederbuches“. Zur Überraschung der Fans wurden lange
nicht gespielte Stücke, die man sich zum Teil schon bei den Konzerten der
letzten Jahre gewünscht hatte, live gespielt, so zum Beispiel „Merry Go
Round“, „Sinfonie“, „Traum und Wirklichkeit“ oder „Drummer’s Dream“.
Den Beginn machte aber zunächst das
Symphonieorchester, das mit einer langen Version von Johan Strauß (Sohn)
„Geschichten aus dem Wienerwald“ das Ereignis würdig einleitete. Von dem
Walzer wird immer am Ende des Vorprogramms bei Grobschnitt-Auftritten ein
Teil gespielt, und damit gehört dieses Stück auch zu jedem
Grobschnitt-Konzert. Eine wunderbare Hommage, bei der die Rockmusiker noch
nicht auf der Bühne waren. Ein schönes Vorprogramm indem das Philharomische
Orchester Hagen gleich mal eine Visitenkarte abgeben konnte.
Danach kam die Band auf die Bühne und
Willi startete das Programm mit dem Spruch „Alles Glatze?“. Ein kleiner
Hinweis auf sein neues Outfit. Aber auch ohne Haar macht Will eine gute
Figur. Bewundernd nimmt man zur Kenntnis, das seine Stimme, wie ein guter
Wein reift und je älter Willi wird, sie immer besser zu werden scheint.
Und dann ging es los auf eine
Achterbahnfahrt der Gefühle, beginnend mit der „Sinfonie“. Der Klassiker vom
Debütalbum „Grobschnitt“ ist ja nun auch wie geschaffen für ein derartiges
Event. Sorgten Anfang der 70’er Jahre noch Axel „Felix“ Harlos und Joachim „Eroc“
Ehrig gemeinsam für ein druckvolles Schlagzeugspiel (ja Grobschnitt agierten
damals mit zwei Drummern), so sind es heute Admiral Top Sahne (aka Rolf
Möller) und Demian Hache, die sich die rhythmischen Bälle zuspielen. Und
diese beiden sorgten wie anno dazumal für einen satten Sound, der damals wie
heute ein wenig an Gruppen wie Santana erinnerte. Nicht umsonst kam von
Willi ein Zwischenruf, in dem er seinen Sohn an der Gitarre als Nuki Santana
bezeichnete.
Schon lange verlangen die Fans nach dem
Stück „Merry Go Round“, vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1979. Zur
Premiere der Konzertreihe mit dem Philharmonischen Orchester Hagen wurde das
lange Warten endlich beendet. Grobschnitt hatten das Stück umarrangiert und
präsentierten es in einer akustischen Version. Dazu senkte sich ein
durchsichtiger Vorhang vor dem Orchester, das jetzt nur noch schemenhaft zu
sehen war. Während des Songs bewegten sich dann plötzlich eine große Anzahl
von Ballons hinter dem Vorhang. Man konnte erkennen, das die Musiker des
Orchesters die bunten Luftperlen hin und herschwenkten. Als Ergänzung
erschien auf der rückwärtigen Leinwand ein altes Karussell, was die
Jahrmarktstimmung noch unterstrich. Was für eine Umsetzung!
Den nächsten Song, einen Klassiker vom „Ballermann“-Album
spielte die Band in einer unwiderstehlichen neuen Form. Selten hat man das
Stück mit solch druckvollen Gitarrenparts gehört, wie bei diesen Liveevents.
Im Refrain kamen dann wunderbare Satzgesänge zum Einsatz, die unter die Haut
gingen. Danach zauberte das Philharmonische Orchester Hagen eine wunderbare
orchestrale Version von „Silent Movie“. Der Track, bei dem die Band die
Bühne verließ und dem Orchester den Platz überließ, erklang in einem ganz
neuen Gewand. Es war, als wäre dieses Stück genau für diese Interpretation
geschrieben worden. Orchestral, hymnisch, verträumt, lieblich, majestätisch
und doch kraftvoll, so spielte es das Vielköpfige Orchester und legte eine
große Portion Emotion in das Stück. Visuell wurde dieser Part von einem
Sternenhimmel, der sich auf der Leinwand zeigte, getragen. Spätestens bei
diesem Stück floss so manche Träne vor Rührung im Publikum.
An dieses ruhige Stück schloss ein Medley
an, das die Band auch zu Beginn ihrer Reunion im Programm hatte. Die
akustische Version, die aus den Stücken „May Day“, „Wir wollen leben“, „Morning
Song“ und „Waldeslied“ bestand, sorgte vor allem bei „Wir wollen leben“ für
einen mehrstimmigen Gesang des Publikums. Da machten sich so einige
Gänsehäute breit.
Den nächsten Song, einen Klassiker vom „Jumbo“-Album,
kündigte Willi mit den Worten an „Es ist schon komisch, dass man so manches
Stück während der Proben als Lieblingssong für sich entdeckt.“ Er meinte
„Traum und Wirklichkeit“ das mit herrlichem Satzgesang vorgetragen wurde und
alles andere als angestaubt klang. Und mit dieser auf Träumen basierenden
Thematik beschloss die Band dann mit „Film im Kopf“ den ersten Teil der
Show. Das Stück hatte gegenüber den bisher live gespielten Versionen noch
einmal an Volumen gewonnen, dafür sorgte das Philharmonische Orchester
Hagen. So fanden zart gezupfte Harfensaiten und einfühlsam gespielte
Streichinstrumente ebenso Einzug in diesen Song, wie Glockenspiel,
kraftvolle Blasinstrumente und Paukenschläge. Der glasklare Sound blies
einem förmlich die Haare durcheinander, so druckvoll (aber immer
schmerzfrei) kam er rüber. Die erste Stunde war wie im Flug vergangen und
man fragte sich, was man gerade erlebt hatte. Ungläubige Blicke streiften
durch das weite Rund des Saales, so als könne man das gerade erlebte noch
gar nicht verarbeiten. Das zeugt von der Klasse, die Grobschnitt und das
Orchester an den Tag legten.
Nach einer Pause ging es dann mit dem
kompletten Werk „Rockpommel’s Land“ weiter. Zunächst wurde das Intro „Behind“
mit seinen Geräuschen und Effekten vom Band eingespielt, danach präsentierte
das Philharmonische Orchester eine komplett neue Overtuere, die alle Motive
des Werkes in gut acht bis zehn Minuten zusammenfasste. Diese Overtuere
wurde mit einem unglaublichen Volumen und einer hohen Intensität
vorgetragen, der man sich nicht entziehen konnte. Schon hier wurde deutlich,
welch symphonisches Werk die Hagener Rockband in den 70’ern erschaffen
hatte.
Nach dieser orchestralen Einstimmung
betrat der
Schauspieler Robert Schartel, der den Charakter Mr. Glee
darstellte, die Bühne und erzählte die Geschichte auf deutsch. Dabei nahm er
schon einige Dinge vorweg und meinte spitzbübisch das die Geschichte ja noch
gar nicht so weit fortgeschritten sei. Weitere Highlights der Show waren der
neue Tanz der Stoney Man, die Straßenszene in „Severity Town“, bei der
zahlreiche Kinder auf der Bühne als Fußgänger agierten, der fliegende
Maraboo, der von der Decke schwebte und die Befreiung von Mr. Glee und den
Kindern, bei der zahlreiche Statisten auf der Bühne agierten und neben
Demian Hache, der als klein Ernie mit roter Mütze über die Bühne schritt
auch die Musikers des Orchesters mit den roten Kopfbedeckungen (sowie
zahlreichen Fans im Publikum, die ebenfalls ihre Mützen aufsetzten) zeigte.
Das Rockmärchen war nicht einfach so
umgesetzt worden, dass beispielsweise die Streicher den Keyboardsound
übernahmen. Man hatte ganze Passagen komplett für das Orchester
umgeschrieben und so miteinander kombiniert, dass Rockband und
Philharmonisches Orchester Hand in Hand und perfekt aufeinander abgestimmt,
die Stücke spielten. Es klang so, als hätte es die Band sowie der leider zu
früh verstorbene Volker „Mist“ Kahrs, der ja einen sehr großen Anteil an den
Kompositionen und der Geschichte hatte, es für diese instrumentale Fusion
geschrieben. Auch er wäre stolz auf diese Umsetzung gewesen.
Ein großes Dankeschön an Andres Reukauf linkes
Bild und Thilo Borowczak rechtes Bild
Robert Schartel, die perfekte Inkarnation des
Mr. Glee
Als Zugaben holte die Band dann noch
einmal „Vater Schmidt’s Wandertag“ heraus, das ebenfalls in neuem Licht
erstrahlte. Die Menge forderte am Ende lautstark „Solar Music“, dies wäre
aber zum einen zeitlich und zum anderen von der Vorbereitung und Umsetzung -
das Stück lebt ja auch von Improvisationen, was bei einem Philharmonischen
Orchester, das nach Noten spielt, undenkbar ist - nicht möglich gewesen und
so musste man auf das Meisterwerk verzichten. Auch hätte es in die erzeugte
Stimmung nicht gepasst. Einen emotionalen Höhepunkt setzte die Band dann
aber mit dem abschließenden „Beyond“ von der CD „Grobschnitt Live 2010“, bei
dem sich das Publikum in den Armen lag. Selten kann man eine so emotionale
Kraft in einem Konzert spüren, wie es hier der Fall war.
Rockmusik in Kombination mit einem
Philharmonischen Orchester, das gab es in der Vergangenheit schon oft,
bisher ist aber noch nie eine so perfekte Symbiose wie es bei den Auftritten
von Grobschnitt im Theater Hagen der Fall war, zu hören und zu sehen
gewesen. Dem Theater (hier seien vor allem der Regisseur Thilo Borowczak,
der sich und vielen Fans einen Kindheitstraum erfüllt hat, Andres Reukauf,
der die herrlichen Arrangements geschrieben hat und Dirigent Steffen
Müller-Gabriel stellvertretend genannt) und ihren Musikern sowie der Band
Grobschnitt ist damit ein herausragendes Konzertereignis gelungen, das
seinesgleichen sucht. Das Event des Jahres 2012!!! Wer eine Karte der
schnell ausverkauften Konzertreihe ergattern konnte, der kann sich glücklich
schätzen.
Setlist
Geschichten aus dem Wienerwald (Walzer vom Orchester)
Sinfonie
Merry Go Round
Drummer’s Dream
Silent Movie (vom Orchester)
Medley (May Day, Wir wollen leben, Morning Song, Waldeslied)
Traum und Wirklichkeit
Film im Kopf
Behind
Overtuere (vom Orchester)
Before
Ernie’s Reise
Severity Town
Anywhere
Stoney Dance
Rockpommel’s Land
Vater Schmidt’s Wandertag
Beyond
Stephan Schelle, Juni 2012 |
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