Vor dem Konzert hatte ich die
Möglichkeit einige Worte mit Thorsten Quaeschning, Kopf des Projektes
PicturePalace Music und Mitglied von Tangerine Dream, zu wechseln. Dort
erfuhr ich, dass es an diesem Abend einen Set geben sollte, bei dem
neben Thorsten (Keyboards) auch noch die Musiker Sascha Beator
(Keyboards), Kai Hanuschka (Schlagzeug), Vincent Nowak (V-Drums),
Vincent de Quiram (E- und Akustikgitarre) und Djiore (E-Gitarre) mit auf
der Bühne stehen. Die Ankündigung von Thorsten, das es etwas rockig
zugehen werde, machte das LineUp ja schon deutlich, doch das Ergebnis
schockierte mich dann doch im wahrsten Sinne des Wortes, denn was da am
Abend über die Besucher hinwegrollte, war atemberaubend. Der Sound
rollte über die Besucher wie ein Orkan und traf mich mit einer Wucht,
die mich förmlich aus den Schuhen haute. Selten habe ich
solch ein phänomenales Konzert gesehen. Dieser Gig war das unumstößliche
Highlight des Tages und, um es mit Winfrid Trenkler’s Worten
auszudrücken: (die er benutzt hätte, wenn er dabei gewesen wäre) „Wir
haben eine Sternstunde der elektronischen Musik erlebt.“
Das Projekt PicturePalace Music, das
Thorsten mit einer Anzahl von Musikern betreibt - es kommt hier oft auch
zu unterschiedlichen Besetzungen, bei denen die feste Komponente
Thorsten Quaeschning ist -, hat sich zum Ziel gesetzt, alte Stummfilme
neu zu vertonen. Thorsten und seine Mitstreiter lieben diese alten
Streifen und haben so unter anderem Friedrich Wilhelm Murnau’s „Nosferatu
– eine Symphonie des Grauens“ und auch Robert Wiene’s „Das Cabinet des
Dr. Caligari“ mit neuen elektronischen Klängen versehen. Wer aber nun
nur atmosphärische Sounds erwartet, der liegt völlig falsch.
In Satzvey traten PicturePalace Music
unter dem Titel „Fairy-Marsh-Districts (music for sunken monasteries and
castle moats)“, so wird auch die in Kürze erscheinende neue CD heißen,
auf. Der erste gut 30minütige Teil des Gigs (die ersten vier Tracks)
bestand aus Material, das die Band extra für diesen Abend komponiert
hatte (Material der neuen CD). Danach präsentierten die sechs Musiker
einen Auszug aus dem bisherigen Material von PicturePalace Music.
Den Beginn machte „Juffer Vey’s
Minnesong“, das zunächst einen sehr ruhigen Anfang (Flächen
Akustikgitarre) mit mittelalterlichen Klängen verwob. Eine gelungene
Eröffnung, die hervorragend in die Location passte. Immer wieder
schälten sich aus dieser Soundwand Klänge hervor, die an Tangerine Dream
erinnerten, ohne aber den Stil der Berliner zu kopieren. Vielmehr waren
dies Elemente die geschickt in die Musik eingesponnen wurden. Auch
machten sich Melodien und Rhythmen breit, die mir an den britischen
Elektroniker Andy Pickford erinnerten. Dazu kamen
druckvolle Perkussion, die teils vorprogrammiert waren, durch die beiden
Schlagzeuger aber nicht nur verstärkt, sondern perfekt ergänzt wurden.
Diese Mixtur hatte für mich Bestandteile aus Elektronik, Progressive-Rock, Melodic-Rock und Gothik sowie als weitere Zutat
mittelalterliche Weisen. Oder einfach ausgedrückt: Faszination pur.
Ich kann gar kein einzelnes Stück
hervorheben, da ich vom ersten Ton an gefangen genommen war und erst
nach dem letzten Ton wieder in die Realität zurückkam. Obwohl, ein Stück
fällt mir ein, dass ich doch noch erwähnen sollte, „Risk Pool“, denn
hier singt Thorsten einen Text, der durch Vocoder verzerrt ist. Dieser
Track geht so was von unter die Haut und setzt sich im Ohr fest, dass
einem schwindelig wird. Dieser Track hat aus meiner Sicht echtes
Hitpotenzial. Das letzte Mal, das mich ein Track derart faszinierte,
haute mich Galahad’s „Bug Eye“ beim Konzert in Spenge um. „Risk Pool“
findet sich in der Studioversion auf dem Album „Natatorium“, war aber
live gespielt eine Klasse für sich.
Musiker und Publikum hatten ihren
absoluten Spaß an diesem Gig. Während es Thorsten mit Tangerine Dream
gewohnt ist, vor tausenden von Zuschauern zu spielen, so war das
PicturePalace Music-Konzert auf Burg Satzvey ein richtig intimer Gig –
ähnlich denen so genannter Clubkonzerte. Während die anderen (mit
Ausnahme der Schlagzeuger) eher ruhig zu Werke gingen, ging Thorsten
hinter seinen Keys streckenweise ab wie ein Zäpfchen, was die Gaudi, die
er beim Auftritt empfand, sehr gut widerspiegelt. Und die
Zuschauerreaktion mündete dann auch in einem tosenden Applaus am Ende
des Gigs.
PicturePalace Music ist
ein absolutes Liverelebnis. Die
sechs Musiker vereinen das Beste von Tangerine Dream und ergänzen es um
treibende, kraftvolle Rhythmen und sphärische oder rockige Gitarren. Das
übt eine Faszination aus, der man sich als Elektronik- und Rockfan nicht
entziehen kann. Dieser Auftritt gehört mit zum Besten, was ich in den
letzten Monaten gesehen und gehört habe.
Setlist
Juffer Vey’s
Minnesong
Spring-Water-Fall
Fairies & Friaries
Damsel’s Dive
Array Of Fadin’ Flowers
Demter-Morph
Sleep Well, Elisabeth
Night Of Ascension
Moon Dial
Risk Pool
Scholomance Trance
Zugabe
Invastigation
Metropolis Theme
Stephan Schelle, 11.04.2010