An dieser Stelle möchte
ich aber schon mal verraten, dass die Solos bzw. Formationen nicht wie im
Programm aufgeführt beibehalten wurden, vielmehr gesellten sich immer
wieder Musiker hinzu, die dann bei den Konzerten mitspielten und das Ganze
zu einer riesigen Session machten. Gerade das hatte seinen ganz besonderen
Reiz, wie sich noch herausstellen sollte.
Als erster Act dieser
Konzerte war Tom van Draft alias Thomas Fanger (Mind~Flux,
Fanger & Kersten, Fanger & Schönwälder) angekündigt. Thomas übernahm nahtlos gegen 24.00 Uhr den Sound von Keller &
Schönwälder. Es war kein Bruch in diesem Wechsel zu hören. Nach gut 15
bis 20 Minuten, die von ruhigen Flächen geprägt waren entwickelte sich
sein Set zu dem typischen Sequenzer- und Rhythmusbetonten Stil, den wir
schon von z. B. Mind~Flux her kennen. Bei diesem Set, den er ja
eigentlich allein bestreiten sollte, wurde er von Chris Lang
unterstützt. Beide harmonierten gut zusammen. Insgesamt war Thomas
Musik eher ruhig angelegt, enthielt aber auch rhythmische Passagen.
Nicht nur die wechselnden
Farben der angestrahlten Decken und die Projektionen wirkten auf mich sehr
relaxt. Auch der Blick nach draußen hatte seinen Reiz, denn durch die
unterschiedlichen Temperaturen der kalten Nacht und des warmen Wassers im
Außenbecken, zogen Nebelschwaden, die von Scheinwerfern angestrahlt
wurden, durch die Luft. Zu diesem Anblick trieben die Sequenzerbeats von
Tom van Draft durch den Wassertempel. Das war für mich Genuss pur.
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Thomas Fanger aka Tom van Draft |
Gegen 02.00 Uhr übernahm
dann ebenfalls übergangslos Der Laborant alias Gerd Wienekamp
(Rainbow Serpent) den Set. Gerd bot nicht nur Flächen, sondern
auch sehr schöne rhythmische Passagen. Auch er musste nicht allein spielen.
Unterstützung bekam er von Bas Broekhuis (Drums, Rhythmstick und
Keyboards) und Detlef Keller. Herrliche Effekte wurden in die
einzelnen Stücke eingewoben, da zirpte und blubberte es schon mal aus den
Klangröhren.

Gerd Wienekamp aka Der Laborant
Gegen 04.00 Uhr in der Früh
starteten dann Broekhuis, Keller & Schönwälder den letzten Gig der
Nacht. Auch hier war der nimmermüde Chris Lang noch mit von der
Partie. Bis um 06.00 Uhr verzauberten sie das Publikum – die Therme hatte
sich zwar schon ein wenig gelichtet, aber man sah immer noch genug Leute im
Wasser oder auf den Liegen – mit ihrem Sequenzer orientierten Sound.
Chris spielte zu dem Set einige sehr schöne Chöre und Gitarrensounds.
Bei diesem Event konnte Wolfram Spyra nicht dabei sein, da er an dem
Wochenende selbst ein Konzert in Barcelona gab. Sein Geist schwebte aber
durch die Therme, denn er hatte den Musikern einige Samples mitgegeben. Vor
allem bei diesem Set hörte man die typischen Xylophonartigen Klänge von Wolfram heraus. Sowohl
Chris Lang wie auch Mario Schönwälder
nutzten diese Sounds bei ihrem Spiel.

Durch die lange
Zusammenarbeit und die häufigen Auftritte verstehen sich Mario und Detlef blind. Beim Festival merkte man das daran, das während einer von
ihnen eine Melodielinie spielte, der andere dann quasi darauf antwortete in
dem er z. B. diese im eigenen Sound wiederholte. Und wie viel Spaß sie
hatten, zeigte sich daran, dass sie oft lachten und bei gelungenen Sequenzen
sich mal schnell zwischendurch abklatschten. Die vier Musiker boten in
dieser Nacht traumhafte Melodiebögen. Und dass hier wirklich live gespielt
wurde, konnte man deutlich sehen, denn man war unmittelbar am Geschehen dran
und konnte den Akteuren quasi auf die Finger sehen.
Noch recht lustig war, dass
ich von meinem Platz aus sehen konnte, wie zwei Gäste zu diesem Set auf der
Empore Maultrommel und Querflöte spielten, was natürlich weder zu hören noch
zu dem Set gehörte. Das ist auch eine Art diese Musik zu genießen.
Während der Nacht hatte ich
noch ein wenig mit Detlef geplaudert und er erzählte mir von einem
Konzert in Polen, wo er und Mario Glockenklänge im Stil von Tubular Bells
spontan eingebaut hatten. Noch beim spielen waren ihnen
damals aufgrund des Erzkatholischen Publikums noch Bedenken gekommen. Doch
sie ernteten Standing Ovations dafür. Vielleicht durch dieses Gespräch
inspiriert brachte Detlef kurz vor Ende des Sets sehr sakrale Töne
(Orgel / Glocken) ein und es war eine kurze Tubular Bells-Passage zu
vernehmen.

Broekhuis, Keller & Schönwälder
Die erste Nacht endete mit
einem Telefonat in die USA. Micky Remann sprach mit dem Forscher und
Musiker Jim Nollman. Jim ist Forscher und Musiker. Er
erforscht u. a. Wale. In diesem ersten Take (das Hauptgespräch war für
Samstagabend geplant) wurde schon einmal eine Kostprobe seiner Arbeit
(Walgesänge) live aus den USA eingespielt, mehr dazu aber später.
Ziemlich geschafft von der
Anstrengung des Vortages (bis 15.00 Uhr gearbeitet, dann ab 16.00 durch den
Verkehr gequält und die Nacht wach geblieben) überkam mich die Müdigkeit.
Doch lange Zeit zum ausruhen war nicht, denn der normale Betrieb in der
Therme nahm früh seinen Betrieb auf. Was hilft gegen die Müdigkeit am
Besten? Klar, eine Runde schwimmen. Es war schon toll gegen 10.00 Uhr ins
Außenbecken zu schwimmen und die herrliche Luft eines kalten Novembermorgens
im geheizten Wasser zu beginnen um den Tag zu begrüßen.
Tagsüber wurde in der Therme
vorwiegend elektronische Musik aus dem CD-Player gespielt. Richtig los ging
das Festival dann wieder gegen 18.10 Uhr. Der bekannte deutsche Zaubergeiger
und Keyboarder Thomas Kagermann (u. a. Fiedel Michel, Falckenstein) trat mit
Andrea Saphira auf. Beide stellen zwei
Drittel des Trios TAU dar. Der letzte im Bund ist der Gitarrist Urs Fuchs (Farfarello), der beim Konzert am 08.11. noch nicht
dabei sein konnte, er stieß am späten Nachmittag des 09.11. zu seinen
Kollegen. Das Konzert haben wir allerdings nicht mehr mitbekommen, da wir
uns schon Sonntagmorgen auf die Heimreise machten.

Thomas Kagermann und Andrea Saphira
Das Konzert von Saphira &
Thomas stand unter dem Titel Sirenengesang & Sirenengeige. Diese
Bezeichnung passte ganz gut, denn die Improvisationen, die beide boten,
begannen mit sanften Flächen, die Thomas aus seinem Synthie
herausholte. Dazu spielte er dann einige Harmonien auf seiner Violine und Saphira nahm diese Töne bzw. Tonlagen auf und reflektierte sie mit ihrer
sehr ausgeprägten, schönen Stimme. Es entwickelte sich ein Zwiegespräch
zwischen Saphira und Thomas, der neben Violine und Keyboard
nun auch sang. Allerdings bestanden die Gesangseinlagen nicht aus Text,
vielmehr setzten er und Andrea ihre Stimmen als Instrument ein. Es
entwickelten sich sehr entspannende, tranceartige und mystische Sounds.
Später wurden auch sehr rhythmische, fast Songorientierte Passagen gespielt.
Bei weiteren Stücken spielte
sie auch Saxophon und Rainmaker (Perkussioninstrument). Mal klang Andrea’s
Stimme wie die einer Opernsängerin, dann intonierte sie nahöstliche
Passagen. Nicht nur ihre Stimme schwang in der Musik mit, sondern ihr ganzer
Körper. Zur Musik und ihrem Gesang vollführte sie streckenweise eine Art
Ausdruckstanz. Auch die geschmeidigen Armbewegungen unterstrichen ihren
Part, der so zum Blickfang wurde.

Thomas
Kagermann allein, mit Mario Schönwälder und mit Andrea Saphira
Das beide schon länger
zusammen Musik machen (TAU wurde Anfang 2002 gegründet), war deutlich
zu spüren, denn sie verstanden sich quasi blind. Sie lieferten ein sehr
schönes Konzert ab, das nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Musiker
begeisterte (Chris: „Mit denen möchte ich gerne mal was machen“).
Ab 20.00 Uhr stand dann
Liquid Sound Live-Session - feat. Various Artists auf dem Programm. Und
das sollte der Knaller des Festivals werden. Keller, Schönwälder,
Broekhuis, Lang und Wienekamp hatten herrliche Sequenzen
mitgebracht, auf die sie spontan gegenseitig reagierten. Thomas Kagermann
fand die Musik dermaßen gut, dass er spontan mit einstieg. Er ist ja nicht
ganz unerfahren im elektronischen Bereich, hat er doch schon mit Klaus
Schulze zusammen gearbeitet. Als Beispiel sei hier die CD-Box Contemporary Works 1 genannt. Auch die so bekannten und beliebten
Sequenzen und Flächen von Detelf und Mario waren zu hören.
Chris Lang,
der es versteht, authentischer als Klaus Schulze zu klingen, und Thomas Kagermann sowie die anderen Musiker ließen Erinnerungen an die
besten Track von Schulze’s Contamporary Works wach werden.
Dieser Set hatte so einen Groove, das alle aus dem Häuschen waren. Auch Andrea Saphira ließ sich davon anstecken und brachte ihre Stimme mit ein
oder tanzte zur Musik. Detlef spielte sich förmlich einen Wolf, denn
er hatte eine geile Keyboardpassage auf Lager, die er über eine lange
Strecke aufrecht halten musste. Das ging ihm, wie er hinterher sagte, ganz
schön in die Finger. Nur gut, dass er keinen Krampf bekommen hat, denn so
war das wohl geilste Stück des Festivals zu hören. Da alle Musiker
begeistert waren, ist davon auszugehen, dass der Track seine
Veröffentlichung auf CD findet. Alle Elektronikfans, die das verpasst haben,
werden sich ein derartiges Event sicher nicht mehr entgehen lassen wollen,
wenn sie dieses Stück hören. Diese erste Session dauerte ca. eine Stunde und
eine weitere sollte noch folgen.

Gegen 22.00 Uhr schaltete
Micky dann wieder per Telefon live in die USA, wo Jim Nollman
über seine Arbeit mit Walen berichtete. Jim fährt u. a. aufs Meer
hinaus und spielt in der Nähe von Walen Gitarre. Auf diese Klänge reagieren
die Tiere dann. Die Gesänge nimmt Jim auf und analysiert sie. Per
Telefon waren Samples von derartigen Gesängen zu hören, so zum Beispiel von
Blauwalen. Zu diesen recht ungewöhnlichen Tönen sang Andrea Saphira.
Manchmal klang das aber nicht wie Gesang, vielmehr hatte man als Zuhörer das
Gefühl, sie würde mit ihrer Stimme den Riesen der Meere antworten. Auch Thomas spielte zeitweise Violine dazu. Da dieser Teil nicht so lange
dauerte, begann danach eine zweite ca. einstündige Session mit den zuvor
genannten Musikern und diese war nicht minder interessant wie die erste. Von
der ersten Session beflügelt legten sie gleich mit Volldampf los, einfach
genial. Auch dieses Stück gehört zum Besten, was das Festival zu bieten
hatte.

Micky Remann am Telefon
Dann um 24.00 Uhr wurden die
Sequenzer wieder angeschmissen und Fanger & Schönwälder unterstützt
von Bas Broekhuis an Drums und Rhythmstick legten mit ihrem bekannten
Sound los. Das dieser Set auch wieder was Besonderes war, lässt sich auch an
einem Kompliment ausmachen, das am Rande verteilt wurde. So sagte Detlef
Keller zu mir: „Der Fanger macht einfach verboten gute
Sequenzen. Das hat der einfach drauf.“ Solch ein Kompliment aus dem
Munde eines Musikerkollegen ist, denke ich, schon was besonderes. Aber Detlef braucht sich gar nicht verstecken, denn auch er verzauberte mit
seinen Sequenzerloops und Melodielinien die anwesenden Gäste.

Bas Broekhuis / Detlef Keller
Die Nacht hatte noch etwas
ganz spezielles für uns zu bieten, eine Mondfinsternis. Tagsüber war nach
einem herrlichen Sonnenaufgang ein Wolkenband über Thüringen gezogen. Doch
rechtzeitig zum nächtlichen Spektakel hatte sich der Himmel wieder
aufgeklärt und präsentierte die Sterne und den Vollmond in vollem Glanz.
Gegen 02.00 Uhr sollten
Keller & Broekhuis übernehmen, doch aufgrund der bevorstehenden
Mondfinsternis wurde kurzerhand das Programm ein wenig umgestellt. Micky
Remann trug einige Texte zu der besonderen Konstellation der Gestirne
und der bevorstehenden Mondfinsternis (der Mond sollte sich um 02.19 Uhr
komplett verdunkeln) vor. Dazu spielte Thomas Kagermann und Andrea
Saphira sang. Zeitweise waren sogar Harfenklänge á la Andreas
Vollenweider zu hören. Wir hatten uns gegen 01.40 Uhr ins Außenbecken
gewagt um so die Mondfinsternis bei Sternen klarem Himmel genießen zu
können. Im Außenbecken war die Musik unter Wasser zu hören, das bedeutete,
dass man rücklings auf dem Wasser trieb und nur Mund, Augen und Nasenspitze
aus dem Wasser ragten.

Das Außenbecken bei Nacht
Wir lagen also im Wasser,
über uns der klare Himmel und die freie Sicht auf den sich verdunkelnden
Mond. Dazwischen wehten Nebelschwaden, die durch das warme Wasser in dieser
kalten Nacht entstanden, vor unserem Gesicht, während die Sequenzerlinien
und Flächen der Elektronikmusik unter Wasser von uns aufgesogen wurden.
Diese Kombination war einfach beeindruckend. Zwar war das meine erste
Mondfinsternis, die ich erleben durfte (sonst hat man ja nur einen Wolken
verhangenen Himmel oder kommt nachts mit dem Hintern nicht hoch), aber die
weiteren Komponenten der Nacht passten einfach genial zusammen, so dass es
ein unvergessliches Ereignis wurde.
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