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Interview mit Norbert "Shamall" Krüler
im September 1999 via Internet geführt

 

Der 1957 geborene Norbert Krüler veröffentlicht seit 1986 unter dem Pseudonym SHAMALL Musik. Die ersten Produktionen (zwei MaxiSingles "My Dream" und "Feeling Like A Stranger") waren noch sehr Discoorientiert. Doch mit der 1989 erschienenen CD "Journey To A Nightmare" ging es dann schon mehr in die Richtung der elektronischen Musik. Auf seinen bisher sieben Veröffentlichungen (neben den zwei Maxis) bringt Norbert eine sehr rhythmusbetonte, teils rockige Instrumentalmusik. In einigen Stücken verwendet Norbert Stimme bzw. Gesang, die sich aber in das Gesamtbild gut einfügen.

Kürzlich ist seine siebte CD "Influences" erschienen. Dies und der Besuch auf seiner sehr ansprechenden Homepage nahm ich zum Anlass, ein Interview per E-Mail mit ihm zu führen.

Stephan: Du hast bereits mit 11 Jahren Gitarre gespielt und die ersten Experimente im Soundbereich gemacht. Wie kamst Du zur Musik?

Norbert: Durch eine leichte körperliche Behinderung in meiner Kindheit (Epilepsie) war ich oft alleine und verbrachte einen Grossteil der Zeit mit meiner Gitarre. Die Gitarre sollte mir den fehlenden Freundeskreis ersetzen, was zur Folge hatte, dass ich stunden- und tagelang nur am Spielen war. Zunächst hatte ich Stücke von John Mayall ("Room to move"), Jimi Hendrix ("Hey Joe") und Shocking Blue ("Venus") immer und immer wieder geübt. Später, - mit dem Album "Ummagumma" von Pink Floyd - war ich inspiriert, eigene Stücke schreiben und insbesondere den Gitarrensound zu verfremden. (von Synthesizern konnte damals noch nicht die Rede sein...).

Stephan: Hast Du anfangs auch in einer Schülerband gespielt?

Norbert: nein, leider. Siehe oben.

Stephan: Wenn ja, welche Musik habt ihr gemacht? Habt ihr andere Bands nachgespielt?

Norbert: "Entdeckt" wurde ich durch den Bruder meines damaligen Gruppenleiters (bei den Pfadfindern) der Konzertveranstalter im westfälischem Raum war. Als erstes Konzert durfte ich als Vorgruppe von King Ping Meh auftreten (hat mir damals satte 50,- DM Gage gebracht. Wenn man bedenkt, dass ich damals mein komplettes Mofageld für eine Gitarre ausgegeben hatte, stand ich danach immer noch mit 550,- in den Miesen.)

Stephan: Du bist auch in den 70‘ern auf Festivals mit so angesagten Bands wie Kraan, Birth Control, Guru Guru und Grobschnitt aufgetreten. Schildere doch bitte einige Eindrücke, die Dir noch in Erinnerung sind.

Norbert: Die damaligen Gruppen beherrschten ihre Instrumente virtuoser, waren wesentlich kreativer und dabei überhaupt nicht arrogant (aber dafür waren sie alle ganz schön verkifft!). Typen wie Manni Neumeier (Guru Guru) habe ich später nie wieder getroffen. Das Publikum war viel begeisterungsfähiger und das trotz bescheidener Mittel (Sound, Licht etc.). Daher wurde die Leistung einzelner Musiker viel kritischer bewertet (als Beispiel: nie werde ich das Konzert von Eberhard Weber, Charlie Mariano, Bobo Stenson, Philipp Cathrine und Volker Kriegel in der Uni Mensa in Münster vergessen - nicht mal flüstern durfte man während des Konzertes. Jede Note wurde mit den Augen aufgesogen. (Übrigens: Um 70iger Jahre-Feeling nachzuempfinden, muss man heute auf Jazz-Konzerte gehen.). Hochinteressant waren auch Auftritte mit den Gruppen Can und Kraftwerk – mit welchen "Instrumenten" die Musik gemacht haben: vom Löffel bis zur Maultrommel war wirklich alles vertreten. Insgesamt war einfach ALLES innovativer. Die gemeinsamen Konzerte mit Novalis, Kraan, Jane, Birth Control, Guru Guru, Rufus, und Omega etc. waren durchweg alle warm und positiv. Nur ein einziges Mal ist mir Arroganz entgegengeschlagen (wieder in der Uni Mensa in Münster mit Eloy).

Stephan: Wie sahen denn die Konzerte damals aus? Bist Du allein mit einer Akustikgitarre aufgetreten und hast dazu gesungen?

Norbert: Nein, ganz so war es nicht. Mit einem damaligen Freund, der die ganze Sache rhythmisch mit Bongos begleitet hat, sind wir voll auf die Richie Havens-Schiene abgefahren ("Freedom" war dann auch immer unsere Zugabe).

Stephan: Welche Musik hast Du dann gespielt?

Norbert: Eigenkompositionen, die in ihrer Art vergleichbar mit dem damals sehr berühmten Neil Young waren. Außer Eigenkompositionen zierte auch bspw. "Heart of Gold" unser Repertoire.

 

Stephan: Du hast Dich dann Mitte der 70‘er von den Bandauftritten abgewandt und bist Discjockey geworden. Wie kam es zu dieser radikalen Wandlung?

Norbert: 50 bis 250 DM pro Auftritt - das war nun absolut nicht der Hammer, im Hinblick darauf, dass man ja nur ein bis zwei Auftritte in der Woche hatte. Manchmal auch gar keinen. Hinzu kam erschwerend, dass aufgrund meiner Epilepsie mir verschiedene Arbeitsformen ärztlich untersagt waren. So kam es, dass ein weiterer alter Schulfreund, der derzeit eine Disco eröffnete und nach kurzer Zeit schon DJ-Probleme bekam (Unzuverlässigkeit etc.), sich meiner musikalischen Ambitionen erinnerte und mich danach fragte, ob ich mir vorstellen könne, für ihn zu arbeiten, da das Unterhalten von Publikum mir nicht fremd sei.

Stephan: Hast Du zu der Zeit noch eigene Stücke geschrieben oder Dich mehr auf das Auflegen von Platten konzentriert?

Norbert: Um folgenden Absatz zu verstehen, musst Du wissen, dass ich nie in der "Disco-Ecke" beheimatet war, sondern von der ersten Minute an als Discjockey im Alternativ-Bereich tätig war (meine ersten Disco-Hits in unserem Club waren "Ricochet" von Tangerine Dream und "Tubular Bells" von Mike Oldfield). Da das ein völlig neues Metier für mich war, hatte ich im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal einen Haufen Schularbeiten zu machen, denn - wie Du weißt - waren insbesondere die 70er von den blumigsten Musikrichtungen durchzogen. Da die zweite Hälfte der 70er schwer jazz- und jazzrockdurchwachsen war, und dieses Genre nicht gerade als Easy Listening betrachtet werden kann, musste ich meine persönlichen musikalischen Ambitionen erst einmal auf Eis legen, denn sich mit Gruppen wie Herbie Hancock, Weather Report, Soft Machine, Embryo, Munju etc. auseinanderzusetzen, das war schon harter Tobak.

 

Stephan: Wie kam der Wunsch auf, wieder eigene Musik zu machen? War es damals schon geplant Instrumentalmusik zu machen?

Norbert: Der Club, in dem ich gearbeitet habe, war immer sehr innovativ in Sachen Licht. Damit Du eine Vorstellung davon bekommst, wie das damals in unserem Club in den frühen 80ern ausgesehen haben könnte, musst Du Dich einfach an ein Pink-Floyd oder Genesis-Konzert erinnern. Jetzt war es ja nun leider in den 80ern nicht mehr so, dass innovative Gruppen den Markt beherrschten, (mal abgesehen von Pink Floyd und Genesis), sondern Radio-Rocker wie Bon Jovi die Bühne betraten. Da hätte es auch eine einfachere Lightshow getan. In Anbetracht der Tatsache, dass nun nicht jeden Tag 'ne neue Pink Floyd herauskommt und es auch nicht so sehr viele andere Gruppen in diesem Bereich gibt, die innovativ, aber trotzdem publikumsorientiert arbeiten, lag die Idee nahe, so genannte esoterische Klänge mit tanzbarem Rhythmus zu unterlegen. Ohne kommerziellen Hintergrund schlugen meine Erstlingswerke beim Publikum bombastisch ein und über einige Umwege bekam ich einen Schallplattenvertrag bei der Ariola. Mit einem Titel landete ich sogar in den europäischen Dance-Charts .... und den Rest weißt Du ja aus der History. Abschließend möchte ich zu meiner Musik sagen, dass ich bemüht bin, nur dann meine Stimme zu benutzen, wenn auch eine ideelle Message darin liegt und nicht einfach ein Playback mit sinnlosem Gelaber zu füllen.

Stephan: Auf den CD’s findet sich immer eine Angabe zu "Aladin Music Cycle Center". Handelt es sich hierbei um die Discothek, in der Du gearbeitet hast?

Norbert: Ja.

Stephan: Bist dort heute auch noch tätig?

Norbert: Nein. (20 Jahre haben gereicht, und bevor ich bei "Boehse Onkelz" taub werde.....)

Stephan: Die erste Veröffentlichung "My Dream" klingt ein wenig nach Bands wie Alphaville, die damals modern waren. Hat Dich und Deine Mitmusiker die Musik damals inspiriert?

Norbert: Überhaupt nicht, aber es entsprach meinem damaligen musikalischen Intellekt. Und außerdem waren es die Achtziger, da hat Musik so geklungen. Viele Bands klangen ähnlich, weil auch das elektronische Equipment noch nicht so ausgereift war.

 

Stephan: Welchen Einfluss haben die Pioniere der "elektronischen Musik" Kraftwerk, Tangerine Dream, Klaus Schulze oder auch Jean Michel Jarre auf Deine Musik gehabt?

Norbert: Während andere Bands mehr auf Melodien aufgebaut haben und oftmals dabei vom Sound her auf der Strecke geblieben sind, war es bei den o.g. Gruppen eher umgekehrt: weniger Melodie, dafür sehr guter Klang. Ferner war ich natürlich (wie alle) von den akustischen Experimenten begeistert (Meeresrauschen, Wind, Vogelgezwitscher eingebunden in Musik - das hatte schon was!) Wie begeistert ich davon bin, hörst Du ja auch in vielen meiner Kompositionen.

Stephan: Nach den etwas discobetonten Veröffentlichungen kam 1989 der erste komplette CD "Journey To A Nightmare" heraus. Hier finden sich schon vorwiegend Instrumentalstücke im Stil der eher "traditionellen EM" vor. Was bewog Euch damals zu diesem Stilwechsel?

Norbert: Der Hauptgrund war wohl ich selber. Wir waren zu dritt und ohne mich negativ über meine früheren Mitstreiter äußern zu wollen: wir haben wohl einfach nicht zusammengepasst. Der eine stand auf Disco, das Idol des Zweiten hieß Rory Gallagher (nix gegen good old Rory!) und ich wollte mir einfach alle musikalischen Türen offen halten. Das Hauptinteresse in meiner Musik ist Innovation. Klar ausgedrückt: in meiner Musik wird alles erlaubt und nichts bevorzugt. Mein Ehrgeiz ist es, sämtliche Musikrichtungen miteinander zu verschmelzen und da konnten meine Mitstreiter sich einfach nichts drunter vorstellen. Das Ende erinnerte dann die "10 kleinen Negerlein".... Den Rest kannst Du Dir denken......

 

Stephan: Auf der 90‘er CD "Moments Of Illusion" hast Du noch einen Mitmusiker, ab der 93‘er "Mirror Of Eternity" veröffentlichst Du allein unter dem Namen Shamall. War Shamall ursprünglich ein Bandprojekt? Warum machst Du jetzt allein weiter?

Norbert: Aus den oben genannten Gründen. Aber so ganz alleine bin ich ja nicht. Wie Du auf meinen Alben sehen kannst, tauchen dort immer wieder "good old friends" auf. Was auch gut so ist, denn zwei, drei oder vier Köpfe können manchmal doch sehr bereichernd sein!..... Wie gesagt, manchmal.... Was Shamall sonst angeht, habe ich meine klaren Vorstellungen, die nicht immer mit denen meiner Freunde übereinstimmen. Dafür nehme ich die Sache wohl zu ernst.

Stephan: Shamall bedeutet übersetzt "heißer Wüstenwind". Auf einigen Deiner CDs tauchen auch immer wieder Pyramiden auf. Welche Bedeutung hat für Dich Ägypten und seine Kultur?

Norbert: Eine faszinierende natürlich. Die Pyramiden von Gizeh sehe ich als Monument der Macht des menschlichen Geistes und seiner Ausführungskraft. Sie sind mehr als 3000 Jahre alt, und doch sind Architekten der Gegenwart nicht in der Lage (und das mit all den technischen Möglichkeiten von heute) ähnlich perfekt durchdachte Gebäude zu schaffen (die dann auch noch 3000 Jahre halten). Ägypten erinnert mich immer wieder an eine große Aufgabe: Etwas zu schaffen, das nicht mit mir stirbt, sondern an dem sich vielleicht auch danach noch Menschen erfreuen. Sicherlich keine 3000 Jahre.....aber ich denke, "DER GEDANKE ZAEHLT" !!!

Stephan: Nachdem die Sendung "Schwingungen" aus der Radiolandschaft verschwunden ist, hat man nicht mehr viel von Dir in den Medien gehört, Du hast aber weiterhin Platten produziert. Hat sich die Einstellung der Sendung auf die Verkaufszahlen Deiner CDs ausgewirkt?

Norbert: Ich wußte bis heute nicht einmal, dass SHAMALL im Radio gelaufen ist. Aber ! .... Danke für die Info. Dementsprechend kannst du davon ausgehen, daß sich aus der Richtung eigentlich nichts geändert hat.

 

Stephan: Welche Leute hören Deine Musik? Bekommst Du einiges an Feedback auf Deine Veröffentlichungen?

Norbert: Ja. Briefe, E-Mails, Gästebucheinträge, Autogrammstunden, etc. Die meisten SHAMALL-Liebhaber findest Du in unserem Alter und natürlich bei den Sammlern. Aber auch jüngere Leute, denen Techno zu schnöde oder zu einseitig ist. Aus meiner Zeit als DJ weiß ich, der typische SHAMALL-FAN kommt eher aus der Genesis, Pink Floyd, Jeff Wayne Ecke, als aus der New Age Ecke.

Stephan: Nachdem Du ja bereits in den 70‘ern live aufgetreten bist (allerdings mit anderer Musik), stellt sich natürlich zwangläufig die Frage, ob Du als Shamall ebenfalls Liveauftritte absolviert hast.

Norbert: Nein! Allerdings ist das ein Gedanke, der in letzter Zeit sehr häufig aufgetaucht ist. Da ich mich mit einer Playback-Show allerdings nicht zufrieden geben möchte, und meine Musik zum Teil sehr komplex aufgebaut ist, fehlt mir im Moment die technische Umsetzungsidee. Denn wo eine Violine zu hören ist, ... da sollte man auf der Bühne auch eine sehen. Oder nicht ?! :-)

 

Stephan: Wird man Dich zukünftig live erleben können?

Norbert: Daran wird tüchtig gearbeitet. Aber wie schon erwähnt: .... Ich denke, dass mein härtester Kritiker Norbert Krüler heißt, ... und der stellt ganz schön hohe Ansprüche! Aber! ... man wird sehen.

Stephan: Welche Musik hörst Du heute?

Norbert: Oh. Da kann ich Dir leicht drauf antworten. Mal abgesehen von einigen wenigen wirklich guten neuen Bands (Meine Tipps: Die beiden letzten Alben einer Band mit dem Namen Anathema. Dann noch Dream Theater, Ayreon, Arena, Vanden Plaz) höre ich als Kontrast-Programm immer wieder gerne die "guten alten Schinken" von früher. Einen Klassiker wie "Child in Time" von Deep Purple zu komponieren .... da hast Du mich kalt beim Träumen erwischt. Sicher erstaunt Dich jetzt, dass es in meinem Alternativ-Programm von Rock-Gruppen nur so wimmelt. Aber ich glaube, dass da für mich heute inspirativ mehr zu holen ist, als in der EM-Ecke. Würde ich privat auch noch EM-Musik hören, wäre es sehr wahrscheinlich, dass ich dann vielleicht unbewusst viele meiner EM-Kollegen in gewisser Weise imitieren würde. Das Wichtigste aber für mich ist, das SHAMALL seinen eigenen Stil behält. Außerdem gibt es nichts Schlimmeres als immer nur das eine zu hören. In einem Satz: Ohne Mike Oldfield wären Led Zeppelin genauso wenig wie umgekehrt, denn die Klasse einer Musikrichtung wird erst durch den Kontrast geschaffen. Und wie wichtig es für eine Musikgruppe ist, sich durch Kontraste zu entwickeln, sieht man an den Beatles im positiven Sinne: vom Brit-pop-Schlager bis zur hochintellektuellen Jazz-Ballade. Schon Paul McCartney und John Lennon haben viel Bach und Wes Montgomery gehört. Siehe: "Other side of Abbey Road" Würde ich den ganzen Tag Yanni, Patrick O´Hearn oder Mark Shreeve hören, würde ich mich zu sehr einengen. Ich denke, so ähnlich haben die Beatles auch gedacht. Zum Schluss allerdings muss ich Dir noch meine absolute "favourite Band" aufdrängeln... das ist natürlich ....................... SHAMALL :-))

Stephan: Woran arbeitest Du zur Zeit?

Norbert: Ich hoffe, ich enttäusche Dich nicht mit der Antwort. Aber ... ich arbeite an meiner nächsten CD. Ach ja ... und daran, dass mein Auto endlich eine Garage bekommt :-) Du siehst: alles ganz normale Dinge.

Stephan: Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.

 

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