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Interview mit Jörg Schaaf
im Oktober / November 1999 per Email geführt

 

Die meisten Elektronikfans werden Jörg Schaaf mit Klaus Schulze in Verbindung bringen, da er auf einigen CD’s von Klaus mitgewirkt hat. Beim 97‘er Konzert in Duisburg unterstützte Jörg Klaus Schulze bei seinem Auftritt. In diesem Jahr hat Jörg seine erste Solo-CD "sonar eXperience" herausgebracht. Aus diesem Grund war er am 09. Oktober 1999 auf dem E-Live-Tag in Nijmegen. Ich traf ihn dort und wir vereinbarten ein kleines Interview per Email zu führen. Das Ergebnis könnt ihr hier lesen:

Stephan: Wie kam der Kontakt zu Klaus Schulze zustande?

Jörg: Klaus habe ich während meiner Tätigkeit für einen Synthesizer-Hersteller kennengelernt. Als Entwickler und Produktspezialist hatte ich die Ehre einige Geräte bei ihm zu installieren. Zu dieser Zeit war ich gerade mit der Produktion einer Demo-CD beschäftigt. Einen Titel (Virtual Network Traveller) habe ich im KS-Studio fertigproduziert. Klaus hatte das Stück spontan so gut gefallen das er mich fragte, ob wir nicht zusammen eine Wahnfried-CD machen möchten. Wenn ich mich richtig erinnere habe ich direkt zugesagt ;-))

Stephan: Du bist auf den Schulze-Produktionen "Are You Sequenced?" und "Dosburg Online" sowie der Wahnfried-CD "Trance Appeal" dabei gewesen. Wie kam es dazu und welchen Anteil hattest Du an den Kompositionen?

Jörg: Fangen wir mit der ersten gemeinsamen CD an. Trance Appeal war eine richtige Gemeinschaftsproduktion. 50% des Materials stammen von KS, die andere Hälfte von mir. "Suspense", "Rubbish", "Angel Heart" und "Le Sleep des Animaux" sind z. B. von mir; "So What" und "Towarisch" haben wir zusammen geschrieben und der Rest ist von Klaus Schulze.

Bei "Are you sequenced" habe ich eigentlich in erster Linie Samples bearbeitet und zwei Remixe unter "Subsonic Affair" gemacht. Einer dieser Remixe ist auf der Doppel CD und der andere auf Vinyl und dem später erschienenen Remix-Album.


Klaus Schulze und Jörg im Studio

Bei Dosburg-Online war mein Einfluß wieder größer. Fast alle Backings, also die Sequenzen und Grooves bei "Art of Sequencing" stammen von mir. Seit "Dosburg Online" haben wir noch einige weitere Produktionen zusammengemacht. Eines dieser Projekte war ein Studio-Konzert anläßlich eines runden Geburtstages von KS. Dieses Konzert ist leider nur für betuchtere Fans zu haben, da es ausschließlich auf der Jubilee-Edition erschienen ist (Tradition und Vision).

Stephan: Auf den CD’s die unter Deiner Beteiligung entstanden sind finden sich härtere Beats, als man das bisher von Schulze kannte. Warst Du mehr ein "Zuarbeiter" in Sachen Technik bzw. Synthiespieler, oder konntest Du auch eigene Ideen mit einbringen?

Jörg: Die Zusammenarbeit hätte mir sicherlich keinen Spaß gemacht, wenn sich meine Tätigkeit nur auf die Technik reduziert hätte. Klaus arbeitet auch generell lieber mit Musikern zusammen als mit Zahlenschiebern. Ich denke wir haben uns bei unseren Produktionen recht gut ergänzt.


Klaus Schulze und Jörg im Studio

Stephan: Wie war denn generell die Zusammenarbeit mit Klaus?

Jörg: Freundschaftlich und recht familiär. Einen großen Anteil an der angenehmen Arbeitsatmosphäre trägt auch Elfi (K's Frau). Sie ist den ganzen Tag am Wuseln: Frühstück, ein Häppchen zwischendurch, Kaffee und meistens ein Mörder-Abendessen. Da wir teilweise recht laut abgehört haben, mußte sie zusätzlich auch noch den ganzen Lärm ertragen.

Stephan: Welche Eindrücke sind Dir vom Konzert mit Klaus in Duisburg, was im Mai 1997 stattfand, geblieben?

Jörg: Es war für mich recht imposant vor einem solch großen Publikum zu spielen. Für ein paar Tage ging da bei mir plötzlich ein ganz anderer Film ab. Du fährst zur Vorbereitung, trittst auf, steigst in den Flieger nach Berlin und trittst erneut auf (Radio Fritz). Zwischendurch ruhst Du dich im Hotel ein wenig aus...Irgendwie ist man für kurze Zeit in einer ganz anderen Welt.

Stephan: War das Dein erster Liveauftritt?

Jörg: Ich bin schon einige Male aufgetreten. Früher in einer typischen Krautrock-Band (Dannebroek) und später auch alleine mit meinen Synthesizern (Dannebroek II).


Jörg und Klaus beim 97'er Konzert in Duisburg

Stephan: Wann war das mit der Band Dannebroek und was bedeutet der Name?

Jörg: Das Projekt Dannebroek liegt nun schon 18 Jahre zurück. Der Name entstand aus dem Versuch, aus Dani (der Schlagzeuger) und Jörg einen vernünftigen Namen zu kreieren. Ich glaube ich hatte damals Englisch für die Schule zu büffeln und meine Gedanken sind - wie so oft - weit vom Stoff abgedriftet. Da "Danijoerg" oder "Joergdani" natürlich ziemlich dämlich klingt, ist mir irgendwann "Dannebroek" eingefallen. Ein reines Zufallprodukt ohne tieferen Sinn. Die Presse hatte mit dem Namen daher auch immer Probleme. So las man verschiedenste Versionen von "Dane Broek" bis "Dannebrög". Außerdem hat der Name die Schreiberlinge einmal sogar beflügelt, uns als nordische Rockband einzustufen...

Letztendlich war die Zeit in der Band eine wichtige Erfahrung für mich. Die Zusammenarbeit war immer sehr lustig und dafür, daß wir rein instrumentale Musik aufgeführt haben - die auch noch aus unserer eigenen Feder stammte - waren wir meistens doch recht gut besucht.


Dannebroek (Jörg = 2. von links)

 

Stephan: Welche Musik hast Du mit der Band gespielt, Krautrock hat ja eine große Bandbreite?

Jörg: Instrumentale, synthesizerlastige Instrumentalmusik mit vielen Takt- und Rhythmuswechseln. Die Stücke hatten genauso wie die Band ganz abgedrehte Namen wie "swarraz" oder "opus parvus". Wir waren allesamt noch nicht banderfahren und zwischen den Stücken konnte auch schon mal eine 5 minütige Pause entstehen, in deren Verlauf der Versuch unternommen wurde, die Anlage zu reparieren. Ich habe vor und während der Stücke wild an meinem MS-20 herumgeschraubt und ab und zu meinen Crumar Multiman geschlagen, da dieser ein paar kalte Lötstellen hatte und so regelmäßig seinen Job verweigerte. Vor dem Konzert haben wir immer so um die 20 Bandschleifen für mein altes WEM-Copycat (antikes Echogerät) geklebt, um auf der Bühne eines zu haben, das nicht leiert oder hängt. Außerdem besaß ich noch einen Badstone-Phaser. Heutzutage würde sich kein Mensch mehr mit einem solchen Equipmet auf die Bühne trauen - obwohl man schon damals für diesen Mist Unmengen an Geld ausgeben mußte (jedenfalls als Schüler).Unsere Vorbilder waren Kansas, Toto, Saga und lustigerweise - zumindest was mich betrifft - Ostbands wie Stern-Combo-Meissen. Die hab ich immer heimlich im Ost-Radio gehört ;-)).

 

Stephan: Welche Musik hast Du dann unter dem Namen Dannebroek II gemacht?

Jörg: Sehr poppig angehauchte Elektronik-Stücke. Mehr so in Richtung Paul Hardcastle als in Richtung deutscher Elektroniker. Damals mußte bei mir Musik oft auch tanzbar sein und mein Lieblingsspielzeug war die Groove-Quantisierung vom C-Lab Creator und später Notator. Mit dem damaligen Repertoire bin ich sogar ein paar mal aufgetreten. Erst nach und nach entstanden auch getragene Stücke zum Abchillen und atmosphärisch dichtere Tracks. Da war allerdings auch klar, das ich erst mal nicht mehr Live auftreten würde. Mit dem Medium DAT machte endlich auch das Aufnehmen Spaß, weil man tatsächlich das hörte, was man vorher eingespielt hatte - ohne Rauschen und andere Störgeräusche. Meine Musik wurde zunehmend TD-lastig. Es gibt auch sicherlich keine Band, die meine Musik mehr beeinflußt hätte wie Tangerine Dream. Das Trio aus Chris Franke, Edgar Froese und Johannes Schmoelling spielte genau die Art von Musik, die meinem Geschmack von Klängen und Sequenzen sehr nahe kam.

Stephan: Gibt es Tonträger von den beiden Projekten?

Jörg: Von Dannebroek gibt's Kassetten- und Tonbandaufnahmen, die (zum Glück) nie veröffentlicht wurden. Von Dannebroek II gibt's sogar eine CD - aber nur für den Hausgebrauch. Vielleicht werde ich ein paar der alten Tracks mal im Internet auf meiner Homepage veröffentlichen. Diese ist gerade in der Entstehung und wird in ein paar Wochen unter "www.JoergSchaaf.de" zu finden sein.


Jörg live mit Dannebroek

 

Stephan: In diesem Jahr kam Deine CD "sonar eXperience" heraus. Ist das Deine Debut-CD oder hattest Du vorher schon Veröffentlichungen?

Jörg: Ich mache eigentlich schon ewig Musik. Von einer CD-Produktion habe ich mir trotzdem nie viel versprochen. Im Normalfall sieht das ja so aus, daß Du in erster Linie mal viel Geld ausgibst, um dann das Gros deiner CD's bei Freunden und Verwandten abzulagern. Es sei denn, irgend jemand kennt dich und will deine Musik herausbringen. Mittlerweile kannten mich halt doch ein paar Leute so daß ich bei NinetySix-Sounds in Berlin mal angefragt habe. Vartan - (der Label-Besitzer) - kannte mich aufgrund des Radio-Fritz Konzertes. Meine Demos gefielen ihm und so ist dann ein paar Monate später "sonar eXperience" erschienen.


Jörg's SoloCD "sonar eXperience"

Stephan: Hat Dich die Zusammenarbeit mit Klaus Schulze bewogen eigene Sachen zu machen, oder hattest Du das schon länger vor?

Jörg: Der Traum einer SOLO-CD war schon lange vorher da. Ich war aber nie konsequent genug, mich um ein Label oder ähnliches zu kümmern.

Stephan: Ich finde das die Musik auf Deiner CD sehr ausgereift klingt und, im Gegensatz zu manchen anderen, eine eigene Handschrift aufweist. Man hat zum Glück nicht das Gefühl, daß Du einen Musiker - wie zum Beispiel Klaus Schulze - nachmachen möchtest. Die Sounds sind frisch, der Rhythmus geht schon in Richtung Techno, knallt aber nicht zu sehr. Erzähl doch ein wenig über die Produktion.

Jörg: Die meisten Stücke entstehen bei mir sehr spontan, da sie aus einer bestimmten Stimmung heraus entstehen. Daher versuche ich auch nach Möglichkeit nicht zu lange an einem Track zu arbeiten. Ansonsten wäre das Ergebnis in sich nicht mehr stimmig. Ich bin kein Fan von zu langen Tracks. Dazu fehlt mir die nötige Ruhe. Wenn ich das Gefühl habe: "Das kennt der Konsument nun schon, da er es bereits eins, zwei Male gehört hat" ist bei meinen Tracks Schicht. Man kann sich das Stück ja noch mal anhören, wenn man wirklich mehr davon braucht. Ich fange in der Zwischenzeit lieber mit einem neuen Track an. Es gibt auch keinen schöneren Moment beim Musikmachen, als die Freiheit, nach einem komplett fertigproduzierten Track mit einem neuen anzufangen.

Stephan: Erzähl doch bitte ein wenig über den Hintergrund Deiner neuen Produktion. Was bedeutet der Titel und welche Intention steckt hinter den einzelnen Stücken?

Jörg: Die Hauptintention resultiert natürlich aus dem Versuch, aus meiner Sicht der Dinge gute Musik zu machen. Der Titel "sonar eXperience" hat seinen Ursprung in zwei sehr persönlichen Erfahrungen aus 98. Zwei Sonographien habe ich letztes Jahr erlebt. Zum einen konnte ich meinen Sohn Eric das erste Mal per Ultraschall sehen und zum anderen war ich selbst zu einer Untersuchung in's Krankenhaus geschickt worden, da ich eine recht unnatürlich aussehende Wölbung an meinem Oberschenkel beobachtete, deren Ursache in einer Sonographie herausgefunden werden sollte. Während ersteres natürlich eine unglaublich beglückende Erfahrung ist, so hätte sich die an mir durchgeführte Untersuchung fast zu einem Alptraum entwickelt. In der Diagnose wurde mir nahegelegt, doch so schnell wie möglich einer Operation zuzustimmen, da man ansonsten für nichts garantieren könne. Es wurde eine bösartige Geschwulst vermutet und mit einem Male wurde mir klar, wie vergänglich das Sein auf diesem Erdball doch sein kann. Das ganze entpuppte sich zum Glück als Irrtum. Diese beiden sehr gegensätzlichen Erfahrungen führten zu dem CD-Titel "sonar eXperience".


Stephan: Diese kleinen Zwischenstücke (um die 1 Minute Länge) zwischen den "richtigen racks" sind sehr laut und blasen einem den Kopf frei. War das auch der Grund sie zu machen, damit der Hörer sich ganz auf den folgenden Titel einlassen kann?

Jörg: Zur Zeit der Entstehung war ich von der Entwicklung in der deutschen Außenpolitik bestürzt. Generell ist es entsetzlich, eine deutsche Rot/Grüne Regierung zu erleben, die Kampfeinsätze in einem anderen Land führt und dabei unzähligen Unschuldigen großes Leid zuführt. Am schlimmsten war die Erfahrung, als Kritiker unserer Politik als "Milo-Freund" denunziert zu werden. Ein Milo-Freund war weder ich noch andere Kriegsgegner. Natürlich war diese Art der Verunglimpfung ein Teil der ganzen Kriegspropaganda, der auch wir ausgesetzt waren. Die Vorstellung - mit meinem Kind und meiner Frau in einem Luftschutzkeller zu sitzen und draußen Bombenlärm, Schreie und Sirenen zu hören, ließ mich nicht mehr los. Die Zwischenpassagen sollten der Versuch sein, die Angst der Bevölkerung akustisch wiederzuspiegeln - wenn auch mir klar war, daß dies ein völlig unvollkommener Versuch sein würde. Diese Angst, die Schmerzen und das Leid kann man nicht akustisch wiederspiegeln. Das Thema wird heute weitgehend totgeschwiegen. Es wäre sicherlich auch nicht einfach - angesichts der vielen nicht erreichten Ziele, den vielen zivilen Opfern und der völlig lahmgelegten serbischen Industrie - die Politik vor einem Jahr noch glaubwürdig darzustellen.

Stephan: Wird man Dich auch mal Solo live erleben können?

Jörg: Wer weiß?

Stephan: Was planst Du als nächstes?

Jörg: Ich arbeite bereits an einer neuen Solo-CD. Diese wird aber erst nächstes Jahr fertig produziert sein. Im Moment tendiere ich dazu, diese Produktion melodischer und harmonischer zu gestalten als sonar eXperience. Aber ich weiß nicht, wie lange ich diese Absicht verfolge. Das hängt wohl in erster Linie von meiner Stimmung ab.

Stephan: Hat Dein derzeitiger Beruf auch mit Musik oder Instrumenten zu tun?

Jörg: Natürlich - in wenigen Wochen wird man erfahren können, welches Projekt ich dieses Jahr angegangen bin.

Stephan: Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen. Ich hoffe, daß Du mit Deiner Solo-CD Erfolg hast und wir bald wieder etwas von Dir hören werden.

 

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