Es
ist gut ein halbes Jahr her, dass von dem Musikprojekt Deep Imagination
das wunderbare Album „The Children Of The Moon“ erschienen ist.
Mastermind des Projektes ist Thorsten Sudler-Mainz. Grund genug mit ihm
über die Hintergründe zum Album, die Veränderung im Sound, der
Zusammenarbeit mit seinem früheren musikalischen Partner Achim von
Raesfeld und den Zukunftsplänen zu sprechen. Stephan Schelle nahm aus
diesem Grund Kontakt zu Thorsten auf.
Thorsten
wir kennen uns jetzt schon seit 20 Jahren. Damals hattest du mit Art Of
Infinity und ab 2005 mit Deep Imagination Projekte am Start, die anfangs
mehr in der traditionellen elektronischen Musik verortet waren. Du hast
aber davor schon in den 80’er Jahren mit Achim von Raesfeld in einer
Dark Wave Gothic-Band gespielt. Erzähl doch ein bisschen über diese frühe
Phase und deine damaligen Einflüsse.
Erstmal
vielen Dank für die Einladung zum Interview. Ich habe 1982 angefangen
Musik zu machen, aber davor natürlich bereits die Musiker der 70er
Jahre, vor allem von Pink Floyd, in meine musikalische DNA eingesaugt.
Begonnen habe ich an den Drums und spielte parallel in einer Progressive
Rock Band und NDW Band. Ich lernte Achim von Raesfeld kennen, der
Gitarre spielte und die gleiche Musik wie ich gut fand und hörte.
Anfangs jammten wir mit Gitarre und Drumset, aber später begann auch
ich mit Gitarre und wir gründeten unsere erste gemeinsame Band. Die
Musik war von Post Punk Bands dieser Tage wie The Chameleons, The
Sisters Of Mercy oder The Cure beeinflusst. Das war eine Zeit für Neues
und es war unsere Zeit. Wir haben damals auch viele dieser Bands in der
Batschkapp in Frankfurt gesehen. Auch die wunderbaren Dead Can Dance,
deren Album „Within a Realm of a Dying Sun“ ich heute als einen
meiner wichtigsten Einflüsse bezeichnen würde.
Mit dem
2005’er Album „Scapes“, dem Debüt von Deep Imagination, das du
zusammen mit Thorsten Rentsch an der Gitarre und Stefan Höllering am
elektronischen Saxophon eingespielt hast, hast du dann aber eher
ambiente, elektronische Soundscapes erstellt. Wie kam der Wechsel zu
dieser Art von Musik zustande?
Ende
der 80er hatte ich genug von allzu düsterer Musik und baute mir zu
Beginn der 90er mein erstes eigenes 8-Spur Tonstudio, in dem ich
komplette Produktionen selbst eingespielt habe. Das war alles noch
hundert Prozent analog, ich war irgendwie noch auf der Suche und von der
Musik her war das eine Art Independent-Folk-Pop-Rock. 1996 kaufte ich
mir dann eine Kurzweil K2000 Workstation und das war der Einstieg in die
Elektronische Musik. Aber eher im Sinne eines Richard Wright als dem von
klassischer EM. Die Kombination von Keyboards und Gitarren und dezentem
Gesang fand ich schon immer faszinierend. Im gleichen Jahr gründete ich
mit Thorsten Rentsch das Progressive-Ambient Projekt Art Of infinity,
mit dem wir in den Nullerjahren vier groß angelegte und mit
Gastmusikern aufwändig produzierte Alben auf BSC Music/Prudence veröffentlichten.
Wir arbeiteten damals in großen Kölner Tonstudios wie dem Sound Studio
N und ich konnte bei Art Of Infinity meine Floydigen Einflüsse voll mit
einbringen.
War
es für dich ein natürlicher Prozess dann wieder zurück zu eher
rockigen Sounds und nun zum Gothic bzw. Dark Wave zurückzukehren, oder
kam das schleichend?
Ja
wirklich, das kam schleichend. 2005 gründete ich parallel zu Art Of
Infinity mein Soloprojekt Deep Imagination, mit dem ich drei
instrumentale Ambient Alben produzierte. Nachdem 2012 Art Of Infinity in
den Dornröschenschlaf fiel, übertrug ich das eher bombastische Konzept
auf Deep Imagination und veröffentlichte in den Zehnerjahren weitere
drei Alben, aber diesmal mit Gesang und Gitarren. Für das Album „My
Silent Celebration“ lud ich 2020 auch meinen alten Freund und
Gitarristen Achim von Raesfeld in mein Studio ein. Wir haben uns nie aus
den Augen verloren und ich wollte unbedingt, dass er auf diesem Album
mitwirkt, da ich mit „Coming From The Cold“ auch einen Titel am
Start hatte, der sehr im Stile von Dead Can Dance war. Das hat bei uns
beiden das alte Feuer neu entfacht und Achim hat nach über 20 Jahren
die Gitarre wieder umgeschnallt. Mit ihm zu arbeiten und diese Musik zu
machen hat bei mir dazu geführt, dass ich nach diesem Album nichts
anderes mehr machen wollte, als ein Dark Wave Album zu schreiben.
Du
hast ja sonst eher mit Gastsängern bzw. dem Gesang deiner Frau
gearbeitet – die ja auch wieder auf dem aktuellen Album zu hören ist.
Deine dunkle Stimme passt aber ganz hervorragend zu dem Gothicsound. War
dir das von vornherein klar bzw. was war der Grund, dass du den Gesang
selbst übernommen hast?
Wow,
vielen Dank für die Blumen. Es war so, dass die Zeit reif war für
etwas, das ich mir vorher so nicht zugetraut hatte. Das mit dem
Leadgesang ist in mir gereift, wenn du über die Jahre hinweg
komponierst und produzierst, dann wirst du in allen Disziplinen besser
und besser. Ich habe es dann einfach gemacht und es war nicht schwer,
auch weil ich diesen Geist aus den 80ies natürlich noch in mir hatte.
Diese Gothic Band aus den 80ern, in der ich auch Sänger war, verlief
damals, ohne eine einzige nennenswerte Aufnahme erfolglos im Sand und
ich habe gespürt, dass ich da noch was fertigstellen will. Nämlich
eine Produktion, die sich sehen lassen kann. Damals waren wir
Greenhorns, aber es gab einen Geist, eine Haltung, die wir durch unsere
düstere Musik damals ausgedrückt hatten. Ich habe gemerkt, dass Achim
und ich tief drinnen immer noch diese jungen Typen sind. Die Musik auf
dem neuen Album „The Children Of The Moon“ steht genau dafür, wir
haben uns das jetzt selbst wiedergeholt und genießen das. Das ist
etwas, das kannst du nicht kaufen, das ist wie ein gehobener Schatz, der
dir eigentlich schon immer gehört hat. Die Gesänge von Ann Kareen sind
auf dem neuen Album vielleicht etwas in den Hintergrund gerückt, aber
sie sind entscheidend für die Dynamik und die Chöre. Ich liebe die
Kombination mit weiblichen Gesängen und Ann Kareen hat einfach eine
tolle Stimme.
Wie
war das Gefühl mit deinem alten Kumpel Achim von Raesfeld wieder
gemeinsam an einem Album zu arbeiten?
Mit
Achim zu arbeiten ist wunderbar. Der ist einfach total cool. Es gab
einen Moment beim Recording im Studio, da dachte ich, genau so muss das
jetzt sein, dass das Achim ist, den ich da gerade aufnehme. Wir haben
eine nonverbale musikalische Kommunikation, das ist irgendwie alles ganz
natürlich und total harmonisch.
War
Achim auch an den Kompositionen beteiligt bzw. wie hat er sich in die
Songs eingebracht?
Es
ist so, dass Achim ein feines Gespür für die passenden Wave-Gitarren
Licks hat. Das war auch in den 80s schon so. Wir spielen da ja keine
komplizierten Sachen, das können wir gar nicht. Es geht ausschließlich
darum, ob das was du spielst dem Song dient. Nachdem ich einen Titel auf
dem Keyboard und die Gesangslinien komponiert habe, schicke ich Achim
das Stück und er hat alle Freiräume, etwas auf der Gitarre dazu zu
entwickeln. Dann kommt er zum Recording ins Studio. Ich sage immer zu
ihm, dass wir alles aufnehmen, was er aufnehmen möchte. Später höre
ich die Spuren durch und entscheide, was verwendet wird. Das ist der
springende Punkt, denn als Produzent gibt es nichts Besseres, als wenn
du ein Füllhorn an Ideen hast. Ähnlich gehe ich dann auch vor, wenn
ich später meinen Anteil an der Gitarrenarbeit hinzufüge. Am Ende
entsteht dann dieses sich gegenseitig ergänzende Etwas, das uns schon
früher fasziniert hat, wenn wir zusammen Gitarren entwickelt haben. Und
das ist das, was du auf „The Children Of The Moon“ hörst.
Durch
die beiden Gitarren, die elektronischen Sounds und die Percussion hat
das Werk auch ein großes Volumen bekommen und klingt monumental. Und
„The Silence Of Winterland“ setzt sich schnell im Ohr fest. Das
passt perfekt zu dem wunderbaren Cover. Von
wem stammt das tolle Cover?
Das
CD-Cover basiert auf einer Idee von Achim von Raesfeld. Er hat ein Deep
Imagination-Foto genommen, das in den Bergen von Gran Canaria entstanden
ist und es in eine futuristische Landschaft eingebaut. Die Idee hat uns
allen so gut gefallen, dass wir es dann am Ende mit unserer Plattenfirma
BSC Music und NC FineDesign umgesetzt und finalisiert haben.
Viele
Songs haben auf dem neuen Album eher düstere Titel wie „The Magic
Moon“, „Catching The Shadow“, „The Silence Of Winterland“ oder
„No Words To Say“. Steckt
ein Konzeptwerk hinter dem Album? Und wenn ja, welche Verbindung gibt es
bei den Songs?
Der
Albumtitel „The Children Of The Moon“ sagt eigentlich nichts anderes
aus, als dass er uns selbst beschreibt. Eine Art romantische Metapher
auf das, was wir seit 2020 mit Deep Imagination geschaffen haben. Die düsteren
Titel sind alle ganz von alleine zu mir gekommen, ich musste es einfach
nur machen, die Lyrics handeln allesamt von düster romantischen
Momenten und setzen sich aus schön klingenden Worten zusammen, die man
gut singen kann. Es muss für mich jede Silbe passen. Ich habe ganz
bewusst ein Album gemacht, das kompakt und wie aus einem Guss klingt.
Gesang habe ich eigentlich schon immer als eine Art Instrument
eingesetzt. Jetzt meine Kompositionen auch selbst zu singen ist für
mich etwas Wunderbares. Das ist vielleicht so ein Reifepunkt, zu dem ich
nach 40 Jahren Musik machen gelangt bin. Der Unterschied zu allen
anderen Instrumenten ist, dass Gesang direkt aus der Seele kommt.
Neben
der digitalen Variante ist das Album auch als limitierte CD mit einem
tollen DIN A 4 großen Booklet mit vielen Fotos und den Songtexten
herausgekommen. War das nicht ein finanzielles Risiko?
Eigentlich
nicht, denn die CD ist für mich immer noch ein wichtiger Teil einer
Album-Veröffentlichung. Aber klar, man muss auch schon ein bisschen was
reinstecken. Gemeinsam mit BSC Music funktioniert das aber hervorragend.
In
welcher Auflage ist die limitierte Version erschienen und ist sie
mittlerweile ausverkauft?
Wir
haben eine Mini-Auflage von 100 Stück gemacht und die ist
zwischenzeitlich bis auf sehr wenige Exemplare ausverkauft.
Du
hast sehr positive Resonanz auf das Album von der Presse bekommen. Waren
die Reaktionen von den Musikfreunden ebenfalls so positiv und hat dich
das überrascht?
Ja,
die Besprechungen sind wirklich gut. Was will man mehr, als das Gefühl
vermittelt zu bekommen, dass man verstanden wurde. Aber nicht alle haben
die Musik gleich als Dark Wave oder so aufgenommen, sondern auch als
Artrock oder Ambient-Gothic. Die Reaktionen meiner Freunde gehen in die
Richtung, dass Sie diese neue Arbeit als sehr authentisch sehen. Einer
sagte sogar zu mir: „Das bist du“!
Habt
ihr einen Lieblingssong auf dem Album?
Ich
hatte mal den Traum, eigene Kompositionen zu veröffentlichen. Diesen
lebe ich jetzt seit 2004, als wir die erste Veröffentlichung auf BSC
Music/Prudence hatten. Ich finde, alle sieben Titel des neuen Albums
sind gleich stark. Aber wenn ich einen Lieblingstitel nennen soll, dann
ist es „The Silence of Winterland“. Das ist ein düster romantisches
Liebeslied. Der Text handelt von der unvermeidlichen Vergänglichkeit
der Liebe und davon, dass sich die Liebenden irgendwann nach dem Tod in
einem kalten Paradies, dem Winterland, wieder vereinigen.
Du
hast zu einigen Songs auch Videos gemacht. Wie aufwendig war das und wie
war die Resonanz darauf?
Die
Videos kommen supergut an. Vielleicht liegt es daran, dass Achim und ich
darin selbst auftreten und zu den Songs performen. Der Aufwand für die
Videos ist nicht klein, aber das ist halt eine wunderbare Bühne, die es
zu bespielen gibt. Klar ist das Produzieren von Videos als Musiker
eigentlich nicht mein primäres Ziel, aber es gehört einfach zum
Gesamtpaket von Deep Imagination dazu und wir machen alles selbst.
Deswegen lege ich auch immer alles rein, wenn wir die Bilder drehen und
auch wenn ich am Ende das Video schneide. Auch weil es dann doch sehr
viel Spaß macht und das Spotlight auf den jeweiligen Song wirft.
Hat
sich der Dark Wave Gothic-Stil nun in der Musik von Deep Imagination
verfestigt oder wird die Musik auch mal wieder elektronischer ausfallen?
Ich
glaube, der neue Stil von Deep Imagination ist nicht etwas, das sich
verfestigt, sondern etwas, das sich weiterentwickeln wird. Im Prinzip
ist die Basis seit 25 Jahren ein Electronic-Ambient Ansatz. Ich arbeite
ja nach wie vor mit Flächensounds und Sequenzern. Die zusätzlichen
Gitarren und vor allem dann auch die Gesangsproduktion sind für mich
das Salz in der Suppe. Vom instrumentalen Ambient bis hin zu aufwändigsten
Produktionen mit etlichen Gastmusikern habe ich schon so einiges
gemacht. Das ist gut, will ich aber nicht unbedingt wiederholen, denn
das Reizvolle am Musikmachen ist und war für mich auch immer das
Neuland, das es zu entdecken gilt.
Seid
ihr schon wieder an neuen Stücken und wird es bei der nächsten Veröffentlichung
wieder zu einer Zusammenarbeit kommen?
Ja,
beides. Gerade haben wir mit „No Words To Say“ das dritte Video zum
neuen Album veröffentlicht und arbeiten bereits am nächsten Clip,
diesmal für „The Silence Of Winterland“. Und neue Stücke sind auch
bereits in der Entstehung.
Wie
sehen eure Zukunftspläne generell aus? Wird es auch mal Liveauftritte
von euch geben?
Im
kommenden Jahr wird es zu allererst eine neue Single von Deep
Imagination geben. Im Sommer 2023 habe ich mit Achim von Raesfeld auf
der CD-Release Party zum neuen Album ein paar Titel live gespielt.
Ausschnitte davon sind übrigens auch in Form von zwei kleinen
Live-Videos auf YouTube zu sehen. Wir würden gerne mehr daraus machen
und vielleicht mal auf einem passenden Festival spielen. Momentan gibt
es da aber noch keine konkreten Pläne oder Angebote, aber das wird
sicher weiter reifen.
Was
ist mit dem Projekt Art Of Infinity, das du zusammen mit Thorsten
Rentsch hattest? Ist das zunächst auf Eis gelegt (das letzte Album kam
ja 2014 heraus) oder planst du da nochmal eine Zusammenarbeit mit
Thorsten Rentsch?
Es
hat sich nichts geändert daran, dass wir mit Art Of Infinity noch nicht
wieder aktiv geworden sind, uns aber auch nicht aufgelöst haben.
Derzeit gibt es keine konkreten Pläne, Thorsten Rentsch und ich wollen
es aber auch nicht ausschließen, dass es eines Tages etwas Neues von
Art Of Infinity geben wird. Die Zukunft wird es uns weisen.
Ganz
herzlichen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen.
Ich
danke dir.
Stephan Schelle
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