Interview mit Thorsten Sudler-Mainz
Per Email im Oktober 2023 geführt

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Es ist gut ein halbes Jahr her, dass von dem Musikprojekt Deep Imagination das wunderbare Album „The Children Of The Moon“ erschienen ist. Mastermind des Projektes ist Thorsten Sudler-Mainz. Grund genug mit ihm über die Hintergründe zum Album, die Veränderung im Sound, der Zusammenarbeit mit seinem früheren musikalischen Partner Achim von Raesfeld und den Zukunftsplänen zu sprechen. Stephan Schelle nahm aus diesem Grund Kontakt zu Thorsten auf.

Thorsten wir kennen uns jetzt schon seit 20 Jahren. Damals hattest du mit Art Of Infinity und ab 2005 mit Deep Imagination Projekte am Start, die anfangs mehr in der traditionellen elektronischen Musik verortet waren. Du hast aber davor schon in den 80’er Jahren mit Achim von Raesfeld in einer Dark Wave Gothic-Band gespielt. Erzähl doch ein bisschen über diese frühe Phase und deine damaligen Einflüsse.

Erstmal vielen Dank für die Einladung zum Interview. Ich habe 1982 angefangen Musik zu machen, aber davor natürlich bereits die Musiker der 70er Jahre, vor allem von Pink Floyd, in meine musikalische DNA eingesaugt. Begonnen habe ich an den Drums und spielte parallel in einer Progressive Rock Band und NDW Band. Ich lernte Achim von Raesfeld kennen, der Gitarre spielte und die gleiche Musik wie ich gut fand und hörte. Anfangs jammten wir mit Gitarre und Drumset, aber später begann auch ich mit Gitarre und wir gründeten unsere erste gemeinsame Band. Die Musik war von Post Punk Bands dieser Tage wie The Chameleons, The Sisters Of Mercy oder The Cure beeinflusst. Das war eine Zeit für Neues und es war unsere Zeit. Wir haben damals auch viele dieser Bands in der Batschkapp in Frankfurt gesehen. Auch die wunderbaren Dead Can Dance, deren Album „Within a Realm of a Dying Sun“ ich heute als einen meiner wichtigsten Einflüsse bezeichnen würde.

Mit dem 2005’er Album „Scapes“, dem Debüt von Deep Imagination, das du zusammen mit Thorsten Rentsch an der Gitarre und Stefan Höllering am elektronischen Saxophon eingespielt hast, hast du dann aber eher ambiente, elektronische Soundscapes erstellt. Wie kam der Wechsel zu dieser Art von Musik zustande?

Ende der 80er hatte ich genug von allzu düsterer Musik und baute mir zu Beginn der 90er mein erstes eigenes 8-Spur Tonstudio, in dem ich komplette Produktionen selbst eingespielt habe. Das war alles noch hundert Prozent analog, ich war irgendwie noch auf der Suche und von der Musik her war das eine Art Independent-Folk-Pop-Rock. 1996 kaufte ich mir dann eine Kurzweil K2000 Workstation und das war der Einstieg in die Elektronische Musik. Aber eher im Sinne eines Richard Wright als dem von klassischer EM. Die Kombination von Keyboards und Gitarren und dezentem Gesang fand ich schon immer faszinierend. Im gleichen Jahr gründete ich mit Thorsten Rentsch das Progressive-Ambient Projekt Art Of infinity, mit dem wir in den Nullerjahren vier groß angelegte und mit Gastmusikern aufwändig produzierte Alben auf BSC Music/Prudence veröffentlichten. Wir arbeiteten damals in großen Kölner Tonstudios wie dem Sound Studio N und ich konnte bei Art Of Infinity meine Floydigen Einflüsse voll mit einbringen.

War es für dich ein natürlicher Prozess dann wieder zurück zu eher rockigen Sounds und nun zum Gothic bzw. Dark Wave zurückzukehren, oder kam das schleichend?

Ja wirklich, das kam schleichend. 2005 gründete ich parallel zu Art Of Infinity mein Soloprojekt Deep Imagination, mit dem ich drei instrumentale Ambient Alben produzierte. Nachdem 2012 Art Of Infinity in den Dornröschenschlaf fiel, übertrug ich das eher bombastische Konzept auf Deep Imagination und veröffentlichte in den Zehnerjahren weitere drei Alben, aber diesmal mit Gesang und Gitarren. Für das Album „My Silent Celebration“ lud ich 2020 auch meinen alten Freund und Gitarristen Achim von Raesfeld in mein Studio ein. Wir haben uns nie aus den Augen verloren und ich wollte unbedingt, dass er auf diesem Album mitwirkt, da ich mit „Coming From The Cold“ auch einen Titel am Start hatte, der sehr im Stile von Dead Can Dance war. Das hat bei uns beiden das alte Feuer neu entfacht und Achim hat nach über 20 Jahren die Gitarre wieder umgeschnallt. Mit ihm zu arbeiten und diese Musik zu machen hat bei mir dazu geführt, dass ich nach diesem Album nichts anderes mehr machen wollte, als ein Dark Wave Album zu schreiben.

Du hast ja sonst eher mit Gastsängern bzw. dem Gesang deiner Frau gearbeitet – die ja auch wieder auf dem aktuellen Album zu hören ist. Deine dunkle Stimme passt aber ganz hervorragend zu dem Gothicsound. War dir das von vornherein klar bzw. was war der Grund, dass du den Gesang selbst übernommen hast?

Wow, vielen Dank für die Blumen. Es war so, dass die Zeit reif war für etwas, das ich mir vorher so nicht zugetraut hatte. Das mit dem Leadgesang ist in mir gereift, wenn du über die Jahre hinweg komponierst und produzierst, dann wirst du in allen Disziplinen besser und besser. Ich habe es dann einfach gemacht und es war nicht schwer, auch weil ich diesen Geist aus den 80ies natürlich noch in mir hatte. Diese Gothic Band aus den 80ern, in der ich auch Sänger war, verlief damals, ohne eine einzige nennenswerte Aufnahme erfolglos im Sand und ich habe gespürt, dass ich da noch was fertigstellen will. Nämlich eine Produktion, die sich sehen lassen kann. Damals waren wir Greenhorns, aber es gab einen Geist, eine Haltung, die wir durch unsere düstere Musik damals ausgedrückt hatten. Ich habe gemerkt, dass Achim und ich tief drinnen immer noch diese jungen Typen sind. Die Musik auf dem neuen Album „The Children Of The Moon“ steht genau dafür, wir haben uns das jetzt selbst wiedergeholt und genießen das. Das ist etwas, das kannst du nicht kaufen, das ist wie ein gehobener Schatz, der dir eigentlich schon immer gehört hat. Die Gesänge von Ann Kareen sind auf dem neuen Album vielleicht etwas in den Hintergrund gerückt, aber sie sind entscheidend für die Dynamik und die Chöre. Ich liebe die Kombination mit weiblichen Gesängen und Ann Kareen hat einfach eine tolle Stimme.

Wie war das Gefühl mit deinem alten Kumpel Achim von Raesfeld wieder gemeinsam an einem Album zu arbeiten?

Mit Achim zu arbeiten ist wunderbar. Der ist einfach total cool. Es gab einen Moment beim Recording im Studio, da dachte ich, genau so muss das jetzt sein, dass das Achim ist, den ich da gerade aufnehme. Wir haben eine nonverbale musikalische Kommunikation, das ist irgendwie alles ganz natürlich und total harmonisch.

War Achim auch an den Kompositionen beteiligt bzw. wie hat er sich in die Songs eingebracht?

Es ist so, dass Achim ein feines Gespür für die passenden Wave-Gitarren Licks hat. Das war auch in den 80s schon so. Wir spielen da ja keine komplizierten Sachen, das können wir gar nicht. Es geht ausschließlich darum, ob das was du spielst dem Song dient. Nachdem ich einen Titel auf dem Keyboard und die Gesangslinien komponiert habe, schicke ich Achim das Stück und er hat alle Freiräume, etwas auf der Gitarre dazu zu entwickeln. Dann kommt er zum Recording ins Studio. Ich sage immer zu ihm, dass wir alles aufnehmen, was er aufnehmen möchte. Später höre ich die Spuren durch und entscheide, was verwendet wird. Das ist der springende Punkt, denn als Produzent gibt es nichts Besseres, als wenn du ein Füllhorn an Ideen hast. Ähnlich gehe ich dann auch vor, wenn ich später meinen Anteil an der Gitarrenarbeit hinzufüge. Am Ende entsteht dann dieses sich gegenseitig ergänzende Etwas, das uns schon früher fasziniert hat, wenn wir zusammen Gitarren entwickelt haben. Und das ist das, was du auf „The Children Of The Moon“ hörst.

Durch die beiden Gitarren, die elektronischen Sounds und die Percussion hat das Werk auch ein großes Volumen bekommen und klingt monumental. Und „The Silence Of Winterland“ setzt sich schnell im Ohr fest. Das passt perfekt zu dem wunderbaren Cover. Von wem stammt das tolle Cover?

Das CD-Cover basiert auf einer Idee von Achim von Raesfeld. Er hat ein Deep Imagination-Foto genommen, das in den Bergen von Gran Canaria entstanden ist und es in eine futuristische Landschaft eingebaut. Die Idee hat uns allen so gut gefallen, dass wir es dann am Ende mit unserer Plattenfirma BSC Music und NC FineDesign umgesetzt und finalisiert haben.

Viele Songs haben auf dem neuen Album eher düstere Titel wie „The Magic Moon“, „Catching The Shadow“, „The Silence Of Winterland“ oder „No Words To Say“. Steckt ein Konzeptwerk hinter dem Album? Und wenn ja, welche Verbindung gibt es bei den Songs?

Der Albumtitel „The Children Of The Moon“ sagt eigentlich nichts anderes aus, als dass er uns selbst beschreibt. Eine Art romantische Metapher auf das, was wir seit 2020 mit Deep Imagination geschaffen haben. Die düsteren Titel sind alle ganz von alleine zu mir gekommen, ich musste es einfach nur machen, die Lyrics handeln allesamt von düster romantischen Momenten und setzen sich aus schön klingenden Worten zusammen, die man gut singen kann. Es muss für mich jede Silbe passen. Ich habe ganz bewusst ein Album gemacht, das kompakt und wie aus einem Guss klingt. Gesang habe ich eigentlich schon immer als eine Art Instrument eingesetzt. Jetzt meine Kompositionen auch selbst zu singen ist für mich etwas Wunderbares. Das ist vielleicht so ein Reifepunkt, zu dem ich nach 40 Jahren Musik machen gelangt bin. Der Unterschied zu allen anderen Instrumenten ist, dass Gesang direkt aus der Seele kommt.

Neben der digitalen Variante ist das Album auch als limitierte CD mit einem tollen DIN A 4 großen Booklet mit vielen Fotos und den Songtexten herausgekommen. War das nicht ein finanzielles Risiko?

Eigentlich nicht, denn die CD ist für mich immer noch ein wichtiger Teil einer Album-Veröffentlichung. Aber klar, man muss auch schon ein bisschen was reinstecken. Gemeinsam mit BSC Music funktioniert das aber hervorragend.

In welcher Auflage ist die limitierte Version erschienen und ist sie mittlerweile ausverkauft?

Wir haben eine Mini-Auflage von 100 Stück gemacht und die ist zwischenzeitlich bis auf sehr wenige Exemplare ausverkauft.

Du hast sehr positive Resonanz auf das Album von der Presse bekommen. Waren die Reaktionen von den Musikfreunden ebenfalls so positiv und hat dich das überrascht?

Ja, die Besprechungen sind wirklich gut. Was will man mehr, als das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass man verstanden wurde. Aber nicht alle haben die Musik gleich als Dark Wave oder so aufgenommen, sondern auch als Artrock oder Ambient-Gothic. Die Reaktionen meiner Freunde gehen in die Richtung, dass Sie diese neue Arbeit als sehr authentisch sehen. Einer sagte sogar zu mir: „Das bist du“!

Habt ihr einen Lieblingssong auf dem Album?

Ich hatte mal den Traum, eigene Kompositionen zu veröffentlichen. Diesen lebe ich jetzt seit 2004, als wir die erste Veröffentlichung auf BSC Music/Prudence hatten. Ich finde, alle sieben Titel des neuen Albums sind gleich stark. Aber wenn ich einen Lieblingstitel nennen soll, dann ist es „The Silence of Winterland“. Das ist ein düster romantisches Liebeslied. Der Text handelt von der unvermeidlichen Vergänglichkeit der Liebe und davon, dass sich die Liebenden irgendwann nach dem Tod in einem kalten Paradies, dem Winterland, wieder vereinigen.

Du hast zu einigen Songs auch Videos gemacht. Wie aufwendig war das und wie war die Resonanz darauf?

Die Videos kommen supergut an. Vielleicht liegt es daran, dass Achim und ich darin selbst auftreten und zu den Songs performen. Der Aufwand für die Videos ist nicht klein, aber das ist halt eine wunderbare Bühne, die es zu bespielen gibt. Klar ist das Produzieren von Videos als Musiker eigentlich nicht mein primäres Ziel, aber es gehört einfach zum Gesamtpaket von Deep Imagination dazu und wir machen alles selbst. Deswegen lege ich auch immer alles rein, wenn wir die Bilder drehen und auch wenn ich am Ende das Video schneide. Auch weil es dann doch sehr viel Spaß macht und das Spotlight auf den jeweiligen Song wirft.

Hat sich der Dark Wave Gothic-Stil nun in der Musik von Deep Imagination verfestigt oder wird die Musik auch mal wieder elektronischer ausfallen?

Ich glaube, der neue Stil von Deep Imagination ist nicht etwas, das sich verfestigt, sondern etwas, das sich weiterentwickeln wird. Im Prinzip ist die Basis seit 25 Jahren ein Electronic-Ambient Ansatz. Ich arbeite ja nach wie vor mit Flächensounds und Sequenzern. Die zusätzlichen Gitarren und vor allem dann auch die Gesangsproduktion sind für mich das Salz in der Suppe. Vom instrumentalen Ambient bis hin zu aufwändigsten Produktionen mit etlichen Gastmusikern habe ich schon so einiges gemacht. Das ist gut, will ich aber nicht unbedingt wiederholen, denn das Reizvolle am Musikmachen ist und war für mich auch immer das Neuland, das es zu entdecken gilt.

Seid ihr schon wieder an neuen Stücken und wird es bei der nächsten Veröffentlichung wieder zu einer Zusammenarbeit kommen?

Ja, beides. Gerade haben wir mit „No Words To Say“ das dritte Video zum neuen Album veröffentlicht und arbeiten bereits am nächsten Clip, diesmal für „The Silence Of Winterland“. Und neue Stücke sind auch bereits in der Entstehung.

Wie sehen eure Zukunftspläne generell aus? Wird es auch mal Liveauftritte von euch geben?

Im kommenden Jahr wird es zu allererst eine neue Single von Deep Imagination geben. Im Sommer 2023 habe ich mit Achim von Raesfeld auf der CD-Release Party zum neuen Album ein paar Titel live gespielt. Ausschnitte davon sind übrigens auch in Form von zwei kleinen Live-Videos auf YouTube zu sehen. Wir würden gerne mehr daraus machen und vielleicht mal auf einem passenden Festival spielen. Momentan gibt es da aber noch keine konkreten Pläne oder Angebote, aber das wird sicher weiter reifen.

Was ist mit dem Projekt Art Of Infinity, das du zusammen mit Thorsten Rentsch hattest? Ist das zunächst auf Eis gelegt (das letzte Album kam ja 2014 heraus) oder planst du da nochmal eine Zusammenarbeit mit Thorsten Rentsch?

Es hat sich nichts geändert daran, dass wir mit Art Of Infinity noch nicht wieder aktiv geworden sind, uns aber auch nicht aufgelöst haben. Derzeit gibt es keine konkreten Pläne, Thorsten Rentsch und ich wollen es aber auch nicht ausschließen, dass es eines Tages etwas Neues von Art Of Infinity geben wird. Die Zukunft wird es uns weisen.

Ganz herzlichen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen.

Ich danke dir.

Stephan Schelle

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