Interview mit Thorsten Quaeschning
am 19.07.2008 beim Night Of The Progs III geführt

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Während des Night Of The Progs III-Festivals hatte ich Gelegenheit am 19.07.2008 mit Thorsten Quaeschning, der seit einigen Jahren zum Lineup der Elektroniklegende Tangerine Dream gehört, zu sprechen. Nicht nur TD, sondern vor allem seine Soloprojekte, die er u. a. unter der Bezeichnung PicturePalace music macht, waren Gegenstand des Interviews.

Stephan: Neben Keyboard spielst du bei Tangerine Dream auch Perkussion/Schlagzeug. Auf deinem aktuellen PicturePalace music-Album bedienst du auch die E-Gitarre. Wie viel Instrumente beherrscht du?

Thorsten: Ich spiele bei Tangerine Dream auch noch Flöte und Gitarre sowie Steel Drums und sorge auch für Backingvocals (auf der CD „Madcaps Flaming Duty“).

Stephan: Live singst du aber nicht?

Thorsten: Live spiele ich bei Tangerine Dream Keyboard und Schlagzeug und bei meinen Auftritten mit PicturePalace music auch noch Flöte und Schlagzeug.

Stephan: Und welche Instrumente spielst du bei deinen Soloproduktionen?

Thorsten: Da spiele ich eigentlich alles. Saiteninstrumente, Tasteninstrumente, Schlagzeug und auch Flöten.


Stephan:
Hast du die Instrumente gelernt oder bist du Autodidakt?

Thorsten: Einige Instrumente habe ich studiert. Nur die Gitarre habe ich mir aus Büchern beigebracht.

Stephan: Was mich und wahrscheinlich viele andere auch interessiert, ist natürlich, wie man Bandmitglied bei Tangerine Dream wird.

Thorsten: Die suchten einen Techniker und Keyboarder, der auch gewisse Anforderungen, was die Kenntnisse von verschiedenen Programmen beinhaltete, erfüllen musste. Dann war ich beim Vorspielen …

Stephan: Und schon ist man drin.

Thorsten: Eine absurde Antwort wäre durchaus: Übt euer Leben lang Klavier und interessiert Euch für das Ungewöhnliche(lacht).

Stephan: Worüber haben Tangerine Dream die Suche gestellt, über eine Zeitungsanzeige?

Thorsten: Nein, der Kontakt kam damals über Martin Kaspersak, der die Auslandskorrespondenz von eastgate bzw. damals noch TDI gemacht hat, zustande. Der macht auch selber Musik, allerdings in der Gothrock und Indipendent-Ecke. Eine Zeit lang habe ich in Berlin recht viele Metal-Alben für andere Leute in Studios eingespielt und daher kannte er mich.

Stephan: Das ist ja was ganz anderes zu deiner sonstigen Musik. Was heißt denn in diesem Zusammenhang eingespielt?

Thorsten: Ich hab halt als Job für andere Bands einige Sachen eingespielt. Das ist aber nicht meine Musik. Metal ist recht einfach einzuspielen, man ist nach einem Tag bereits mit einem Album fertig. Zum Teil weiß ich nicht mal wie die Bands heißen. Da war immer derselbe Tontechniker im Studio und ich kam dann hin und habe einige Chöre- oder Geigenklänge eingespielt.

Stephan: Seit 2005 gehörst du zum Lineup von Tangerine Dream. Auf deiner Internetseite ist zu lesen, dass du bereits seit 1994 Musik machst. Erzähl doch bitte etwas zu deinem musikalischen Werdegang. Du hast ja vorhin schon kurz angedeutet, dass du Musik studiert hast.

Thorsten: Ja, ich habe Komposition und Klavier studiert. Seit 1994 mache ich auch Musik mit Bands. Angefangen habe ich in einer Band mit Christian Hausl, der zum Beispiel auch die „Madcaps Flaming Duty“ eingesungen hat. Mit dem mache ich also seit 14 Jahren mit einigen Unterbrechungen und in verschiedenen Besetzungen Musik. Ich fing als Geiger an und habe mit einem Jugendorchester Musik gemacht. Dann ging es mit Bands in Richtung New Model Army, The Mission und The Cure weiter. Ich hab in der Zeit in Berlin und Umgebung in sehr vielen Bands live und im Studio gespielt. Dann ist Tangerine Dream gekommen und mein Projekt PicturePalace music wurde realisiert.

Stephan: Der Kontakt zwischen Tangerine Dream und dem Sänger Christian Hausl ist also über dich gekommen?

Thorsten: Genau.

Stephan: Was macht Christian sonst? Singt er noch in anderen Bands?

Thorsten: Ja, der singt bei Foreshadowing. Die machen so eine Art Prog-Metal.


Thorsten live mit Tangerine Dream

Stephan: Nach der 2007’er Veröffentlichung der PicturePalace music CD „Sonambulistic Tunes“, bei der neben dir lediglich Susanna Maria Selin und Thorsten Spiller mitwirken, sind auf dem aktuellen Album „Symphony For Vampires“ neun Musiker mit dabei, von denen auch einige bei der Komposition der Stücke mitgewirkt haben. Die Cover zieren allerdings nur dich als Musiker. Wie ist das Projekt PicturePalace music zu verstehen? Ist es dein Soloprojekt mit Gastmusikern oder ist es doch schon eher ein Bandprojekt?

Thorsten: Ich sehe mich eher als musikalischer Leiter. Die größten Teile der Musik werden von mir komponiert - vieles auch von Sascha Beator. Ich bin der Meinung, dass ein Soloalbum nicht wirklich funktioniert. Auf einer Spielzeit von fast 80 Minuten ist es einfach schön, andere Leute mitschreiben zu lassen. Auch bei den Tracks, die von anderen komponiert wurden, spiele ich Gitarre oder Keyboard drüber, je nachdem, um was für einen Musiker es sich handelt. Bei einem Gitarristen spiele ich beispielsweise Keyboard und bei einem Keyboarder Gitarre. Es ist mit anderen Musikern eben interessanter.

Ich bin die Konstante bei PicturePalace music und für den Stil, das Mixing und die Qualitätskontrolle zuständig. Je nach Projekt ist es auch interessant, verschiedene Musiker einzubinden. Ich brauch nicht bei jedem Projekt ein Saxophon oder eine Klarinette. Beim letzten Projekt, der Vertonung von „Nosferatu“, hatten wir eine irische Bouzouki, um diesen folkloristischen, also diesen transsilvanischen Touch rein zu bekommen. Wir haben ein recht großes Team von 15 bis 16 Leuten, aus dem ich die entsprechenden Musiker aussuchen kann.

Stephan: Was heißt Team? Sind das alles Musiker die du kennst?

Thorsten: Musiker, die hier und da auch live zur Verfügung stehen und die man für verschiedene Projekte zusammenstellen kann. Aber wir haben schon einen festen PPm-Kern: Sascha Beator (Synthesizer), Thorsten Spiller (FX,Gitarre) und die beiden Schlagzeuger Kai Hanuschka und Vincent Nowak.

Stephan: Ist das speziell auf den Raum Berlin bezogen?

Thorsten: Nein. Das geht recht weit, bis nach Österreich, USA und England.

Stephan: Beide CDs sind von Stummfilmen („Das Cabinet des Dr. Caligari“ und „Nosferatu – eine Symphony des Grauens“) inspiriert. Welche Faszination üben Stummfilme bzw. Filme generell auf dich aus?

Thorsten: Stummfilme haben einen gewissen Charme. Damit meine ich aber nicht Laurel und Hardy oder Buster Keaton. Ich komme ja eher so aus einem düsteren musikalischen Bereich und in sofern finde ich, dass die stummen Horrorfilme großartig funktionieren. „Dr. Caligari“ war ja an sich der erste Horrorfilm. Der war ja noch wie ein Theaterstück aufgebaut. „Faust“, „Nosferatu“ und “Metropolis“ bestechen ja vor allem durch die Bilder.

Stephan: Wie bist du bzw. seid ihr an die Kompositionen herangegangen? Habt ihr euch die Filme angesehen und die Musik dann komponiert oder ist die Musik direkt zu den Bildern entstanden, quasi Bildsynchron?

Thorsten: Wir komponieren die Musik direkt auf den Stummfilm und führen das auch in verschiedenen Kinos auf. „Caligari“ ist eins zu eins übernommen. Die Musik der CD „Somnambulistic Tunes“ würde, wenn man es darauf anlegt, von vorne bis hinten genau auf den Film passen, da der Film 75 Minuten lang ist. Bei „Symphony For Vampires“ fehlen aufgrund der CD-Kapazität 20 Minuten zur Spielfilmlänge von „Nosferatu“. Die sind aber auf der „Walpurgisnacht“-EP drauf. Bei „Metropolis“ wird die Gesamtlaufzeit 123 Minuten bzw. 145 Minuten betragen, wenn die Teile, die noch gefunden wurden, in den Film eingefügt werden. In Argentinien wurden ja noch 20 Minuten des Films gefunden. Das passt natürlich nicht auf eine CD, da schneiden wir dann einige Stücke raus. Die Stücke, die auf einer CD am sinnvollsten hörbar sind, werden dann veröffentlicht. Wir schneiden die Musik periodisch, was - glaube ich - auch richtig ist. Bei einem Film macht es durchaus Sinn, einen 7/4-Takt einzubauen, der auf einer CD doch eher Fragen aufwirft, warum an dieser Stelle jetzt auf einmal ein Schlag fehlt.

Wir komponieren gerade an „Faust“. Das Werk wird am 19.09.2008 in der Kulturbrauerei Cinestar Berlin uraufgeführt. Es handelt sich dabei um den letzten Film von Friedrich Wilhelm Murnau, bevor er nach Hollywood ging. Der Film zeigt super Bilder. Meines Wissens ist es der erste Film mit bewegten Kameras und Bild in Bild-Effekten, was für einen Stummfilm schon sehr beachtlich ist.

Stephan: Du sagtest vorhin, dass die Musik auf den Film geschnitten ist. Ihr schaut euch den Film dann im Studio an und spielt dazu die Musik, oder wie muss man sich das vorstellen?

Thorsten: Wir sehen uns natürlich den Film mehrmals an und dann gehe ich halt so vor, dass ich erst einmal gewisse Schlüsselszenen, die mich selbst reizen, vertone. Ich komponiere also den Film nicht von links nach rechts durch, sondern suche mir prägnante Szenen, die vom Bild funktionieren und die ich von der Handlung her toll finde. Nach und nach füllt sich dann das Werk. Danach kommen noch einige Überleitungen. Wir spielen das nicht durch und nehmen das dabei auf, dazu ist die Musik zu sehr durchkomponiert. Wir arbeiten vielmehr hier und da mit Themen, aber eher mit Personen bezogenen Sounds, weil in Stummfilmen einfach zu wenig unterschiedliche Personen vorkommen. Das heißt, dass man sonst nur mit vier Melodien würde auskommen müssen. Wir komponieren das halt wie bei einer normalen Filmmusik auf den Film. Aufgeführt wird das dann auch in Dolby Surround live in Kinos, zumal wir auch hier und da Geräusche vertonen. Wenn man beispielsweise bei „Metropolis“ in der zehnten Minuten diesen Springbrunnen sieht, hört man den auch. Das ist für einen ambitionierten Stummfilm-Gänger schon ein ungewohntes Erlebnis, keinen Pianospieler Vorort zu sehen. Die Stummfilmpuristen stehen dem eher kritisch gegenüber, die meisten bleiben dann aber (lacht).

Stephan: Was für Leute kommen denn dann zu den Aufführungen? Sind das eher Leute, die die Filme sehen wollen oder solche, die deine Musik kennen?

Thorsten: Das ist eine seltsame Mischung. Obgleich sich das Publikum auch untereinander seltsam beäugt (lacht). Der übliche Elektronik- bzw. Post-Rock-Hörer und der Stummfilmliebhaber würden sich sonst sicherlich nicht unbedingt im gleichen Club begegnen.

Stephan: Im März 2008 fanden im Stummfilmkino Babylon drei Aufführungen von Stummfilmen statt, die du vertont hast. Waren das drei unterschiedliche Filme?

Thorsten: Ja, das war „Das Cabinet des Dr. Caligari“ dessen Musik wir auf „Somnambulistic Tunes“ herausgebracht haben, dann „Nosferatu“ (ist auf Symphony For Vampires“ herausgekommen) und „Metropolis“. Das ganze fand um Ostern herum innerhalb von drei Nächten statt. Das war im Rahmen eines Stummfilmfestivals mit dem Namen „Die langen Schatten des deutschen Filmexpressionismus“. Im Rahmen dieses einmonatigen Festivals haben wir die letzten drei Abende bestritten. Gerade in diesem Stummfilmkino wird mit Super-Filmprojektoren gearbeitet um die Stummfilme, die variable Geschwindigkeiten haben, abspielen zu können, was in normalen Kinos nicht möglich ist. Während es Stummfilme mit 17 bis 19 Bilder pro Minute gibt, läuft heute ein normaler Film mit 25 Bildern die Minute.

Stephan: Das heißt, das alle, die an der Studioproduktion beteiligt waren, auch bei der Liveaufführung dabei waren?

Thorsten: Wir waren bis zu zehn Musiker auf der Bühne.

Stephan: Bei allen drei Aufführungen?

Thorsten: Nein, bei „Caligari“ waren wir nur zu fünft, „Nosferatu“ hat die größte Besetzung. Meist sind es die, die auch im Studio dabei waren.

Stephan: Am 30.04.2008 gab es dann noch mit PicturePalace music im Ballhaus in Berlin einen Liveauftritt. War das etwas ganz anderes? War das eher ein normales Livekonzert?

Thorsten: Ja, das war ohne Film. Das war im Grunde die Releaseparty zur Veröffentlichung von „Symphony For Vampires“ und gleichzeitig war am 30.04. Walpurgisnacht. Das war halt auch von der Thematik auf die Walpurgisnacht und Goethes Faust ausgelegt. Wir haben also unsere Lieder zu diesem Event zusammengestellt.

Stephan: Wie war das für dich? Ist es auf der einen Seite etwas anderes bei Tangerine Dream als „Mitspieler“ auf der Bühne zu stehen und andererseits als Hauptverantwortlicher ein Konzert zu bestreiten?

Thorsten: Von der Vorbereitung und von dem Herzblut macht es in dem Sinne keinen Unterschied. Ich bereite mich nicht für das ein oder andere weniger oder mehr vor. Veranstalter bin ich selbst nie. Im Ballhaus waren es eben Manikin Records, im anderen Fall war es das Kino an sich, plus die Kulturstiftung. Vom Aufwand nimmt sich das auch kaum etwas, denn Transport ist Transport. Es ist kein großer Unterschied, obwohl ich bei PicturePalace music dran schuld bin, wenn es nicht läuft. Aber auch wenn es gut läuft, geht das dann auf meine Kappe. Das ist etwas, an das man sich durchaus gewöhnen kann und gewöhnen muss.

Stephan: Du hast vorhin schon angedeutet, dass die kompletten Kompositionen länger als eine CD-Laufzeit betragen. Hättest du da nicht eine DoppelCD herausbringen können? Oder anders gefragt, hast du die Liveaufführungen in voller Länge absolviert?

Thorsten: Ja. Wir führen die Filme komplett auf. Zwei bis zweieinhalb Stunden, je nachdem um welchen Film es sich handelt.

Stephan: Das heißt, dass - wie du schon erwähnt hast - mehr als auf den CDs komponiert wurde.

Thorsten: Ja, die restlichen Sachen bringen wir auf EP’s raus. DoppelCD’s sind halt so eine Sache. Meiner Meinung nach ist das mehr so ein 70’er Jahre Ding. Die meisten Leute haben heute ein Problem CDs zu hören, die länger als 40 Minuten laufen. Wenn man so etwas wie The Strokes hört, die denken eine Longplay-CD wäre nach 35 Minuten vorbei. Auch System of a Down bringen zwei CDs, die zusammen gehören und zusammen 80 Minuten Laufzeit haben, heraus - was ich an sich unmoralisch empfinde. Jedoch glaube ich auch, dass Leute mit 160 Minuten durchaus überfordert würden.


Thorsten beim Tangerine Dream Konzert auf der Loreley 2008 (Night Of The Progs III)

Stephan: Na gut, jetzt gibt es in der Elektronikszene schon ganz andere Beispiele.

Thorsten: Wir sehen uns ja nicht so, das wir herkömmliche elektronische Musik machen. Wir haben durchaus Postrock orientierte Ansätze, was ein großer Unterschied zum Rock ist, da wir klassischere Strukturen in unserer Musik haben, als sie in der Elektronikmusik vorkommen. Wir haben keinen Fluss auf 60 Minuten, sondern wir haben verschiedene durchkomponierte Stücke mit teilweise Überleitungen, die aufeinander folgen. 160 Minuten wären daher zu viel.

Stephan: Da möchte ich aber noch mal nachhaken. Wenn du sagst, ihr unterscheidet euch von der Elektronikmusik, finde ich aber, dass beim Hören der CDs doch auch eine Spur Tangerine Dream durchscheint. Da taucht natürlich die Frage auf, wie sehr du bei deinen Soloaktivitäten von deiner Arbeit bei Tangerine Dream beeinflusst wirst, auch wenn du ja schon seit 2003 mit PicturePalace music Musik machst? Nutzt man da automatisch auch Sounds und Songstrukturen, die man bei Tangerine Dream spielt?

Thorsten: Ich arbeite schon seit fünf Jahren mit bzw. für Edgar Froese. Sicherlich beeinflussen einen auch die Entwicklung, Arbeitsprozeduren und Musik die man macht und hört. Gerade Tangerine Dream ist ja sehr Bassbetont. Vorher spielte ich immer nur mit E-Bassisten zusammen, von daher habe ich im Prinzip bei Tangerine Dream gelernt, wie man einen elektronischen Bass programmiert. Und ich denke, da klingt man dann immer ein bisschen nach seinem Lehrer.

Stephan: Du sagst gerade, es hängt davon ab, welche Musik man hört. Welche Musik hörst du denn selber gerne? Etwas aus dem Bereich Elektronik oder eher aus einem anderen Bereich?

Thorsten: Ich höre verschiedene Sachen. Es gibt da Abstufungen, nämlich CDs, die ich bei Leuten höre, CDs die ich höre, wenn ich weg gehe und CDs, die ich zu Hause höre. Zu Hause höre ich nur ca. 10 verschiedene Gruppen. Momentan liebe ich Sigur Ros und die Gruppe Godspeed You! Black Emperor …. Von den älteren Sachen finde ich King Crimson unglaublich gut. Genesis 1972 bis 1977, was durchaus auch zwei Gabriel-Alben noch ausschließt, also es war mehr die Steve Hackett Zeit. Aus der Elektronikszene höre ich eher wenig. Dort höre ich eher recht Flächen deckend, was mich interessiert, was andere machen. Es ist aber nicht so, dass ich eine Gruppe als Lieblingsgruppe nennen würde, höchsten The Prodigy und Nine inch Nails.

Stephan: Das ist eine etwas andere Elektronik.

Thorsten: Genau.

Stephan: Wie erlebst du Musik, wenn du sie hörst? Ich hab mal mit einem anderen Musiker gesprochen, der beim Musikhören weniger auf die Melodien, sondern mehr auf die Sounds und eingesetzten Geräte achtet und wie der Track gemacht ist. Ist das bei dir ähnlich? Kann man diese Gedanken ausschalten?

Thorsten: Die musikalische Qualität würde ich nicht von der Aufnahmequalität abhängig machen. Jedoch kann ich als Musiker - Musik nicht gesamtheitlich hören. Das habe ich von einem Professor im Fach Dirigieren gelernt. Wenn man anfängt sich mit Musik extrem zu beschäftigen, lernt man das irgendwann. - die verschiedenen Momente, die man automatisch analysiert, also die Geschwindigkeit der Abtastung der einzelnen Elemente, ob man ein guter Musiker wird oder nicht. Man kann sich nicht entscheiden, höre ich jetzt wie ein normaler Musikhörer, dann nimmt man die Sachen als gesamtes Musikstück wahr, oder gehe ich als Musiker an die Sache. Als Musiker nimmt man die einzelnen Instrumente, die einzelnen Spuren wahr, man zerlegt das Stück.

Stephan: Ist das nicht störend, wenn man selbst die Musik konsumiert?

Thorsten: Es ist nichts, was ich ändern kann. Man könnte jetzt sagen, früher war es besser, aber ich kann ja auch Musik genießen, wenn ich zum Beispiel Bands höre, deren Sänger ich fürchterlich finde, ich mich aber sehr an der Musik dahinter erfreuen kann. Ich kann da durchaus Sachen ausblenden.

Stephan: Wie viel Zeit bleibt dir neben der Arbeit bei Tangerine Dream für deine Soloprojekte?

Thorsten: (lacht) Tangerine Dream ist durchaus ein Vollzeitjob, das kann ich sagen. Zwischendurch muss man sich Zeit für eigene Sachen nehmen, um auch in andere Richtungen gehen zu können. Alles was in Richtung Industrial geht, also ein bisschen noisiger ist. Es gibt bei Tangerine Dream schon ein recht festes Konzept, wie man dort komponiert. Edgar’s Solo-Sachen klingen ja auch durchaus anders, zum Beispiel wäre die „Ypsilon In Malaysian Pale“ nie ein Tangerine Dream-Album gewesen. Das sind Sachen, die man außerhalb von Tangerine Dream ausleben kann, um sich dann wieder auf die Sachen zu konzentrieren. Auch gerade die Art von Gitarren, die wir bei PicturePalace music benutzen, würde einfach nicht zu Tangerine Dream passen. Die finde ich aber trotzdem toll, daher nehme ich mir die Zeit auch diese Sachen produzieren zu können. Die müssen zum Teil auch einfach raus.

Stephan: Und mit Tangerine Dream zu arbeiten heißt dann ja auch nicht nur in Berlin zu sein. Du hast mir vor ein paar Tagen schon gesagt, dass in Wien geprobt wurde und Tangerine Dream ist ja auch einige Male im Jahr in den USA. Bist du dann immer mit unterwegs, oder wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Thorsten: Ich bin häufig im Studio in Wien. Dort arbeiten wir oft zusammen und auch in Berlin arbeiten wir. Ich fahre in Berlin länger zum Flughafen, als ich dann im Flugzeug von Berlin nach Wien unterwegs bin.

Stephan: Sind die beiden PicturePalace music-Alben deine ersten Soloveröffentlichungen? Du hast zwar vorhin schon davon gesprochen, dass du in Bands gespielt hast, aber sind das deine ersten Soloproduktionen?

Thorsten: Wenn es Solo wäre, stünde mein Name drauf (lacht). 1995 oder 1996 war ich auf dem Tribute-Album „The Dark Side Of David Bowie“ zusammen mit Timothy Moldrey vertreten (mit dem Titel „Moonage Daydream“). Das war Goth oder Avantgarde. Dann habe ich mit Minory, wo auch der Christian Hausel sang und später dann auch Frank Stoppel als Sänger dabei war, einige Alben in Selbstregie veröffentlicht. Wir haben auch bei PicturePalace music verschiedene Sänger, Frank singt den letzten Titel auf dem „Symphony for Vampires“ Album. Es sind quasi vier Leute von Minory zu PicturePalace music rüber gekommen. Mit denen habe ich einige Sachen veröffentlicht. Und dann halt die ganzen Metal-Sachen, deren Namen ich zum Teil nicht kenne.

Stephan: Wie du es schon gesagt hast, war das eine Arbeit, die ich nicht als Soloprojekt bezeichnen würde.

Thorsten: Das ist wohl wahr. Eigene Produktionen waren dann wohl eher Minory und PicturePalace music.

Stephan: Wie sehen deine weiteren Solopläne aus?

Thorsten: Da wir „Metropolis“ schon aufgeführt haben, haben wir noch 125 Minuten fertige Musik, die noch veröffentlicht werden mag. Es wird Ende des Jahres passieren. Als viertes Album werden wir kein Stummfilmalbum rausbringen.

Stephan: Sondern?

Thorsten: Wir sind derzeit noch mit der Konzeption beschäftigt. Wir bereiten uns derzeit auf etwas anderes vor. Als fünftes Album ist dann wiederum „Faust“ geplant.

Stephan: Wie sieht es ansonsten live bei dir aus – außerhalb von Tangerine Dream?

Thorsten: Am 19.09.2008 die Aufführung im Kino. Drumherum wird ein fröhliches „Picture Palace music“-Wochenende stattfinden mit einem reinen Elektroset und einem richtigen Livekonzert am zweiten Tag. Dann ist eventuell mit der Musik zu „Faust“ eine Tour durch verschiedene Kinos in Deutschland geplant.

Stephan: Das ist dann auch für viele andere Interessierte gut zu wissen, denn Berlin ist für viele nicht um die Ecke.

Thorsten: Das Problem ist halt, das wir 15 Leute sind.

Stephan: Wie ist denn bisher so die Resonanz?

Thorsten: Die Kinos sind immer voll, aber in einen Kinosaal, wie in Berlin, passen gut 500 Leute rein. Gehen wir nach Lübeck, dann fasst das Kino nur gut 120 Leute. Wenn wir nicht 60 Euro für ein Ticket nehmen wollen, ist das so eine Sache.

Stephan: Gibt es denn schon Interessenten, also Kinobesitzer, die das schon gesehen haben?

Thorsten: Ja, zum einen ist da die Stiftung und Cinestar ist ja eine Kinokette, ähnlich wie UCI, die durchaus interessiert wären. Da arbeiten wir noch an der Finanzierung und der Umsetzung.

Stephan: Vielen Dank für das sehr angenehme Gespräch. Mir hat es viel Spaß gemacht.

Thorsten: gern , und ich habe zu danken ...

Stephan Schelle, 22.08.2008

   
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