Interview mit Martin Meinschäfer
Per Email im November 2020 geführt

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Der im sauerländischen Arnsberg beheimatete Martin Meinschäfer ist Sänger, Produzent und Sound-Engineer. Nachdem er in den 80’er Jahren Frontmann der deutschen Rockband Hob Goblin war (mit 3 Alben, dem Gewinn der „Goldenen Europa” und endlosen Tourneen durch die Republik) hatte er mit dem Song „Eine Insel mit zwei Bergen“ (eine Coverversion eines Liedes der Augsburger Puppenkiste) seines Dancefloor-Projektes Dolls United 1995 einen Tophit, der es bis auf Platz 2 der deutschen Charts schaffte. 2002 meldet er sich mit dem Album „Das Leben ist kein Tanzlokal“ von Rosen & Gomorrha eindrucksvoll zurück. Es dauerte aber gut 18 Jahre, bis er mit dem Album „Wer hat, der hat!“ ein neues Werk folgen ließ. Dieses Mal unter seinem eigenen Namen.

Martin, vor 18 Jahren hast du dein letztes Album „Das Leben ist kein Tanzlokal“ mit dem Projekt Rosen & Gomorrha veröffentlicht. Du hast damals hervorragende Kritiken der Presse bekommen. Allerdings wurden die tollen Songs von den Radiosendern nahezu ignoriert. Hat dich das frustriert und zu dem langen Zeitraum zwischen dem damaligen Album und deinem neusten Output „Wer hat, der hat!“ geführt?

Frustriert eigentlich nicht, weil man ja schon bei der Entstehung des Albums wusste, dass sich die Musiklandschaft verändert hat und man mit so einem Album keinen kommerziellen Blumentopf gewinnen kann. Wir hatten trotzdem, für uns ziemlich überraschend, einiges an Airplay. Z.B. hat der Hessische Rundfunk „Dankeschön“ als Schlusssong für eine Sendung auserkoren und so lief der Song fast täglich auf HR3. Aber es war schon klar, dass handgespielte und zudem teilweise recht angejazzte deutschsprachige Musik nicht auf heavy rotation laufen wird. Nein - es war als Projekt geplant und wir haben dann ca. 3 Jahre als „Rosen&Gomorrha“ gespielt. Und dann habe ich mich wieder der Arbeit als Produzent für andere Künstler zugewandt. Alles hat seine Zeit. Dass die Pause bis zu einem neuen Album aber so lang wurde, hat einfach damit zu tun, dass ich nicht die Zeit und Muße gefunden habe, an eigenen Titeln zu arbeiten. Jetzt wurde es aber Zeit, weil sich einige Songs angesammelt hatten.

Um das Jahr 2007 bist du auch mit der Coverband Peace live aufgetreten, mit der du unter anderem Songs von Lenny Kravitz, Tom Petty, Cream oder Free gecovert hast. War das für dich die Möglichkeit aus dem Studioprozess auszubrechen und wieder mal Liveatmosphäre zu schnuppern? Und was ist daraus geworden, coverst du heute noch aus Spaß Stücke bekannter Rockgrößen?

Oh, Peace! Ja das war eigentlich nur eine „Feierabendband“. Ich hatte bis dahin in meinem ganzen Musikerleben immer nur eigene Songs gespielt und das war mal eine neue Erfahrung und hat ziemlich Spaß gemacht. Die Idee kam eigentlich von Udo Pipper (Journalist bei „Gitarre&Bass“) mit dem ich schon 1976 in meiner damaligen Band Hob Goblin zusammen gespielt hatte. Wir haben eigentlich nur eine Hand voll Auftritte gemacht und haben das eher so als „alternativen Kegelabend“ betrachtet. Wir haben auch Songs gecovert, die wohl selten gespielt werden und hatten einen Heidenspaß. Leider hat sich Udo dann bei einem Gig einen ziemlich heftigen Tinnitus eingefangen und wir haben die Sache beerdigt.

Musikalisch ist dein neues Soloalbum „Wer hat, der hat!“ auf gleich hohem Niveau wie „Das Leben ist kein Tanzlokal“. Erhoffst du dir hierfür eine bessere Medienpräsenz?

Na ja... eigentlich habe ich das Album nur gemacht, weil ich mal wieder Lust hatte, etwas eigenes Musikalisches von mir zu geben. Man bleibt ja doch, trotz aller Produzentenarbeit für andere Musiker immer selbst noch „Künstler“. Außerdem wollte ich wissen, ob ich das nach einer so langen Pause überhaupt noch kann: Songs schreiben, aufnehmen, singen... Das hat schon eine Weile gedauert, bis sich das wieder gut angefühlt hat. Ich war ja echt lange raus. Ich habe da auch nicht links oder rechts geschaut, oder mir Gedanken über Vermarktbarkeit oder Ähnliches gemacht. Umso mehr erstaunt es mich, dass die Kritiken sämtlich positiv ausfallen und ich ein überwältigendes Feedback für das Album bekomme. Das Album hatte ich ja bei meinem eigenen Label veröffentlicht und auch den Vertrieb habe ich praktisch ganz alleine nur über meine Website gemacht. Jetzt ist es aber so, dass ich bei Timezone-Records, die das Album klasse fanden, einen richtigen Vertrag unterschrieben habe. Das Album wird dort am 27.November neu veröffentlicht und auch auf allen digitalen Kanälen zu haben sein. Am 20.November gibt es vorab einen neuen Song („Bis der Arzt kommt“) als Single-VÖ und es wird dafür auch eine richtige Radio-Promo geben. Dieser neue Song ist dann auch auf der neuen VÖ-CD mit drauf. Für alle, die das Album bei mir bereits gekauft haben, biete ich den Song als kostenfreien Download an. Ob da radiomäßig irgendwas passiert steht aber in den Sternen. Ich bin, wenn ich mir die momentane Radiolandschaft anschaue auch etwas skeptisch...

Hattest du den neuen Song „Bis der Arzt kommt“ noch in petto oder hast du ihn speziell für die neue Veröffentlichung des Albums eingespielt?

Das ist ein komplett neuer Song und erst im letzten Monat unter Einfluss der aktuellen Corona-Lage entstanden. Das war nicht geplant, aber es ergibt natürlich Sinn, den Song noch auf das Album zu nehmen.

Du hast mit „Wer hat, der hat!“ ein sehr abwechslungsreiches Album eingespielt. Zeigt dies die ganze Bandbreite deiner musikalischen Interessen? Wie sehr haben die Produktionen anderer Musiker darauf abgefärbt?

Man saugt ja in seiner musikalischen Laufbahn viele Dinge wie ein Schwamm auf. Das macht man nicht bewusst, aber wenn man dann selber komponiert, hat man in seinem Werkzeugkasten einfach ein paar Schraubenzieher mehr und nutzt die dann auch. Wenn man eins in einem langen Musikerleben lernt, ist das: Es gibt keine „gute“ oder „schlechte“ Musikrichtung. Wenn der Song die Seele des Hörers trifft, ist doch eigentlich jedes Mittel recht. Aber es muss dann auch treffen!

Haben sich die 16 Stücke – die CD ist ja bis zum Rand zeitlich ausgereizt – in den 20 Jahren angesammelt, oder sind sie erst vor Kurzem entstanden?

Die meisten Songs vom Album sind in diesem Jahr entstanden. Es gab noch 3-4 alte Songs, die meiner Meinung nach noch aktuell waren und die ich dann in einer neuen Bearbeitung noch einmal aufgenommen habe. Ich habe mir aber in den letzten Jahren immer mal wieder ein paar Notizen gemacht, wenn sich eine Idee anmeldete. So konnte ich mich dann sehr gut aus dem „Ideen-Fundus“ bedienen. Ein paar Songs (z.B. „Wo kämen wir hin“) sind aber ganz spontan beim Arbeiten des Albums entstanden und dann auch gleich umgesetzt worden.

Bei „Wer hat, der hat!“ habe ich mir beim Komponieren und Texten eigentlich keine Limits oder Schienen auf denen man fährt gesetzt. Das lief alles intuitiv und fühlte sich alles als „nah bei mir“ an. Der rote Faden des Albums sind da eher die Texte, die schon sehr deutlich zeigen „wes Geistes Kind“ ich bin.

Du zeigst auf dem neuen Album Kante und nimmst kein Blatt vor den Mund. In „Börsenmelodie“ singst du über die Raffgier der Menschen. Auf der anderen Seite prangerst du auch die „Geiz ist geil“-Mentalität an, bei der immer noch viele Menschen glauben, Musik sei für umsonst zu bekommen. Wenn man sich die Charts der letzten Jahre anschaut, ist dort wirklich nicht viel Qualität zu finden. Wie hat sich deiner Meinung nach in den letzten 20 die Musikindustrie und das Konsumentenverhalten verändert?

Eigentlich hat sich die Sache schon Ende der Neunziger mit der Einführung der CD-Rohlinge angekündigt. Der Kopierschutz von CDs hat nie wirklich funktioniert und jeder konnte sich die Songs in 1:1 Qualität kopieren. Das war, einmal abgesehen von der Kassette, die ja eine schlechtere Qualität hatte als das Original, der Startschuss zur „Musik? Lade-ich-mir-runter“-Mentalität. Niemand hat auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass Musiker davon leben Produkte in Musikform zu verkaufen. Die Einbrüche finanzieller Art waren exorbitant. Die heutige „Für Neuneuroneunzig im Monat höre ich die ganze Welt der Musik“-Mentalität setzt dem Ganzen noch die Krone auf, wenn man bedenkt, dass da beim Musiker für das Streamen eines Songs eigentlich nichts mehr hängen bleibt. Durch diese Entwicklungen hat sich aber auch die „Wertigkeit“ von Musik in den Köpfen der Konsumenten verändert. Musik ist leider Ramschware geworden und kann die Komponisten und Texter nicht mehr ernähren.

In „Vor die Wand gefahren“ nimmst du dich der radikalen und vorurteilsdurchtränkten Gedankengänger an. Die Musik steht allerdings im Kontrast zur Thematik, da sie sehr fröhlich wirkt und in einer Mischung aus Reggae und Ska angelegt ist. Hast du bewusst dieses ernste Thema mit fröhlichen Melodien gepaart? Kann man dies so besser transportieren?

Ich bin der Meinung, dass manchmal gerade der Kontrast von Text und Musik die Aussage noch verstärkt. In diesem Fall (bei „Vor die Wand gefahren“) liegt die Ironie des Ganzen auch zwischen Musik und Text. Nach dem Motto: „Wir tanzen uns doof“. Das kann man bei einer Ballade mit einem traurigen Text wahrscheinlich nicht machen, aber bei dieser Nummer liegt die „Groteske“ ja in der heutigen politischen Landschaft und den Schreihälsen in den digitalen Medien. Das wollte ich durch die Musik unterstreichen.

Da bist du auch nicht der Einzige, denn ich nehme im Moment einige bekannte Musiker wahr, die sich aktuell mit den ernsten Themen dieser Welt beschäftigen und dies in Songs packen – manchmal wie bei dir mit eingängigen Melodien und Rhythmen -, wie zum Beispiel auf dem neuen Album von Wolf Maahn „Break Out Of Babylon“. Vielleicht rüttelt das ja doch einige Musikfreunde wach.

Das wäre zu hoffen. Ich bin allerdings skeptisch, dass Lieder allein an der Weltlage etwas ändern können. Aber - sie können das Bewusstsein schärfen und das müssen sie auch!

Das Lied „Wo kämen wir hin“ beruht auf Texten des Schweizer evangelisch-reformierten Pfarrers und Schriftstellers Kurt Marti (1921 – 2017) sowie des deutschen Philosophen, Soziologen, Musikphilosophen und Komponisten Theodor W. Adorno (1903 – 1969). Was hat es mit dem Text auf sich? Wie bist du auf die Beiden gekommen?

Die beiden (und ihre Texte) sind mir irgendwann im Leben begegnet und ich weiß nicht mehr wann und wo. Aber als ich den Song geschrieben habe, war mir das Zitat von Kurt Marti „Wo kämen wir hin...“ sofort präsent und ich musste ihn zitieren. Weil - das konnte man nicht besser neu erfinden. Bei dem Adorno Zitat „Wenn das was ist...“ wusste ich erst gar nicht, dass es von ihm ist. Ich dachte, das wäre so in die Umgangssprache übergegangen. Habe dann aber noch einmal recherchiert und festgestellt, dass es von Adorno ist und ihn dann auch im Booklet genannt.

Wie schreibst du deine Songs? Hast du zuerst den Text oder startest du mit einer Melodie?

Das ist komischerweise ganz unterschiedlich: Manchmal habe ich ein Riff oder eine Melodie und singe lautmalerisch darauf rum. Und - irgendwann verfestigen sich Worte und Zeilen. Dann gibt es aber auch Songs, wo der Text zuerst da war und ich die Musik, den Worten anpasse. Das ist immer unterschiedlich.

Auf dem Album spielst du mehrere Instrumente und singst auch die Leadstimme. Es wirken aber auch zahlreiche Musiker mit, die du bereits in deinem Studio produziert hast wie z. B. Henrik Freischlader, Trompeter Joo Kraus oder Lothar Krell. Wie war die Resonanz als du sie gefragt hast, ob sie an deinem Soloalbum mitwirken wollen?

Zuerst war natürlich das Erstaunen groß, dass ich mich mal wieder an ein neues Album wage. Aber ich habe zu allen beteiligten Musikern eine teils Jahrzehnte dauernde Freundschaft und bin dafür sehr dankbar! Und da ich ja nicht alle zwei Wochen mit einer Bitte komme (immerhin waren es diesmal fast 20 Jahre.) haben das alle Beteiligten gerne gemacht. Und dafür bin ich unendlich dankbar, denn das bringt das Salz in die Suppe.

Ein langjähriger musikalischer Wegbegleiter, der ebenfalls auf deinem Album mitwirkt, ist Toett, den einige sicherlich als Keyboarder der Band Phillip Boa And The Voodooclub kennen werden. Verbindet dich mit Toett eine Freundschaft und kreative Verbundenheit?

Zu Toett habe ich leider seit ein paar Jahren keinen Kontakt mehr. Die Spuren von ihm, die auf dem Album gelandet sind, sind schon ein paar Jahre alt, aber ich wollte ihn auf jeden Fall als Musiker erwähnen, weil ich ja ein paar Jahre meines musikalischen Lebens intensiv mit ihm geteilt habe.

Dein Sohn Moritz, der seit einiger Zeit zum Tour-LineUp von Henrik Freischlader gehört, hat bei der Produktion hinter den Schlagfellen gesessen. Wie gut klappt die Arbeit mit einem Familienmitglied und wie stolz bist du darauf, dass er bei deiner Produktion dabei ist?

Das war natürlich ein ganz besonders intensives Erlebnis! Moritz hat sich sehr viel Mühe gegeben, sich in meine Gefühls- und Textwelt zu begeben und hat einen überragenden Job als Drummer für das Album gemacht, so finde ich. Da sind mir bei den Aufnahmen einige Tränchen die Backen runtergelaufen, das kannst Du mir glauben. Mann, war ich stolz!

Konnten sich dein Sohn und die anderen Musiker bei den Stücken kreativ mit einbringen oder hattest du schon alles soweit fertig, dass sie quasi nur noch deine Ideen umgesetzt haben?

Moritz war in der letzten Phase des Albums auch aus einem anderen Grund sehr wichtig: Ich hatte beim Mischen des Albums ziemliche Probleme bei der Beurteilung der Stimme. Man trägt ja, gerade bei deutschen Texten, seine Seele ziemlich offen vor sich her. Man betrachtet sich selbst beim Mischen eines Albums, das man selber eingesungen hat natürlich ständig in Großaufnahme und kann dann z.B. auch nicht mehr objektiv beurteilen, ob die Stimme laut genug im Mix sitzt. Da war Moritz als Ratgeber gefragt und hat am Ende entschieden, wie die Stimme eingebettet wird.

 

Du hast damals mit Rosen & Gomorrah ein tolles Livekonzept verfolgt, das aus der Not geboren war. Da der Großteil der Musiker nicht mit auf Tour gehen konnte, hast du die Mannschaft beim Spielen filmen lassen. Du bist dann nur mit Keyboarder Toett live – vorwiegend in Kinos – aufgetreten und hast dazu den Film mit deinen weiteren Mitmusikern, die u.a. für Xavier Naidoo unterwegs waren, zu eurem Liveeinsatz bzw. Teilplayback auf der Leinwand gezeigt. Der Clou war dabei, dass ihr auch mit den Filmkollegen live interagiert habt (z. B. wurde einem Musiker Feuer für eine Zigarette gereicht). Ist geplant deine neuen Songs live aufzuführen und wenn ja, wie würde das aussehen?

Ja, das war damals ein sehr aufwändiges Konzept, was aber super funktioniert hat. Man muss sich das mal vorstellen: Wir haben zu jedem Song ein eigenes Video gedreht, geschnitten, bearbeitet etc. Und das zu Zeiten, wo die damaligen Rechner noch 2 Stunden für eine Überblendung gebraucht haben. Dann mussten wir riesige Datenmengen verwalten und haben das Ganze dann mit Menüsteuerung auf eine DVD gebannt, die beim Abspielen auch schon mal hängen blieb... Andere Zeiten. Das Problem war außerdem, dass man in einem Info nie so wirklich beschreiben konnte, was wir da eigentlich tun. Es gab ja auch noch kein youtube. Wir haben bestimmt 5 verschiedene Infos geschrieben, um den Leuten da draußen zu beschreiben, was genau wir da machen. Das war aber leider alles zu kompliziert und so blieben in Gegenden, wo wir nicht bekannt waren, die Säle leer. Wir haben ca. 4 Jahre lang versucht, das Konzept durchzubringen, sind aber damals leider am Marketing für unser Projekt gescheitert. Es war trotzdem eine aufregende und sehr kreative Phase, die ich nicht missen möchte.

Wie blickst du in die Zukunft? Was wird dich in der nächsten Zeit beschäftigen? Besteht vielleicht die Chance von dir ein Folgealbum zu bekommen, ohne wieder 20 Jahre warten zu müssen?

Also wenn ich jetzt wieder 20 Jahre warte, käme ich wahrscheinlich nicht mehr die Treppen zur Bühne hoch... Wir schauen mal. Im Moment proben wir mit einer kleinen Band an der Live-Umsetzung. Wir wollen das aber entspannt angehen und erst mal schauen, ob überhaupt Bedarf da ist. Das Album wird ja am 27.11. bei Timezone-Records erscheinen und auch in allen anderen digitalen Portalen verfügbar sein. Wir schauen uns gemütlich mal an, was sich tut und wären dann mit der Band auch spielbereit, wenn sich was tut. Was wir nicht machen werden ist das Konzept der 80er zu wiederholen. Da sind wir durch den deutschsprachigen Raum getingelt und haben an jeder Steckdose gespielt, die sich nicht gewehrt hat, nur um uns eine Fanbase zu erspielen. Das ist ein sehr schwerer und steiniger Weg, den ich dieses Mal gerne auslassen würde. Vielleicht machen wir eine kleine Tour, oder spielen, wenn die Bedingungen stimmen ein paar Konzerte, mal sehen... Und mit einem neuen Album verhält sich das ähnlich. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand drauf wartet (und dieser jemand darf ruhig in der Mehrzahl sein..) dann mache ich nochmal ein Album. Manchmal ist es ja auch so, dass sich so viele Songs ansammeln, die unbedingt gespielt werden wollen. Da hat man da auch keine Argumente mehr.

Noch eine abschließende Frage zur aktuellen Corona-Lage. Wie sehr hat dich diese Krise produktionstechnisch und auch wirtschaftlich getroffen?

Die Umsätze tendieren gegen Null. Wir Künstler sind die Ersten, die weggeschlossen wurden und wir werden die Letzten sein, die wieder arbeiten dürfen. Im Studio halte ich mich mit Mix und Mastering-Jobs über Wasser. Nur - wenn kein Musiker mehr Geld verdient, kann er auch ein Tonstudio nicht mehr bezahlen. Es wird noch ein ganz hartes Jahr 2021. Das Schlimmste aber ist, wie mit der Kunst/Kultur in diesem Land umgegangen wird. So, als wären wir ein verzichtbarer Teil der Gesellschaft. Im Moment sehe ich um mich herum Musiker, Veranstalter, Tonstudios, Live-Techniker, Eventleute und alle die sonst noch in dieser Branche arbeiten echt wegsterben. Ich glaube, nach der Pandemie wird es einen großen Teil der Kulturszene nicht mehr geben. Warum bekommen Arbeiter bei VW (zu Recht) Kurzarbeiter-Geld und Musiker sollen Hartz 4 beantragen? Da findet eine Gewichtung statt, die unserer Branche und unserem Land auf Dauer nicht gut tun wird.

Stephan Schelle

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