Interview mit Lutz Meinert
Per Email im Februar 2021 geführt

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Der in Berlin lebende Multiinstrumentalist Lutz Meinert hatte schon mit dem Debütalbum seiner Band Margin im Jahr 2014 aufhorchen lassen. Seit 2017 hat er sich einem neuen Projekt gewidmet, das aufgrund seiner Komplexität mehr als drei Jahre seine volle Aufmerksamkeit bedurfte. Das Musikprojekt nennt sich Reflection Club und hat mit „Still Thick As A Brick“ im März 2021 eine Fortsetzung des Jethro Tull-Klassikers „Thick As A Brick“ veröffentlicht. Das nachfolgende Interview wurde im Februar 2021 geführt.

Lutz, erzähl doch zunächst etwas über deine musikalische Entwicklung.

Seit 1979 bis Mitte der 80ger Jahre habe ich als Keyboarder, Sänger und teilweise auch als Schlagzeuger in mehreren Berliner Amateurbands gespielt: Mit Cambert und Bizarr weitestgehend Rockmusik, wenn auch schon mit progressiven Elementen. Die waren bei Keex schon weitaus ausgeprägter und mit Imago hatte ich schließlich meine erste reine Progressive-Rock-Band gegründet, Zwischendurch hatte ich noch die Jazz-Rock-Band Solaris zusammengestellt, in der ich nur Schlagzeug spielte. Während diese Bands sich aus unterschiedlichen Gründen rasch wieder auflösten, blieben Imago ca. 5 Jahre bestehen. Doch allen gemein ist, dass sie nur gelegentlich auftraten und keine Platte veröffentlicht haben.

Die 80er waren auch keine gute Zeit für Prog und Jazz-Rock in Deutschland, denn damals waren die Neue Deutsche Welle und Synthi-Pop in und die maßgeblichen Labels hatten kaum Interesse an anderen Stilrichtungen. Auch die Clubs in Berlin fieberten zu dieser Zeit nicht gerade nach Prog-Musik, auch hier war eher Punk, NDW und bald Disco und Tekkno angesagt.

So beschränkten sich ab Mitte der 80er meine musikalischen Aktivitäten auf reines Homerecording. Nach und nach baute ich mir ein kleines aber brauchbares Studio auf und arbeitete an eigenen Stücken. Irgendwann stieß der Gitarrist Georgios Zikidis dazu und die Zusammenarbeit war so angenehm und ergiebig, dass genügend Stücke für eine CD entstanden. Wir beide nannten uns For Your Pleasure gründeten das Indi-Label Madvedge Records und veröffentlichten darauf unser Debütalbum „Scattered Pages“. Allerdings waren die Titel relativ spontan entstanden und ohne konzeptionelle Vorgabe und ergaben einen ziemlich bunten Stilmix aus Rock, Pop, Folk- und Progressive Rock.

Das zweite Album „timeless“ wurde dagegen eher ein reines Prog-Album und das Duo war zu einer kompletten Band geworden. Aber auch hier gab es dieselben Probleme wie bei anderen Amateurbands: Es gab meistens einen Kern von beständigen Musikern und anderen, die häufig wechselten. Man war nur am Proben, um neue Leute anzulernen, die dann irgendwann wieder gingen und kam kaum dazu, live zu spielen. Abgesehen davon war Prog im Tekkno-Berlin noch immer kein gern gesehener Gast in Clubs. Auch der Verkauf unserer CDs war bescheiden, weil wir keinen richtigen Vertrieb hatten. Georgios hatte mittlerweile die Band und das Label aus Zeitgründen verlassen und irgendwann in 2001 entschied man sich für eine Auszeit, was dazu führte, dass sich die Band nicht wieder traf, obwohl es nie eine formelle Auflösung gab. Allerdings arbeitete ich mit zwei For-Your-Pleasure-Musikern bei späteren Projekten wieder zusammen.

Nach einer langen Auszeit, in der ich gelegentlich in meinem Studio Songs aufnahm, hatte ich Lust, an einem Psychedelic-Prog-Album zu arbeiten, dass ich 2014 unter dem Projektnamen Margin veröffentlichte. Mit dabei waren Arne Spekat von For Your Pleasue an der Akustikgitarre und meine Frau Carola Meinert mit dem Background-Gesang. Den Lead-Gesang und die übrigen Instrumente spielte ich selber.

Eigentlich wollte ich irgendwann an dem nächsten Margin-Album arbeiten, aber da kam mir dann die Idee zu „Still Thick as a Brick“ dazwischen. Übrigens ist hierbei mit Nils Conrad an der E-Gitarre ein anderer „alter“ For-Your-Pleasure-Mitstreiter wieder dabei.

Mit dem Debütalbum „Psychedelic Teatime“ deines Projektes Margin hast du 2014 ein tolles psychedelisches Werk im Stile von Pink Floyd veröffentlicht. War das für dich nur ein einmaliges Projekt oder kann man in Zukunft ein weiteres Margin-Album erwarten?

Ich habe wirklich vor, noch weitere Margin-Alben zu machen. Allerdings ist das ein Zeitproblem. Mal sehen, was als nächstes kommt, ein Margin oder ein Reflection Club-Album.

Was bedeutet der Projektname Reflection Club? Das Wort Reflection kann mehrfach ausgelegt werden wie Rückschau, Besinnung, Spiegelbild etc. Ist der Projektname ein Hinweis darauf, dass ihr eine Rückschau auf bekannte Rockklassiker werfen und diese weiterzuführen wollt?

Als ich mir den Namen „Reflection Club“ überlegte, gingen mir tatsächlich diese Bedeutungen durch den Kopf. Der Projektname passt perfekt zum Charakter von „Still Thick as a Brick“, dass ja in der Tat gleichermaßen Rückschau, aber auch eigene Fortführung des nahezu gleichnamigen Jethro Tull-Klassikers ist. Dass bei unseren zukünftigen Alben stets Klassiker Pate stehen, hatte ich mir bei der Namensfindung nicht überlegt. Einerseits ist das eine reizvolle Idee und kann eine schöne Quelle der Inspiration sein, wie bei unserem Debüt. Anderseits kann es auch einschränkend sein, wenn man ein musikalisches oder textliches Konzept im Kopf hat, dass sich nicht direkt einem Album zuordnen lässt. Mal sehen, für was wir uns beim nächsten Album entscheiden.

Wie kommt man auf die Idee einen solchen Klassiker wie Jethro Tull’s „Thick As A Brick“ in einer neuen, eigenen Form, quasi einer Fortsetzung einzuspielen?

Um das gut zu beantworten, muss ich eine kleine Zeitreise ins Jahr 1972 machen. Da war ich 13 und Musik spielte noch keine bedeutende Rolle in meinem Leben. Sie war eher ein netter Background bei langweiligen Schularbeiten oder dem Aufräumen des Zimmers. Dafür hatte ich mir einige Songs aus Hitparadensendungen aus dem Radio auf eine Musikkassette aufgenommen. Darunter waren Hits von T. Rex, Alice Cooper, Tony Christie, Don Mclean, Deep Purple, Cher, Led Zeppelin, Slade, Middle of the Road und Cat Stevens, halt was zu dieser Zeit alles angesagt war. Und irgendwann landete ein Song namens „Thick as a Brick" auf der Kassette, die Single-Auskopplung aus dem gleichnamigen Album von der mir bis dahin völlig unbekannten Band Jethro Tull. Zuerst war es nur ein Song unter den anderen, aber je länger ich die Kassette hörte, umso stärker stach er aus den anderen heraus. Und irgendwann gefiel er mir so gut, dass ich den folgenschweren Entschluss fasste, meine erste LP, das Album „Thick as a Brick“, zu kaufen. Ich brauchte einige Zeit, um mich in diese recht komplexe Musik darauf einzuhören, doch als mir das gelang, gab es für meine Musikbegeisterung kein Halten mehr. Ich kaufte mir rasch alle älteren Jethro Tull Platten, verschlang Musikmagazine und entdeckte rasch weitere interessante Bands. Musik wurde innerhalb weniger Monate zu meinem Lebensmittelpunkt und blieb es mehr oder weniger bis heute. So war „Thick as a Brick" die Initialzündung, die Entdeckung der wunderbaren Welt des Progressive-, Hard-, Jazz-, Psychedelic-, Folk- und Blues-Rock. Und letztendlich war „Thick as a Brick" auch dafür verantwortlich, später selbst Musik zu machen.


Von links: Paul Forrest, Ulla Harmuth, Nils Conrad und Lutz Meinert

Jetzt wird vielleicht verständlich, warum ich unglaublich neugierig war, als 2012 Ian Anderson, Mastermind der inzwischen aufgelösten Jethro Tull, nun unter eigenem Namen „Thick as a Brick 2" veröffentlichte. Natürlich kaufte ich mir sofort das Album. Doch statt eines Prog-Albums mit einem langen komplexen Stück überraschte mich Ian Anderson darauf mit einzelnen, eher konventionellen Songs.

Vor Thick as a Brick 2" hätte ich niemals daran gedacht, eine eigene Fortsetzung von „Thick as a Brick" zu schreiben. Doch nachdem mir „Thick as a Brick 2" eine ganze Zeit durch den Kopf gegangen war, kam ich plötzlich auf die irrwitzige Idee, mich an einer eignen alternativen Fortsetzung von „Thick as a Brick" zu versuchen. Und sofort schossen mir nur so die Ideen durch den Kopf. Ich konnte sie aber nur kurz skizzenhaft im Studio festhalten, weil ich zu jener Zeit gerade am Album „Psychedelic Teatime“ arbeitete. Aber damit war der Grundstein für „Still Thick as a Brick" gelegt.

Du hast ein fiktives Magazin erstellt, in dem auch die Stadt Rellington erfunden ist und die in den abgedruckten Anzeigen aufgeführten URLs nicht existieren. Dazu hast du ein Magazin auf 16 Hochglanzseiten mit eigenen Artikeln erstellt, die sich danach noch einmal in größerer Schrift auf 72 Seiten auf normalem Papier finden. Das ist ein großer Aufwand. Warum hast du es nicht bei den 16 Seiten belassen? Hast du da auch an die älteren Semester gedacht?

Ich wollte im Mediabook den gleichen Lesegenuss des Magazins bieten, wie bei dem Original des Rellington Stones, das der LP im Zeitungsformat beiliegt. Darum gibt es im Mediabook das Magazin mit der gleichen zeitungstypischen Schriftgröße im Handbuchformat auf entsprechend mehr Seiten aufgeteilt. Die ersten 16 Seiten sollen nur einen Eindruck geben, wie das Originalmagazin aussieht. Die Schrift darauf ist so klein, dass es selbst mit guten Augen recht anstrengend ist, den Text zu lesen.

Wie oft habe ich mich schon über CD-Booklets geärgert, bei denen die winzige Schrift kaum lesbar ist, aber der Platz auf der Seite noch mit breiten Schmuckrändern vergeudet wird - von Farbsünden wie dunkelrote Schrift auf schwarzem Untergrund ganz zu schweigen Da würde ich am liebsten eine Voodoo-Puppe für den Designer basteln. Über unser Mediabook soll sich diesbezüglich niemand ärgern.

Hattest du auch überlegt statt des zweifachen Magazines in englisch die zweite Version in deutscher Sprache zu drucken?

Nein, das wäre nun wirklich zu teuer geworden. Außerdem wären dann wohl noch Begehrlichkeiten für weitere Sprachen aufgekommen.

Du hast in dem Magazin fiktive Storys eingebaut. Es gibt aber auch Hinweise zu real existierenden Locations wie zum Beispiel das Berliner Quartier Latin. Hier hast du Konzerthinweise abgedruckt. Sind die real oder auch nur fiktiv?

Das Quartier Latin war mein Lieblingsort für Rock- Jazz- und Folkkonzerte. Ich war dort jahrelang wöchentlicher, zuweilen fast täglicher Stammgast und hatte übrigens auch mit Imago dort gespielt. Es bestand von 1970 – 1989. Seit 1992, als Spielstätte zum Varieté umgebaut, heißt es Wintergarten und hat ein entsprechend anderes Veranstaltungskonzept. Musikkonzerte finden dort leider nicht mehr statt. Ein wenig lebt nun das Quartier Latin mit der Anzeige auf der Titelseite des Rellington Stone weiter. Ich denke, das ist ein würdiger Ehrenplatz.

Wie verhält es sich mit der Theatergruppe das „Notorische Kabinett“ oder der CD-Besprechung von Reachel Heaven?

Das Notorische Kabinett gab es tatsächlich. Ich habe dort auch mitgespielt wie auf den Fotos zu sehen ist und die Stücke waren wirklich ziemlich schwarzhumorig und zuweilen absurd. Der Einfluss von Monty Phyton ließ sich schwer leugnen. Aber auch diese Theatergruppe gibt es seit Ende der 90er nicht mehr.

Rachel Heaven ist dagegen leider rein fiktiv. Schade, denn die Review ihrer Platte hört sich sehr interessant an.

Willst du mit deinen gedruckten Texten auch auf aktuelle Missstände wie zum Beispiel die finanzielle Notlage der Kulturbranche hinweisen?

Durchaus. Stetig steigende Preise für Gewerbemieten, mehr oder weniger kostenloses Streamen von Kulturangeboten oder kostenlose Musik- und Kulturportale im Internet sind seit langem Realität. Diese Entwicklung macht gleichermaßen Zeitschriften, Musikclubs und damit auch Musikern zu schaffen. Nicht wenige Musik-Clubs und -Magazine sind längst verschwunden. Und diese Entwicklung wird nun mit Covid 19 noch einmal verstärkt. Mal schauen, wie es nach der Pandemie weitergeht.

    
Links Mediabook und rechts Vinylausgabe

Du hast das Album inklusive des umfangreichen 88seitigen Booklets im Buchformat in Eigenregie erstellt und das Ganze auch noch vorfinanziert. Das ist doch ein großes Wagnis, vor allem in der heutigen Zeit, wo sich viele Musikfreunde am Liebsten kostenlos die Musik aus dem Netz holen. War es so eine Herzensangelegenheit dieses Album im Stile des 72’er Tull-Meisterwerkes (das Cover der Erstauflage bestand damals aus einer Zeitung mit fiktiven Artikeln) herauszubringen, dass du das Risiko eingegangen bist?

Es ist in der Tat eine Herzensangelegenheit. Allerdings, wenn man schon so verrückt ist, eine Art eigene Fortsetzung von „Thick as a Brick“ zu machen, einem der originellsten Konzeptalben der Rockgeschichte, bei dem nicht nur Text und Musik auf ganz hohem Niveau liegen, sondern auch das gesamte Album-Konzept mit einem höchst aufwändigem Cover, muss man halt in den sauren Apfel beißen und den ganzen Aufwand betreiben, wenn es gut werden soll.

Ist das aufwendige Package nur in einer Erstauflage vorgesehen? Wird es nach dem Verkauf der Erstauflage eine abgespeckte Version geben?

Bei „Still Thick as a Brick“ ergänzen sich die Musik, der Songtext, die Artikel des Rellington Stone und das Album-Video nicht nur ästhetisch, sondern auch inhaltlich gegenseitig. Deshalb sollte bei einer Nachpressung keines der Elemente fehlen, damit nicht das Gesamtkonzept verloren geht. Und sollte sich die Erstauflage gut verkaufen, dürfte dies auch zu finanzieren sein.

Du hast für dein Projekt mit dem deutschen Gitarristen Nils Conrad (Crystal Palace, For Your Pleasure), der amerikanischen Flötistin Ulla Harmuth und dem englischen Sänger, Akustikgitarristen und Flötisten Paul Forrest (Jethro Tull Experience, Dayglo Pirates) zusammengearbeitet. Wie kam der Kontakt zustande?

Dass Nils Conrad die E-Gitarre auf dem Album spielen sollte, stand für mich schon von Anfang an fest. Ich kenne ihn bereits aus gemeinsamen, alten For-Your-Pleasure-Zeiten. Er war schon damals ein unglaublich guter Gitarrist und ist im Laufe der Jahre noch besser geworden. Deshalb wusste ich, dass er einerseits den rockigen Gitarrenstil eines Martin Barre, aber auch sehr virtuose Fusionparts mühelos meistern würde. Und ich sollte recht behalten.

Die Flötenbesetzung war dagegen wesentlich kurioser. Ich war zu Besuch bei einem guten Freund und Musikkenner, der als einer von ganz wenigen Personen von Anfang an über das Projekt Bescheid wusste. Wir saßen am Tisch und überlegten die ganze Zeit, wer gut geeignet wäre, auf dem Album die Querflöte zu spielen. Plötzlich meinte seine Frau, die zufällig im Zimmer war, fast beiläufig: „Ich könnte es ja mal probieren.“ Erst da fiel mir ein, dass ich Ulla schon mal an der Querflöte erlebt hatte. Sie sang im Chor und hatte mal bei einem Auftritt einen Song mit der Querflöte begleitet. Sie spielte damals eine typisch klassische, sauber intonierte Querflöte. Aber das doch sehr eigene virtuose Flötenspiel eines Ian Anderson, dem berühmtesten Querflötenspieler der Rockgeschichte, ist da eine ganz andere Hausnummer. Ehrlich gesagt dachte ich in diesem Moment wirklich nicht, dass Ulla unser Besetzungsproblem an der Flöte lösen könnte. Aber aus Höflichkeit lud ich sie in mein Studio ein und nahm mit ihr die ersten Flötenpassagen zur Probe auf. Und die spielte sie überraschend gut ein, so dass sie nach und nach auch alle weiteren Flötenparts einspielte. Für die sanften Flötenpassagen brauchte sie nur wenige Takes. Bei den rockigen Flötenparts hatte sie dagegen anfangs ziemliche Schwierigkeiten. Denn sie war es gewohnt, eine klassische Querflöte mit einem reinen Ton zu spielen. Dagegen war gerade bei den kraftvollen Parts das geräuschvolle und zum Teil überblasene Spiel erforderlich.

Ulla sollte keineswegs Ian Andersons Stil komplett imitieren, mit all dem in die Flöte prusten, brummen und summen, denn so etwas würde zur sehr nach Plagiat klingen. Aber ihr Spiel sollte in manchen Passagen deutlich rockiger und dreckiger sein. Sie brauchte schon einige Zeit, bis sie die Töne geräuschvoll und unrein in die Flöte stoßen und auch ganz bewusst überblasen konnte. Aber danach klappte auch das erstaunlich gut.

Nachdem auch die Parts von Ulla und Nils aufgenommen waren, bekam das Ganze schon einen ordentlichen Schuss proggiges Jethro-Tull-Feeling, das ja das Album auch versprühen sollte. Jetzt fehlte nur noch der perfekt passende Gesang dazu. 


Von links: Ulla Harmuth, Nils Conrad, Lutz Meinert, Paul Forrest und George Boston

Vor allem Paul’s Gesang und Ulla’s Flötenspiel sorgen neben dem Gitarrenspiel von Nils Conrad für das perfekte Tull-Feeling. War für dich Paul der perfekte Musiker für dein Projekt, zumal er ja auch Mitglied der Jethro Tull-Coverband Jethro Tull Experience ist?

Ich habe schon wirklich viele Bands und Sänger gehört und verfolge stetig die Rockszene, soweit ich das kann. Aber dennoch fiel mir kein einziger Sänger ein, der wirklich zum Charakter des Albums passte. Hätte ich beispielsweise eine Alternative für Peter Gabriel, Jon Anderson, David Coverdale oder Ozzy Osbourne finden müssen, wären mir sofort geeignete Kandidaten eingefallen. Aber die hätten alle nicht zu „Still Thick as a Brick“ gepasst. Erst da fiel mir auf, wie schwierig es ist, jemanden zu finden, der ein Timbre wie Ian Anderson hat. Schließlich suchte ich im Internet nach Jethro-Tull-Cover-Bands. Aber auch das konnte mich anfangs nicht überzeugen. Doch dann stieß ich auf youtube auf ein Video, in dem Jethro Tull mit einem Gastsänger namens Paul Forrest auftraten. Und das hat mich sofort umgehauen, denn darauf spielte Paul nicht nur exzellent Querflöte, sondern sang auch so perfekt, dass man mit geschlossen Augen meinen könnte, tatsächlich den jungen Ian Anderson zu hören, unglaublich!

(https://www.youtube.com/watch?v=dFDUC87pmh4)

Da wusste ich sofort: Das ist der Sänger für „Still Thick as a Brick“! Nachdem ich noch weiter nach ihm auf youtube gesucht hatte, stieß ich auf die Dayglo Pirates - einer englischen Jethro-Tull-Coverband, deren Sänger er war. Die Dayglo Pirates hatten sich inzwischen aufgelöst, aber über deren Website konnte ich deren Bassisten Steve Harrison kontaktieren, der so freundlich war, für mich den Kontakt zu Paul Forrest herzustellen. Als Paul mein Demo hörte, war er sofort dabei. Außerdem spielt er auch hervorragend Akustikgitarre, was ein weiterer Glücksfall für das Album ist. Übrigens gibt es auf Youtube noch interessante. weitere Jethro-Tull-Cover-Songs von Paul, auch mit seiner Cover-Band Jethro Tull Experience.

Es war ja sicherlich nicht einfach das Album einzuspielen, da ja zwei Musiker nicht aus deutschen Landen kommen. Wie und über welchen Zeitraum habt ihr das Album eingespielt?

Das Einspielen der Flötenparts mit Ulla war völlig mühelos, da sie fließend deutsch spricht und in Berlin lebt. Aber auch die anderen Aufnahmen verliefen recht unkompliziert. Ich schickte Paul und Nils das Playback und die Dummy-Spuren über das Internet. Beide nahmen dazu ihre Parts auf und schickten sie mir synchrongenau zurück. Diese konnte ich dann problemlos in die Abmischung einbinden.

Die Aufnahmen waren bereits zwischen 2016 und 2017 größtenteils abgeschlossen. Danach begann die langwierige Arbeit des Abmischens, bei dem ich mich auch erst einmal in die Mehrkanal-Kanal-Materie einarbeiten musste, was auch eine Hard- und Software-Erweiterung meines Studios nach sich zog. Ebenfalls als sehr arbeitsintensiv erwies sich die Erstellung des Rellington-Stone-Magazins und des Album-Videos und am Schluss kam das Mastern und die Einbindung des Presswerkes. Das hat alles sehr viel länger gedauert, als ich ursprünglich gedacht hatte. Allerdings bin ich bei vielen Aspekten ein Perfektionist, der gerne noch dieses und jenes ausprobieren muss. Und da ich mich nicht unter Zeitdruck setzte, konnte ich mich richtig austoben. Im Nachhinein war einiges davon übertrieben. Dafür hat mir das Ganze aber auch sehr viele nützliche Erfahrungen gebracht, von denen zukünftige Produktionen sicherlich profitieren werden.

Wie hat dich die Corona-Krise darüber hinaus bei der Produktion beeinflusst?

Überhaupt nicht. Da Paul in Amerika lebt und der Rest in und um Berlin, waren gemeinsame Proben oder gar Konzerte, für die noch sicherlich weitere Musiker eingebunden werden müssten, erst einmal nicht geplant.

Hat es außer euch vier Musikern noch weitere Musiker gegeben, die an der Einspielung beteiligt waren? Das in den Albumcredits genannte The Rellington Resort Orchestra ist ja augenscheinlich ein fiktives Orchester.

Nein, alle erwähnten Gastmusiker sind rein fiktiver Natur.


Von links: Lutz Meinert, Paul Forrest, Nils Conrad und Ulla Harmuth

Die Musik auf der beigefügten DVD wurde mit zahlreichen Fotos unterlegt, die zu einer synchronen Storyline zusammengesetzt und perfekt zur Musik synchronisiert wurden. Das ist aus meiner Sicht einmalig. Mir sind bisher nur Produktionen bekannt, bei denen höchstens mal einige Bilder oder die Songtexte auf dem Bildschirm zu sehen sind. Wer hat die sehr ansprechenden Fotos gemacht und wie viel Arbeit steckt in der Zusammenstellung und Synchronisierung?

Auch ich habe bislang bei Surround-Abmischungen von allen Musikalben, egal ob auf DVD oder Bluray, ebenfalls stets die Erfahrung gemacht, dass die optische Unterstützung der Musik dort sehr rudimentär ausfällt. Meistens sind nur das Frontcover oder wenige verschiedene Fotos in Endlosschleife oder allenfalls noch die Songtexte zu sehen.

Als ich mich entschloss, einen 5.1-Mix vom Album auf DVD zu produzieren, wollte ich dagegen auch die visuellen Möglichkeiten einer DVD ausnutzen und ein Albumvideo erstellen, dass den Songtext visualisiert. Ein aufwändiges professionell erstelltes Musikvideo mit spielfilmähnlichem Charakter schied aus Kostengründen von vornherein aus. Aber eine animierte, zur Musik synchronisierte Dia-Show kam für mich durchaus als kostengünstigere Alternative in Betracht, obwohl aufgrund der Fülle der Fotos auch hierbei nicht unbeträchtliche Lizenzkosten anliefen. Einige Fotos kamen von mir, aber den Großteil suchte ich mir bei großen kommerziellen Foto-Stock-Agenturen zusammen. Allein die Suche nach geeigneten Motiven, die perfekt zum Text passen mussten, kostete mich diverse Wochen. Und all diese Fotos dann im dramaturgischen Ablauf unterzubringen und exakt zur Musik mit den ganzen Breaks, Läufen und Wechseln über die gesamte Laufzeit des Albums zu synchronisieren, war ein hartes Stück Arbeit, dass weitere etliche Wochen verschlang. Immer wieder änderte ich die Motivabfolge, ersetzte einige Fotos durch neue, feilte an Effekten und Timing, bis es am Schluss eine runde Sache wurde.

Hast du Ian Anderson eine Kopie des Albums zugeschickt, und wenn ja, wie hat er auf deine Hommage an sein Meisterwerk reagiert?

Ich hatte Ian Anderson vor ein paar Tagen über Paul unser Album zukommen lassen, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Aber da Ian Anderson wohl von allen möglichen Leuten permanent etwas zugeschickt bekommt, ist das auch nicht verwunderlich.

Wie sieht die weitere Zukunft deines Projektes Reflection Club aus?

Wie schon erwähnt, scheiden aus mehreren Gründen Konzertaktivitäten bis auf Weiteres aus. Deshalb wartet nun das nächste Album auf uns. Da mir die Zusammenarbeit mit Paul, Nils und Ulla sehr viel Freude bereitet hat, freue ich mich schon auf eine Fortsetzung. Mal sehen, was diesmal dabei rauskommt.

Da kann man ja wirklich sehr gespannt sein. Danke für die sehr umfangreichen Antworten, es hat mir sehr viel Spaß gemacht dieses Interview zu führen.  

Ein Albumreview findet ihr hier.

Stephan Schelle, Februar 2021

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