Günter
Grünebast, der eine musikalische Ausbildung im Bereich Klavier,
Kirchenorgel, Akkordeon sowie Harmonielehre, Tonsatz und Ausbildung zum
D-Kirchenmusiker im Fach Orgel absolvierte, und hauptberuflich
Diplomingenieur der Elektrotechnik ist, hat im Herbst 2023 sein Debütalbum
„Minoan Encounters“ veröffentlicht. Stephan Schelle stellte ihm zu
seinen musikalischen Vorlieben, seinem Werdegang und dem Album einige
Fragen.
Günter,
du hast ähnlich wie Johannes Schmoelling (u. a. Solo, ex-Tangerine
Dream, ex-Loom) eine Ausbildung als Kirchenorganist absolviert. Erzähl
doch bitte zunächst, was dich bewogen hat diesen musikalischen Weg
einzuschlagen.
Schon
im Vorschulalter klimperte ich gerne auf einer Philicorda herum, die im
damaligen Elternhaus stand. Nach kurzer Zeit wurde die Philicorda gegen
eine deutlich größere Farfisa getauscht, zwei Manuale und Pedal - wow!
In den 70er Jahren waren Heimorgeln absolut angesagt und ich bekam
erstmalig Unterricht. Wenige Jahre später entschieden sich meine Eltern
für die Anschaffung eines Klaviers. In der großen Ludgeri-Kirche
meiner Heimatstadt Norden befindet sich die aufgrund ihres Klanges und
ihrer außergewöhnlichen Anordnung an einem Vierungspfeiler weltberühmte
Arp-Schnitger-Orgel, die ich als Kind schon sehr beeindruckend fand.
Kurz nach Beginn des Klavierunterrichts entschied ich mich, an der
hiesigen Musikschule zusätzlich Kirchenorgel-Unterricht zu nehmen. Über
viele Jahre habe ich später in verschiedenen Kirchen Ostfrieslands den
sonntäglichen Gottesdienst an der Orgel begleitet und damit auch ein
wenig mein Elektrotechnik-Studium finanziert.
Foto:
Klaus Ortgies
Wie
bist du dann zur elektronischen Musik gekommen und welche Vorbilder hast
du aus diesem Musikbereich?
Mit
etwa 13 Jahren fand ich erstmalig größeres Interesse für die
Elektrotechnik. Da lag es natürlich nahe, sich auch mit der
elektronischen Tonerzeugung zu befassen. Mit 16 Jahren begann ich mit
dem Bau eines eigenen Synthesizers. Insbesondere die Musik von
Jean-Michel Jarre beeindruckte mich damals sehr. Nach dem Kauf der
Klassiker „Oxygene“ und „Equinoxe“ hatte ich kurze Zeit später
die ersten Alben von Klaus Schulze und Tangerine Dream in der Hand. Der
etwas sperrige selbst gebaute 4-stimmig polyphone Synthesizer fand
schließlich Anwendung in der zu Schulzeiten gegründeten Prog-Rock-Band
„Peacock“. Einige Jahre später kamen auch „Industrie-Produkte“
auf der Bühne zum Einsatz. Nach dem Abitur musste ich mich zwischen
einem Musik- oder Elektrotechnik-Studium entscheiden. Die Musik ist bis
heute als Hobby geblieben. Nach vielen Jahren „Peacock“ folgte dann
„Morphelia“.
Du
hast vor „Minoan Encounters“ in der Band Morphelia gespielt und mit
ihnen die beiden Alben „Prognocircus“ und „Waken The Nightmare“
veröffentlicht. Existiert die Band noch?
Fast
20 Jahre habe ich mit den Jungs von Morphelia zusammen Musik gemacht. Es
war eine schöne Zeit mit vielen Konzerten auch im europäischen
Ausland. Wir haben zwei tolle Alben veröffentlicht, die auch
international hohe Anerkennung fanden. Aber wie so oft, ist irgendwann
die Luft raus. Wir haben die Band vor einigen Jahren aufgelöst.
Du
hast im Herbst 2023 dein erstes Soloalbum unter dem Pseudonym
Johannssohn veröffentlicht. Habe ich das richtig interpretiert, dass
dies einen Bezug zu deinem bereits im Jahr 1988 verstorbenen Vater
darstellt (das Album „Minoan Encounters“ hast du ja deinen
verstorbenen Eltern Hedwig und Johann gewidmet)?
Privat
und auch dienstlich bin ich die letzten Jahre öfters ins Ausland
gereist. Mit meinem kantig-klingenden bürgerlichen Namen, der zudem
noch zwei „ü“ enthält, konnte ich im Ausland nicht wirklich
punkten. Besonders problematisch wurde es, wenn die beiden „ü“
durch die Umlaute „ue“ ersetzt wurden. Der Name war damit für viele
quasi unaussprechlich. Also musste für das Album ein Künstlername her.
Die Musikalität habe ich von meinem Vater geerbt. So kam ich als Sohn
von Johann auf den Namen Johannssohn.
Auf
deiner Internetseite habe ich gelesen, dass die Inspiration zu deinem
Album einige Griechenlandreisen war, die du mit deiner Frau unternommen
hast. Dabei haben dich vor allem die Ausgrabungsstätten der minoischen
Paläste beeindruckt, die sich auf Kreta befinden. Was war das Besondere
daran, sie in musikalische Rundgänge zu vertonen?
Schon
bei meiner ersten Kreta-Reise in den 1990er Jahren war ich von den archäologischen
Hinterlassenschaften der Minoer schwer beeindruckt. Man bedenke, wie
fortschrittlich die Minoer zu ihrer Zeit bereits waren. Bei späteren
Griechenland-Reisen zusammen mit meiner Frau habe ich mir mehrere Fachbücher,
die es vor Ort sogar in deutscher Sprache gab, über die minoische
Kultur und insbesondere über deren Paläste gekauft. Bei einer der
letzteren Kreta-Reisen kam mir bei einem wiederholten Besuch der
minoischen Paläste die Idee, ob es nicht irgendwie möglich sein
sollte, diese beeindruckenden Bauwerke zu vertonen - gesagt, getan!
Foto:
Klaus Ortgies
Hast
du dich bei der Erstellung der Musik gedanklich in deine Urlaube
versetzt oder hattest du als Grundlage Fotos oder Videoaufnahmen zur
Verfügung?
Zum
einen hatte ich die Paläste noch gut vor Augen, zum anderen hatte ich
unzählige Fotos gemacht und mit den vor Ort gekauften Büchern konnte
ich auf fachlich exzellente Nachschlagewerke zurückgreifen. Dabei haben
mich auch viele Abbildungen in den Büchern inspiriert, welche in Form
von farbigen Zeichnungen versuchten, die Paläste so darzustellen, wie
sie möglicherweise in früheren Zeiten einmal ausgesehen haben könnten
- wenn auch teilweise sehr umstritten.
Bei
der Thematik hätte sich ja besonders angeboten, stilistisch wie der
griechische Elektronikmusiker Evangelos Odysseas Papathanassiou, der
besser bekannt unter seinem Künstlernamen Vangelis ist, zu klingen. Das
ist aber nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Du hast vielmehr eine
stilistische Vielfalt in die Stücke eingebaut.
Jede
der vier Tondichtungen beschreibt einen Rundgang durch den jeweiligen
minoischen Palast in der Jetzt-Zeit und der Vergangenheit zugleich.
Dabei werden mindestens 10 verschiedene Räumlichkeiten durchlaufen,
bzw. archäologische Artefakte des Palastes aufgegriffen. Ich benötigte
somit auch mindestens 10 verschiedenen musikalische Themen pro Palast.
Zum einen zur musikalischen Umsetzung, aber auch zur möglichen gegensätzlichen
Unterscheidung bzw. Abgrenzung habe ich mich verschiedener musikalischer
Stile oder Elemente bedient. Die Kirchenorgel als sakrales Element und Königin
der Instrumente taucht beispielsweise an mehreren Stellen auf und repräsentiert
etwas Imposantes oder Wichtiges wie z.B. das Megaron der Königin.
Besonders spannend war die musikalische Umsetzung des weltbekannten
Diskos von Phaistos. Um auf eine Interpretation der Inschrift des Diskos
zu verzichten - da derzeit ohnehin keine anerkannte Entzifferung
vorliegt, bzw. niemand wirklich weiß, ob der Diskos tatsächlich echt
ist - habe ich eine mathematisch pragmatische Methode verwendet, die zu
einer Tonfolge der Zwölftontechnik führte. Aufgrund meiner eher
klassisch geprägten Ausbildung sind in jedem der vier Tondichtungen
auch mehrere klassische Elemente z.B. als mehrstimmige Sätze enthalten.
Da ich zuvor über 30 Jahre Progressive Rock in zwei Bands gemacht habe,
ist auch in „Minoan Encounters“ diese Musikrichtung in
instrumentaler Form gekoppelt mit der Elektronikmusik vordergründig.
Foto:
Klaus Ortgies
Hast
du musikalische Vorbilder im Bereich der Elektronikmusik?
Wie
eigentlich jeder Musiker hat man so seine musikalischen Vorbilder.
Allerdings habe ich versucht, der Musik zu den vier minoischen Palästen
einen eigenen Stempel aufzusetzen und bewusst auch, wie schon weiter
oben beschrieben, verschiedene musikalische Stile bzw. Elemente
verwendet. Dennoch lassen sich mögliche Ähnlichkeiten zu meinen
musikalischen Helden wie z.B. Jean-Michel Jarre oder den beiden leider
viel zu früh verstorbenen Klaus Schulze und Edgar Froese sicherlich
nicht leugnen.
Auch
griechische Klangfarben hast du nur sporadisch im Part „In The
Theatral Area Of The West Court“ im Stück „The Palace Of
Phaistos“ eingesetzt. Hast du dich da ganz bewusst zu entschlossen um
die Musik offener zu gestalten?
Ja,
die Musik bewegt sich zwar vorwiegend im Bereich der Elektronik und des
instrumentalen Progressive Rock, dennoch wollte ich gerne, wenn auch nur
kurz, einen Bezug zu dem Land herstellen, in welchem die minoischen Paläste
zu bewundern sind, nämlich Griechenland. Ich konnte es mir daher nicht
verkneifen, für einige Passagen musikalisches Material zu erarbeiten,
welches sich an typische Elemente der griechischen Pop- und
traditionellen Musik anlehnt und damit auf verschiedenen, den uns
bekannten, Kirchentonarten basiert - da schließt sich der Kreis wieder.
Du
hast in die vier Tracks jeweils sehr viele musikalische Ideen
verarbeitet, von denen andere Musiker gleich mehrere Alben produziert hätten.
Wie bist du bei der Komposition der einzelnen Teile vorgegangen und wie
hast du sie dann zusammengesetzt?
Für
jeden Palast hatte ich mir an Hand von Grundrisszeichnungen aus
verschiedenen Fachbüchern zunächst eine Art Rundgang durch den Palast
bzw. auch der Außenanlage erstellt. Dabei musste ich mich auf einige
wesentliche Räume, Orte oder Artefakte beschränken, sonst hätte es gänzlich
den Rahmen gesprengt. Jedem Raum, Ort oder Artefakt musste nun ein
passendes musikalisches Thema zugeordnet werden. Einige Themen hatte ich
bereits bei den letzten Besuchen der minoischen Paläste im Kopf. Andere
sind danach zu Hause im Studio z.B. beim Betrachten von eigenen Fotos
oder von Bildern in Fachbüchern entstanden. Des Weiteren habe ich auf
musikalisches Material zurückgegriffen, welches ich bereits in früheren
Zeiten mal aufgenommen hatte und welches sich nun, z.T. jedoch mit Änderungen,
als durchaus passend erwies.
Wie
lange hast du für das Komponieren, die Einspielung und die Produktion
gebraucht und wann hast du damit begonnen?
Ooh,
gute Frage. Die kann ich nicht wirklich präzise beantworten. Alleine
zum Schluss das Mastering und die Gestaltung des Albums haben über ein
Jahr in Anspruch genommen. Für die Komposition und Einspielung sind
mehrere Jahre ins Land gegangen. Ich konnte neben meiner
hauptberuflichen Tätigkeit immer wieder nur etappenweise und sporadisch
(<= kommt übrigens aus dem Griechischen :-)) daran arbeiten.
Foto:
Klaus Ortgies
Sehr
gut finde ich auch, dass du die einzelnen Parts in den Stücken mit
Zeitangaben im Booklet aufgelistet hast. Damit kann man die
musikalischen Rundgänge sehr gut nachvollziehen. War dir das ein
Anliegen, dass man beim Hören der Musik dies so erleben soll?
Ja,
mir war sehr wichtig, dass der Hörer durch die den jeweiligen Räumlichkeiten
bzw. Artefakten zugeordneten musikalischen Themen einen
wiedererkennbaren Bezug hat. Vielleicht verschlägt es ja den einen oder
anderen auf die griechische Insel Kreta und beim Besuch eines minoischen
Palastes kommt vielleicht eines der vielen musikalischen Themen in
Erinnerung.
Das
Album hast du im Alleingang mit einem sehr schönen 16-seitigen Booklet
herausgebracht, das ist ja schon ein finanzielles Risiko. In welcher
Auflage ist das Album erschienen und wie läuft der Absatz?
An
dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Dank an Sylvia Barkhoff für
die tolle und umfangreiche graphische Gestaltung des Albums. Da die
Musik doch eher speziell ist, bin ich zunächst mit einer 500er Auflage
gestartet. Das Album kann über meine Homepage im Online-Shop bezogen
werden. Bezüglich ergänzender Vertriebswege stehe ich derzeit mit
mehreren Online-Händlern im In- und Ausland in Kontakt.
Wie
sehen deine weiteren musikalischen Zukunftspläne aus? Wird es ein
weiteres Soloalbum von dir geben?
Durchaus,
vielleicht reise ich musikalisch dann nicht ganz so weit und bleibe in
meiner Heimat - der Nordseeküste und Ostfriesland.
Ich
danke dir für die Beantwortung meiner Fragen und wünsche dir viel
Erfolg mit dem grandiosen Album „Minoan Encounters“.
Sehr
gerne und herzlichen Dank.
Stephan Schelle
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