Interview mit Flaming Bess
Per Email im Juni 2023 geführt

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Im Juni 2023 ist das achte Album (zählt man das als Key in 1983 veröffentlichte „Verschlüsselt mit) der Düsseldorfer Rockband Flaming Bess erschienen, die im Jahr 1979 mit ihrem Debüt „Tanz der Götter“ einen großen Erfolg feierte. Wie es scheint, ist nach 54 Jahren nun das letzte Kapitel der Band geschrieben. Ich habe das zum Anlass genommen, um Näheres von der Band zu erfahren.

54 Jahre Bandgeschichte, das ist eine sehr lange Zeit. Hans Wende ist ja seit der Gründung dabei und auch Gründungsmitglied Peter Figge, der zwar schon Anfang der 70’er Jahre ausgestiegen ist, ist seit 1983 wieder durchgängig mit an Bord. Und auch Achim Wierschem ist seit Anfang der 80’er Jahre ab der „Verlorenen Welt“ eine feste Konstante der Band. In dieser Zeit haben sich freundschaftliche Verbindungen ergeben, die über die musikalische Zusammenarbeit hinausgehen?

Achim (Wierschem): Ja, wir sind seit Ewigkeiten beste Freunde. Bevor ich bei Flaming Bess einstieg, hatte ich bereits in zwei Bands (Scylla und Proxx) mit Peter Figge gemeinsam musiziert. 1980 traf ich Hans Wende bei einem Konzert von Styx und Saga in der Phillipshalle in Düsseldorf. Wir kamen ins Gespräch. Flaming Bess befand sich damals in der Kompositionsphase zu dem, was 1981 dann „Verlorene Welt“ wurde. Ich produzierte einige Demos für ihn und seit dieser Zeit sind wir gemeinsam unterwegs. Auch mit Hans Schweiß, den ich bei dieser Produktion kennenlernte, habe ich viele gemeinsame musikalische Schlachten geschlagen. Dass wir anno 2023 immer noch zusammen sind, zeugt davon, wie tief wir immer noch freundschaftlich miteinander verbunden sind.

In dieser Besetzung seid ihr Vier nun auch schon wieder 10 Jahre zusammen. Wie sah eure musikalische Betätigung in diesem Zeitraum aus?

Hannes (Schweiß): Vielseitig. Nachdem wir uns wieder in dieser Formation zusammengefunden hatten, waren schon einige Ideen da, die wir eigentlich nur noch zusammenfügen mussten. Das geschah dann im Proberaum, teilweise durch Improvisationen oder durch Ideen der einzelnen Bandmitglieder.


(Peter Figge, Achim Wierschem, Hans Wende, Hans Schweiß)

Im Juni 2023 habt ihr, zehn Jahre nach dem wunderbaren Album „Der gefallene Stern“ ein neues Album herausgebracht. Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen? Hat euch – wie so vielen anderen Musikern – da auch Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht?

Peter (Figge): Eigentlich wollten wir unser neues Album im Winter 2020 herausbringen. Seit März des gleichen Jahres waren aber wegen Corona keine Proben oder Treffen mehr möglich. Zu dem Zeitpunkt fehlten zu einigen Stücken noch wichtige Einspielungen. Erst Mitte 2022 konnten diese dann erstellt werden. Die verbleibende Zeit waren wir dann mit dem Abmischen und Mastern, sowie mit der graphischen Gestaltung beschäftigt.

Im Booklet steht, dass euer Bandstudio in den Regenfluten versunken ist. War das während der Flutkatastrophe im Jahr 2021? Wie groß waren die Schäden, waren auch Teile eurer Produktion betroffen?

Peter: Produziert wurde zum Glück im Mindmovie-Studio von Achim. Aber der Wasserschaden erforderte unsere ganze Aufmerksamkeit. Das Wasser stand ca. 5 cm in unserem Proberaum. Die Technik und unsere Instrumente konnte vollständig gerettet werden, weil wir sofort vor Ort waren. Anschließend musste der Raum mehrere Wochen mit Entfeuchtungsgeräten trocken gelegt werden. Auch neue Fenster mussten eingebaut werden. Etwa 6 Monate hat das in Summe gedauert.

Wie sah der Kompositionsprozess aus, der ja aufgrund Corona nicht einfach war?

Achim: Ja das war ganz und gar nicht einfach! Zu Beginn arbeiteten wir alle gemeinsam an den neuen Songs im Proberaum. Es entstanden so die Blaupausen für die Songs „Cold Comes The Night“ und „Dreamfall“ sowie einige weitere Songs die es im Endeffekt dann nicht auf das Album geschafft haben. Dann gab es einen Todesfall im direkten Bandumfeld, der uns zu einer traurigen Pause zwang. Danach wurde unser gerade neu renovierter Proberaum durch Starkregen gleich zweimal geflutet.

Wir mussten von vorne anfangen, und erst einmal wieder handwerklich tätig werden bevor es mit der Produktion überhaupt weiter gehen konnte. Dann kam Corona und der damit verbundene Lockdown, der uns die Arbeit merklich erschwerte. Als die Treffen wieder möglich wurden trafen wir uns hauptsächlich in meinem Mindmovie Tonstudio, erarbeiteten weitere Songs und spielten gemeinsam mit unseren Gästen „Wrinkle Of Time“ ein. Retrospektiv eine wirklich lange Zeit, allein wir haben es anders empfunden.

Das Debütalbum „Tanz der Götter“ war nicht nur musikalisch ein grandioses Album, den Reiz machte vor allem auch die Fantasystory aus, die Radiosprecher Wolfgang Neumann beigesteuert hat. War euch damals schon klar, dass diese Story, die auf den nachfolgenden Alben fortgeführt wurde, weiterzuführen?

Peter: Ja – dennoch haben wir stets Verschiedenes ausprobiert. Auf „Fata Morgana“, unserem dritten Album, befindet sich nur eine kurze Sprachpassage, die sich auch außerhalb der Flaming Bess Welt bewegt. Erst auf „Finstere Sonne“ wurde die Geschichte wieder fortgesponnen.

Wer ist für die Story zuständig? Entwickelt ihr die gemeinsam?

Achim: Die Fantasystory bei „Finstere Sonne/Black Sun “ haben wir gemeinsam entwickelt. Seit „Wächter des Lichts“ haben wir die Geschichten und deren sprecherische Umsetzung in die Hände meines Sohnes Dr. Markus Wierschem gelegt und sind ihm sehr dankbar. Er hat ganz klar eine tiefere Ebene mit seinen Texten erzeugt.

Das Coverbild auf dem neuen Album „Wrinkle Of Time“ ziert das Gesicht von Flaming Bess, das auch schon auf dem Debütalbum „Tanz der Götter“ abgebildet war. Habt ihr das Gesicht in eurem Studio an die Wand gemalt und dann für das Cover fotografiert?

Hannes: Wir hatten sowieso vor, das Gesicht, der Flaming Bess, was uns so lange, durch unsere gemeinsame musikalische Reise mit ihr, begleitet hatte, an unsere Proberaumwand zu malen. Sie gehörte einfach dazu.

Habt ihr das Cover bewusst gewählt und soll sich so der Kreis zum Debütalbum schließen?

Hannes: Ja, aber die Idee kam erst später. Durch den Wassereinbruch in unserem Proberaum blätterte nach und nach die Farbe von dem Flaming Bess Kopf ab, den wir an die Wand gemalt hatten. Bei einer Diskussion der Band, was wir als Cover für die CD nehmen könnten, kamen wir spontan auf diese Idee. Sofort waren alle einverstanden. So schließt sich der Kreis.

Auf der Bookletrückseite ist eine sehr schöne Grafik von Flaming Bess zu sehen, die eine Sanduhr in der Hand hält. Warum habt ihr dieses tolle Motiv nicht benutzt bzw. in größerem Format abgedruckt, das perfekt zum Titel gepasst hätte?

Achim: Du wirst lachen, aber das war sogar einmal ein früher Coverentwurf. Wir haben uns dann allerdings für unser Proberaumbild entschieden. Die Regenfluten hatten dem Bild stark zugesetzt und es blätterte zusehends die Farbe ab. Wir sind ja alle vier nicht mehr die Jüngsten, sprich auch an uns ist der Zahn der Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Diese Analogie war im Endeffekt der ausschlaggebende Punkt unser „altes Trademark“, den Frauenkopf für das Frontcover zu nutzen.

Mit den Stücken „Wind Of Hope“ und „Now I Regret“ habt ihr aus meiner Sicht auch Einflüsse aus der aktuellen Poplandschaft mit in die Musik integriert. Wie kam es dazu?

Peter: Gegen gut gemachte Popmusik hatten wir nie Einwände. Und auch auf verschiedenen anderen Alben von Flaming Bess befinden sich Titel mit einer gewissen Nähe zu dem von Dir angesprochenen Genre. Interessanterweise haben sich von ca. 20 Kompositionen für diese Album „Wind of Hope“ und „Now I regret“ letztendlich durchgesetzt. Wir machen das demokratisch per Abstimmung.

Ihr habt auch einige Gastmusiker an Bord geholt, die einige Soli beigesteuert haben. Wie kam der Kontakt zu Stande und wie haben sie sich eingebracht bzw. wie war die Zusammenarbeit?

Achim: Dank Internet ist die Welt heute sehr klein geworden und bietet die Möglichkeit mit tollen Musikern zusammen zu arbeiten, die man im realen Leben niemals treffen würde. Immer wenn mich ein Musiker mit seinen Werken besonders berührte habe ich Kontakt aufgenommen und so sind die Kollaborationen mit Andres Rexach, Martin Kuna, Markus Roth und Peter Allion entstanden, wofür wir sehr dankbar sind, denn ihre Beiträge haben „Wrinkle Of Time“ veredelt und zusätzliche Ebenen eingezogen.

Auch gibt es dieses Mal mit Aurora Ferrer eine Sängerin und mit Mike Hartmann und Kevin Symonds zwei weitere Sänger. Warum habt ihr verschiedene Gastsänger/in für die Produktion gewählt? Hatten sie auch Einfluss auf die Stücke?

Achim: Alle Gäste haben einen hervorragenden Beitrag zu der CD geleistet. Bei Flaming Bess waren von Anfang an Gastsänger:innen im Einsatz. Die Antwort ist eigentlich sehr ähnlich wie auf die vorherige Frage. Für Kevin und Aurora haben wir Texte und Melodien vorgegeben, Mike, der ja auch schon bei „Der Gefallen Stern“ als Gast mitwirkte schreibt nach einer kurzen Abstimmung zur Songthematik als „native Speaker“ seine Texte selbst und entwickelt die dazu passenden Melodien. Das Konzept von Flaming Bess in all den Jahren ist eigentlich immer gleich geblieben: „Let The Music Be The Star - Not The Singer“.

Meine Highlights des neuen Albums sind die Longtracks „Wrinkle Of Time“, „Universal Mind“, „On The Edge“ und „Cold Comes The Night“, das für mich eure deutliche Handschrift trägt. Gibt es für euch ein bzw. mehrere Lieblingsstücke?

Peter: Der Song „Cold Comes The Night“ war praktisch die Wiederaufnahme der musikalischen Aktivitäten von Flaming Bess nach dem Album „Der gefallene Stern“. Ein strategisch wichtiger Moment in unserer Bandgeschichte und deshalb auch ein ganz wichtiger Song für uns. Darüber hinaus repräsentieren die von Dir genannten Longtracks sehr stark den Stil und Geschmack von Flaming Bess. Deine Aufzählung möchte ich aber gerne noch um den Titel „Distance“ erweitern.

Es gibt Hinweise im Text des Titelstücks, die auf eure Bandgeschichte und das mögliche Ende von Flaming Bess hindeuten. Wie sieht die Zukunft von Flaming Bess aus?

Peter: Wir wünschen uns sehr, dass die Musik von Flaming Bess ewig leben werde. Für uns Musiker selbst ist dieser Anspruch jedoch unrealistisch. Wir befinden uns alle in einer weit fortgeschrittenen Lebensphase. Sowohl im Titelsong als auch im Booklet zu der CD haben wir dies an mehreren Stellen zum Ausdruck gebracht. Gerade deshalb ist das Booklet auch so umfangreich geworden.

Wie in dem Booklet zu erkennen ist (es ist eine Eintrittskarte zu sehen), seid ihr nach der Veröffentlichung des 2013’er Albums „Der gefallene Stern“ auch live aufgetreten. Das habe ich leider verpasst. Wieviel Konzerte habt ihr gegeben und wie war die Resonanz?

Achim: Es gab einige Konzerte in kleine Clubs und im privaten Rahmen. Eine Tour hat es allerdings nicht gegeben.

Gibt es Mitschnitte von den Konzerten in Bild und Ton?

Achim: Ja es gibt einige private Videos und Tondokumente, allerdings nichts das wir wirklich veröffentlichen möchten.

Könnt ihr euch vorstellen noch einmal live aufzutreten?

Peter: Diesen Wunsch tragen wir alle in uns. Doch wie sieht die Realität aus? Wir haben mehrfach begonnen, ein Programm auf die Beine zu stellen. Dann kamen gesundheitliche Probleme, Corona, die Überflutung des Proberaumes und andere Schicksalsschläge. Umso erstaunlicher ist es, dass wir immer noch da sind.

Das Album der Formation Key „Verschlüsselt“, das in der Formation Hans Wende, Peter Figge, Achim Wierschem und Gudrun Derichs eingespielt wurde, wird in der Bandbiografie mitgezählt. Warum wurde damals ein anderer Bandname gewählt und wie passt das Album thematisch in die Flaming Bess-Veröffentlichungen?

Achim: Das Album erschien 1983 zu Hochzeiten der NDW. Da Flaming Bess laut Ansicht der damaligen Plattenfirma konzepttechnisch nicht ins aktuelle Zeitgeschehen passte, wählte man „Key“ als Bandnamen und sang ausschließlich in Deutsch. Retrospektiv würde ich sagen das die Musik durchaus viele Flaming Bess typische Momente enthält, sich aber textlich und gesanglich deutlich von der Götttin des Lichts entfernt. Letztlich floppte das Album, da es immer noch nicht kommerziell genug war. Dies war übrigens der letzte Ausflug in die Musikindustrie für uns, wir beschlossen zukünftig wieder alles selbst in die Hand zu nehmen.

Stephan Schelle, Juni 2023

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