Interview mit Dawnation
Per Email im Juli/August 2023 geführt

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Die Neubrandenburger Band Dawnation hatte einen viel umjubelten Auftritt beim XI. Artrockfestival am 15.04.2023 in Reichenbach. Zeitgleich erschien ihr zweites Album „... Well For The Past“. Gleich zwei Gründe etwas mehr über die sympathische Band zu erfahren. Die drei Gründungsmitglieder Jan Mecklenburg, Christoph Piel und Bert Wenndorff haben ausführlich meine Fragen beantwortet, dafür ganz herzlichen Dank.


von links: Robert, Clemens, Jan, Bert und Christoph

Ihr habt als Dawnation 2020 euer Debütalbum „The Mad Behind“ veröffentlicht, gerade als die Pandemie die Welt in Atem hielt. Dadurch hattet ihr keine Chance das Album live zu präsentieren und es publik zu machen. Wie sehr hat euch diese Situation getroffen und wie war die Resonanz auf das Album?

(Bert) Wie alle Kunstschaffenden hat es uns schon sehr erwischt. Da es bei uns in der Gegend schon unter normalen Umständen nicht so einfach ist, diese Art Musik live zu präsentieren, weil das Interesse dafür eher gering ist, war es dann natürlich gänzlich unmöglich. Die Resonanz auf das erste Album erwischte uns völlig aus dem Kalten und war überwältigend für uns. Klasse Reviews in Medien wie Eclipsed, Empire, Betreutes Proggen, Babyblaue Seiten etc. damit hätten wir keinesfalls gerechnet.:- )

Am 15.04.2023 habt ihr dann den zweiten Tag des Artrockfestivals eröffnet. Wieviel Vorbereitung und Vorfreude steckte in diesem Auftritt, zumal ja auch euer zweites Album „... Well For The Past“ zeitgleich erschien und es in dieser Konstellation der erste Auftritt von Dawnation war?

(Jan): Wir haben schon ca. Ende Herbst 2022 mit den Vorbereitungen und Proben begonnen und überlegt, welche Songs wir performen wollen. Denn auf dem ARF spielen zu können noch dazu als ersten Gig - hat uns sehr gefreut, zumal sich im Frühjahr langsam abzeichnete, dass die VÖ von „... well for the past...“ relativ zeitnah vorher möglich sein könnte. Wir haben dann sehr viel Energie in die Proben gelegt, denn - ehrlich gesagt haben wir schon Respekt gehabt, auf so einem renommierten Festival zu spielen.

Ihr habt mit eurem Auftritt in Reichenbach dann auch gleich mal die Bude gerockt und das Publikum begeistert. Wie überraschend war der Erfolg und wie habt ihr das auf der Bühne und später bei Gesprächen im Foyer erlebt?

(Jan): Die Resonanz kam für uns total überraschend, wir haben uns tierisch gefreut! Auf der Bühne habe ich mich persönlich nach all der Nervosität in den Vortagen unerwartet frei gefühlt, hatte Bock, mit den Männern einfach abzurocken. Dass das Publikum so geil reagiert hat, beflügelte mich und hat mir unheimlich viel Spaß gemacht!!! Das, was danach im Foyer abging, war für mich überwältigend: Lob, Schulterklopfen, Selfies, CD/LP signieren, konstruktive und wertschätzende Kritik, die ganzen lieben, fachkundigen Menschen Hammer!!!

     
Jan, Christoph und Bert live beim Artrockfestival 2023

Man konnte bei eurem Auftritt nicht glauben, dass es euer erster Gig war. Einige von euch haben aber auch von 1998 bis 2004 als Glistening Dawn Musik gemacht, mit denen zwei Alben in den Jahren 2002 und 2004 herausgekommen sind. Erzählt doch ein bisschen zu diesem Zeitraum.

(Jan): Christoph, Bert und ich haben uns während des Studiums in Neubrandenburg kennengelernt und später eine Zeit lang auch in einer WG zusammengewohnt. Wir haben in einer Studenten-Combo zusammen Musik gemacht, so’n Cover-Ding. Nichtsdestotrotz hatten wir unseren Spaß daran. Noch mehr Spaß hatten wir allerdings, eigene Songs zu schreiben und das war dann irgendwann (Ende 1997) die Geburtsstunde von „Glistening Dawn“. Und eigentlich haben wir nicht zwei, sondern drei Alben: „Wonderous Stories“ (Sommer 1998) war allerdings in einer sehr kleinen Auflage von uns selber produziert und vertrieben worden. Vielleicht wird das Album irgendwann ja noch mal heiß begehrt, gibt aber leider keine mehr… (lacht). Es folgten dann „Travellers in spare and Time“ (2002) und „Tales from beyond…“ (2004).

Warum habt ihr Glistening Dawn aufgelöst? War die Resonanz auf eure Alben nicht so groß oder wollten einige von euch andere musikalische Wege beschreiten?

(Jan): Leider sind die Alben nicht auf wirklich viel Interesse gestoßen, zudem sah es hier in der Provinz mit Auftrittsmöglichkeiten eher Mau aus (nach wie vor). Bei mir stellte sich dann Nachwuchs ein, unsere Studentenzeit ging zu Ende, der Lauf von Zeit und Dingen, der dann leider zur Auflösung der Band führte…

Wann seid ihr als Dawnation zusammengekommen und gab es in der Pause zwischen den Bands andere musikalische Betätigungen?

(Jan): Wir hatten uns einige Jahre etwas aus den Augen verloren, Bert lebte z.B. einige Jahre in Berlin, hatte aber mit Christoph weiterhin musikalisch in der „Magical Mystery Band“, einer Beatles- und Pink Floyd-Coverband gearbeitet. Ich hatte zu dem Zeitpunkt mit Musik aufgehört. Ende 2016 fragte Bert, ob wir nicht wieder zusammen kreativ werden wollten. Bei einigen Bieren besprachen wir dann unsere Vorstellungen - „Dawnation“ war geboren, wir empfanden, dass die Zeit reif dafür war. Wir suchten und fanden dann mit Robert unseren heutigen Bassisten. Clemens vervollständigte die Band damals am Schlagzeug. Seit 2021 kloppt Damian auf den Drums rum.

    

Als Dawnation habt ihr eine musikalische Richtung eingeschlagen, die mehr im Prog verortet ist und dies mit Melodicrock verbindet. Wie seht ihr eure musikalische Entwicklung im Gegensatz zu Glistening Dawn, wo ihr rockiger zur Sache gegangen seid?

(Christoph): Glistening Dawn ist lange her. Damals kamen sehr viele Songideen von mir. Und da ich nun mal ausschließlich mit der Gitarre vertraut bin und besonders auf Riffs stehe, klingt das ganze halt rockiger. Bei Dawnation hat die meisten Ideen bis jetzt Bert beigesteuert. Er kommt halt aus der Keyboardecke und spielt ein bisschen mit der Akkugitarre rum. Das Ergebnis ist dann zwangsläufig etwas poppiger/melodischer.

(Bert): Das letzte GD Album „Tales from beyond“ ging auch schon in diese Prog, Melodicrock Richtung. Durch den Einfluss unserer neuen Bandmitglieder und natürlich auch durch die Entwicklung der Geschmäcker der übriggebliebenen GD Mitglieder hat es sich noch deutlicher in diese Richtung entwickelt. Am wichtigsten sind bei uns die Songs. Ein guter Song gewürzt mit einer Prise Prog, Art, Hardrock und Alternative hat gute Chancen, ein Dawnation Song zu werden :-)

Wolltet ihr euch mit der Namensänderung vom bisherigen eher auf Hardrock der 70’er/80’er Jahre basierenden Stil absetzen?

(Jan): Nein, das war nicht der Grund, so sehen wir das nicht. „Glistening Dawn“ gab es nicht mehr, „Dawnation“ ist eine andere Band. Persönlich haben wir uns eben auch verändert, sind gereift, haben Familien… Wir wollten einen Neuanfang, zumal die Positionen Bass und Drums ja auch neu besetzt wurden.

(Christoph): Bert wollte aber trotzdem einen Bezug zu „Glistening Dawn“ beibehalten. Und nach langem Ringen haben wir uns dann auf „Dawnation“ geeinigt

Welche musikalischen Idole habt ihr und wie sehr fließen diese Einflüsse in eure Musik?

(Christoph): Ich persönlich komme eher aus der Classikrock- und Heavy Metal-Ecke. Aber natürlich kann ich auch mit den Prog-Helden was anfangen (die alten Genesis, Yes, Rush usw.). Niemand ist frei von Einflüssen und natürlich fließen die auch in die eigene Musik.

(Bert): Ich bin da ziemlich offen und lasse auch mich auch gern von Alternative, Indie und Pop beeinflussen. The National, Archive, The War on Drugs und vieles, was so auf dem Berliner Radio Sender Radio Eins läuft. Der Strophenpart von „Between“ ist tatsächlich von Lana Del Ray beeinflusst. Aber ich bin auch großer Toto, Genesis, Peter Gabriel und Deep Purple Fan. Aus der Progseite haben mich die frühen Spocks Beard und Porcupine Tree sehr beeindruckt.

Besitzt ihr eine musikalische Ausbildung oder seid ihr Autodidakten an euren Instrumenten?

(Bert): Christoph und ich hatten Musikschule und arbeiten auch als Honorarmusiklehrer, ebenso Damian, der eine langjährige Ausbildung und Weiterbildung als Drummer hatte. Jan ist Autodidakt und bei Röbi weiß ich es gar nicht, obwohl ich ihn schon lange kenne und mit ihm Musik mache...:-)

Bert, du hast beim Auftritt einige klassische Motive bei deinen Soli in die Musik gebracht. Wieviel bedeutet dir die Musik der großen Komponisten wie Beethoven, Mozart & Co.?

(Bert): Naja, letztendlich basiert ja alle Popmusik auf „Für Elise“ oder nicht? :-) Aber im Ernst, ich bin Bewunderer klassischer Komponisten, besonders Bach, wenngleich ich weit davon entfernt bin, ein großer Klassikfan oder gar Kenner zu sein.

Wie entstehen eure Stücke? Werden sie gemeinsam im Probenraum entwickelt oder werden Teile bzw. ganze Songs schon von einem komponiert und ggf. im Team ausgearbeitet?

(Bert): Sowohl, als auch. Einiges, wie „Don´t Bother“ oder „Deception“ waren ziemlich komplett fertig, anderes, wie „Fall“ oder „Fly“ existierten als Instrumentals mit Textfragmenten, das haben wir dann komplettiert. Und wieder anderes, wie „Rise“, „Time“, „Between“ oder „Worthless“ sind während des Aufnahmeprozesses entstanden.

Mit dem Opener „Don’t Bother Me“ geht es auf eurem Debütalbum recht rockig fast im Hardrock-Stil los. Das ist aber nicht beispielhaft für das ganze Album und euren aktuellen Stil. Stellt der Song quasi einen Übergang von Glistening Dawn zu Dawnation dar?

(Christoph): „Don’t Bother...“  hatte ich schon komplett fertig inklusive Text. Vielleicht fällt er deswegen etwas aus dem Rahmen. Was ich persönlich übrigens gar nicht so sehe. Wir haben da nur noch ein bisschen dran rumgeschnippelt und fertig war der Opener des ersten Albums.

    

Auf dem neuen Album „… Well For The Past“ habt ihr mit „Time“ und „Fly“ zwei absolute Ohrwürmer eingespielt, die sicherlich zu Livefavoriten der Fans werden. Hat es euch überrascht, dass gerade diese Stücke so gut bei den Musikfans ankommen?

(Jan): Also, für mich persönlich ist es immer überraschend, wenn es Menschen gibt, die unsere Songs mögen und von ihnen angesprochen werden. Gerade gestern hat mir ein guter Bekannter aus Berlin ein Feedback zur Platte gegeben und gemeint „Deception“ hole ihn sehr ab. Aber auch er fand „Fly“ sehr geil, „Holes“ im Übrigen auch. Ohne jetzt mit Pathos zu schmeißen, ich bin immer sehr dankbar, wenn unsere Musik gemocht wird. Kritik nehme ich dabei immer als konstruktiv wahr. Letztendlich sehe ich das auch als Lob und Anerkennung unserer Arbeit.

(Bert): „Time“ hat sich schon bei der Aufnahme fast von selbst produziert und ist auch erst während des Aufnahmeprozesses entstanden. Es ist auch der Song mit den wenigsten Trackspuren, simpel und catchy. Und grandios gesungen von Jan, finde ich :-). Der Refrain „Fly“ geisterte schon seit 12 Jahren in meinem Kopf herum, aber allein ohne Band war ich schlicht nicht imstande, etwas draus zu machen. Umso mehr ist mir bewusst, wie wichtig es für mich ist, als Team in einer Band zu arbeiten. Der Song ist jetzt richtig gut geworden, die perfekte Mischung aus Prog, Pop und Artrock.

Könnte „Fly“ der Song werden der „Roses“ für RPWL ist?

(Jan): Wer weiß…  ;-),

(Bert): Ich gestehe, dass ich „Roses“ von RPWL für ein absolutes Meisterwerk halte. Besser geht’s eigentlich nicht und ich verstehe nicht, warum es kein Welthit, wie Songs von Coldplay oder U2 geworden ist. Der gehört in jedes Radio und du kannst ihn auch auf ‘ner Indie Disko spielen. Und, ja, er diente durchaus als Vorbild für „Fly“ und dessen Produktion. Und live funktioniert er auch wunderbar. Könnte unsere Hymne werden :-). Und wir haben den Refrain auch schon beim Debütalbum am Ende von „Lovely Child“ benutzt

Gibt es einen Song, der euch besonders am Herzen liegt?

(Jan): Ich kann nur für mich sprechen: Ich höre mir das Album von vorne bis hinten an und mag keine Favoriten benennen. Ich meine, sie sind schon unterschiedlich und daher will und kann ich auch keinen „Lieblingssong“ wählen. Aber ich finde es immer sehr interessant, was die Hörer dazu sagen, welche Songs sie favorisieren.

(Bert): Mir liegt „Between“ sehr am Herzen, da er eine völlig neue Facette der Band zeigt, wunderbar eingesungen ist und Potential hat, bei einem breiten Mainstream Publikum anzukommen (glaube ich zumindest :-)), es wird auch unsere nächste Single sein und im Herbst mit einem Video veröffentlicht werden. Ein weiterer Lieblingssong von mir ist „Fall“, der Abschlusssong des Albums, da er auch so ganz anders ist, einen Wahnsinns Groove hat und mit einem wunderschönen Gitarrensolo von Christoph aufwartet.

Das Coverartwork von „… Well For The Past“ sieht recht düster aus. Wie ist es entstanden und welche Bedeutung hat es?

(Jan) Wir haben uns beim Debütalbum mit dem Artwork beschäftigt und sind dabei zufällig auf „Josi“ (TFJ Rauch), einen Neubrandenburger Künstler getroffen. Der stellte uns dankenswerterweise eines seiner Werke für’s Cover zur Verfügung. Wir wollten unsere Musik mit anderen künstlerischen Ausdrucksmedien zusammenfügen, quasi nach dem Motto: Kunst unterstützt Kunst. Nun ja, so in etwa…

Auch beim zweiten Album wollten wir so verfahren und recherchierten in der hiesigen Kunstszene. Berti wurde dann auf Reinhard Gräfe aufmerksam, wir nahmen Kontakt auf, besuchten ihn und erhielten von ihm die Erlaubnis, eins seiner Bilder als Plattencover zu nutzen (der Mann und den kleinen Jungen). Unser Drummer Damian machte beim Videodreh zu „Holes“ ein tolles Foto von der Location, dem Gang, in dem wir drehten. Conni Salamon, eine Grafikerin aus der Region, fügte dann beides zum Cover zusammen, was ihr – wie ich finde – sehr gut gelungen ist. Den Namen für das Album haben wird Gräfes Bildtitel „Das verheißt nichts Gutes für die Vergangenheit“ entliehen, da wir Wortspiele sehr mögen.

Plant ihr in naher Zukunft weitere Auftritte?

(Jan): Ja, definitiv!

Natürlich müssen wir schauen, dass wir das familiär, beruflich und mit anderen Engagements in Einklang bringen können, denn wir spielen auch noch in weiteren Bands. Aber grundsätzlich ist es ja auch so, dass jeder Musikschaffende mehr oder weniger live auftreten will. Für 2024 stehen da schon einige Sachen auf dem Plan. Aber auch in diesem Jahr werden wir noch live spielen, u.a. am 01.12. in unserer Heimatstadt Neubrandenburg, worauf wir uns schon sehr freuen.

 

 

Stephan Schelle, August 2023

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