Im
Jahr 1978 sangen Kraftwerk auf ihrem grandiosen Album „Die
Mensch-Maschine“: „Wir sind die Roboter .... Jetzt woll’n wir
tanzen: Me’kanik …“. Ende 2020, also 42 Jahre später, veröffentlicht
der im Jahr 1960 geborene Münchner Anton Zinkl auf seinem neuesten Album
„Tanzmusik für Roboter“. Seit 1994 erschienen zehn Alben mit
progressiver Kammermusik von Zinkl, sein neuestes Werk ist die Nummer elf.
Wenn man sich die Namen der Interpreten, die er in den 70’er Jahren gehört
hat wie Uriah Heep, Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin, Jethro Tull,
Genesis, Yes, ELP, Van der Graaf Generator, King Crimson, Gentle Giant,
Steely Dan, Gustav Mahler, England, Kate Bush, UK und Claude Debussy
ansieht, findet man allerdings keine Interpreten der „klassichen“
Elektronikmusik.
Anton,
du machst seit mehr als 25 Jahren Musik. Wie bist du zur Musik gekommen
und wie würdest du sie selbst beschreiben?
Musik hat mich seit meinen
ersten Teenagerjahren intensiv begleitet – im Nachhinein empfinde ich es
als eine wunderbare Entdeckungsreise, vom Einfachen hin zum Komplexen,
beginnend mit Slade, bis hin zu den progressiven Großmeistern wie Gentle
Giant und King Crimson. Ich wurde zum begeisterten Schallplattensammler,
dabei hat mich das Ungewöhnliche und Unerwartete immer mehr angezogen.
Mit 14 bearbeitete ich eine
Farfisa Heimorgel und fühlte mich wie Keith Emerson. Ich nahm komische
kurze Stücke auf Tonband auf. Aber erst Ende der 80er Jahre war ich
wirklich angetriggert von den (aus heutiger Sicht sehr limitierten)
Samplingmöglichkeiten des Korg M1 Keyboards. Ich begann damit intensiv zu
komponieren. Ein paar Jahre später erwarb ich die Urversion der Software
Cubase – mit Miditechnologie und einem sehr langsamen Mac-Rechner konnte
ich endlich komplexere Strukturen zusammenstellen.
Als Grafik-Designer für
CD-Covers bekam ich Kontakt mit Christoph Bühring-Uhle (BSC Music) und er
unterstützte mich, dass ich 1994 mein erstes CD-Album veröffentlichen
konnte.
Ich musiziere mit rein
elektronischen Mitteln, arbeite seit 20 Jahren ausschließlich mit
virtuellen Synthesizern. Als „klassischen“ Elektronikmusiker habe ich
mich trotzdem nie gesehen. Ich kenne natürlich Tangerine Dream, Klaus
Schulze und ein paar Kraftwerk-Hits, habe das aber im Vergleich zum
Progressive Rock nie mit Begeisterung gehört. Steely Dan hat mich
dagegen, was Melodieführung und Gebrauch ungewöhnlicher Harmoniefolgen
betrifft, so richtig geflasht.
Meine Musik sind „merkwürdige“
Stücke einer progressiven Rockband, deren virtuose Mitglieder als
unsichtbare Geister im Rechner wirken – so sehe ich das. Okay, beim
aktuellen Album sind die Musiker wohl Maschinenmenschen.
Du
hast gerade mit „Tanzmusik für Roboter“ Ende 2020 ein neues Album
herausgebracht. Das Erste, was auch schon beim Cover und dem Titel
assoziiert wird, ist die Nähe zu der Düsseldorfer Elektroniklegende
Kraftwerk. Wie stehst du selbst zu der Musik von Kraftwerk?
Man könnte nun meinen, ich
sei ein großer Kraftwerkfan. Tatsächlich bin ich aber ein großer Fan
von Science Fiction und das Thema „Roboter“ hat mich schon immer
fasziniert. Nachdem auf meinem letzten Album „Kinder der Nacht“ ein
waschechter Bariton ziemlich dramatisch meine deutschen Gedichte sang,
hatte ich erneut Lust auf Gesang. Wenn ich selber singe, schmerzt mir das
allerdings in den Ohren. Daher verband ich meine Roboterliebe mit meiner
Stimme und experimentierte erstmals mit Vocodersoftware. Das hat großen
Spaß gemacht – dass ich damit einen Bezug zum kraftwerk’schen
Roboterlied herstellen würde, war mir zwar bewusst, aber diese
klassischen Robotvoices gab es ja öfters in Musik und Film, zum Beispiel
in Kubricks „2001- Odysee im Weltraum“.
Du
schreibst also auch Gedichte. Sind das Texte, die du auch vertonen willst,
oder stehen die allein für sich?
Damit meinte ich die
Songtexte. Lyrics denke ich mir nur aus, wenn ich in die Musikstücke
Gesang einbauen will. Das ist ja bisher relativ selten geschehen: In der
Zusammenarbeit mit Alkimia Lux auf dem Album „Underwater“, für den
Bariton und eben nun, für die Maschinenstimmen.
Was mir wirklich wichtig
war: diese Stimmverzerrungen in komplexe musikalische Strukturen
einzubinden, die sich nicht zwingend beim ersten Anhören gleich erschließen
müssen. Ich wollte viel Rhythmus, aber ich wollte es auch bizarr und
„maschinenkalt“, durchaus tanzbar, aber auch befremdlich. Eine mögliche
Nähe zu Schönbergs Zwölftonmusik ist mir manchmal durchaus willkommen,
das ist wohl der größte Unterschied zu den Düsseldorfern.
2001 entstand mein rein
instrumentales Album „Dance Music for Insects“. 20 Jahre später
wollte ich die Roboter tanzen (und sprechen) lassen.
Ich
muss gestehen, dass ich beim reinen Hören des Albums auch nicht alle
Texte verstanden habe. Da ist es hilfreich, dass du sie im sechsseitigen
Digipack abgedruckt hast.
Ich verstehe oft bei
deutscher Rockmusik die Texte nicht, sogar manchmal bei Reinhard Mey‘s
Liedern und bei Grönemeyer sowieso. Daher wollte ich schon, dass man die
Texte so gut wie möglich verstehen kann, aber das ist beim Einsatz von
Vocodereffekten gar nicht so leicht. Ich habe daher bewusst bei den
Stimmen die Untergrundsounds stark zurückgenommen, um die Verständlichkeit
zu steigern. Ja, das ist schon der Nachteil, wenn man die Lieder nur über
Streamingportale hört, man bekommt keine Songtexte mitgeliefert.