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Teil 1 des EROC-Interviews

 

Stephan: Im Booklet der CD "Wolkenreisen" war zu lesen, daß Du eine ganze Reihe von Instrumenten spielst (Piano, Gitarre, Baß, Akkordeon, Mellotron, Synthesizer, Schlagzeug). Wie hast Du denn überhaupt angefangen Musik zu machen?

Eroc: Ja, das ist ein weit gestecktes Feld. Also grundsätzlich ist zu sagen, daß man in der Szene der Popularmusik sehr viele frustrierte Schlagzeuger gefunden hat. Bestes Beispiel: Phil Collins, dem hat das Trommeln auch nicht gereicht. Oder Udo Lindenberg. Ich habe eigentlich angefangen als Bassist 1965, weil niemand wußte was ein Bassist ist. Das waren immer abgespeckte Gitarristen, die hatten nur vier Drähte auf der Gitarre. Die waren zwar dicker, aber es waren trotzdem nur vier. Und die machten irgendwelche tiefen Töne. Die gehörten in die Musik rein, aber mit Musik hatte das nichts zu tun. Deswegen habe ich mich dieser Sache mal angenommen und mir so’n Ding gekauft und probiert. Und es war schauerlich. Man kriegte nach drei Tagen Üben sofort Blasen an den Fingern und was vernünftiges hören konnte man nicht. Und ein vernünftiges Lied konnte man auch nicht drauf spielen. Es gab nur ein Lied was ich damals spielen konnte, das hieß: "Mr. Bassman". (Eroc führt das Lied stimmlich vor) Das hab ich dann geübt, aber mehr war da auch nicht drin. Dann habe ich damals natürlich auch Bands Live und übers Fernsehen gesehen. Was mich immer mehr beeindruckt hat, war die Trommel. Damals gab’s einen Schlagzeuger der hieß Keith Moon. Das war einer der göttlichsten Artisten am Schlagzeug. Damals gab’s einen Trommler, den möchte ich nach wie vor als Trommler bezeichnen, der hieß Ginger Baker. Der war sowas von phantastisch, ich hatte nur noch Tränen in den Augen, als ich das gesehen habe. Und das ist natürlich für einen kleinen Jungen, der auf der Schule ist und irgendwie auch mit den Kameraden mithalten will das attraktivste, ein Paar dicke Trommeln aufzubauen und draufzuhauen. Und da habe ich mich dann sehr angestrengt. Ich hab dann also zusammengespart für ein gebrauchtes Schlagzeug und hab mir das richtig draufgeschafft. Hab nächte-, tage-, wochen-, jahrelang geübt, bis ich’s gut konnte. Und gute Schlagzeuger waren ja auch gefragt. Und da hat sich das halt so ergeben, daß ich bei den Trommeln geblieben bin. Hab dann aber später - relativ später - also eigentlich schon nach zwei, drei Jahren entdeckt, daß das Schlagzeug überhaupt kein Instrument in dem Sinne ist. Man kann nämlich auf jeder dreckigen Wandergitarre ein Lied spielen, aber nicht auf’m Schlagzeug. Beim Schlagzeug braucht man immer einen der mitspielt. Und da hab ich mir natürlich dann auch - Baß hatte ich ja noch, Gitarre hatte ich irgendwo her - auch diese Instrumente ein bißchen zur Brust genommen. Und versucht, auch kreativ Lieder, Harmonien, Gefühle, Klänge zu machen, was auf’m Schlagzeug nicht möglich war. Und hab das daneben immer weiter forciert. Hab also mit Instrumenten experimentiert, rumkomponiert, gespielt, neben dem Schlagzeug. Und es hat sich eigentlich zweigleisig entwickelt. Die Instrumente mehr im privaten Bereich und das Schlagzeug im sogenannten professionellen Bereich bei der Band. Obwohl, es gab eine Zeit bei GROBSCHNITT im Anfang, da hab ich bei "Solar Music" auch Keyboard gespielt. Schlagzeug und Keyboards gleichzeitig. Da haben wir mit zwei Keyboardern gespielt und ich hatte spezielle selbst gebaute Synthesizer. Mit den Füßen lief die Baßtrommel und das Hi-Hat und mit den Händen habe ich mich umgedreht und Sounds gemacht. Das wissen die wenigsten noch, aber es ist durch Mitschnitte sogar dokumentiert.

Stephan: Du hast Dir also alles autodidaktisch beigebracht?

Eroc: Meine Erfahrung nach 25 Jahren im Tonstudiobereich hat ergeben, daß gelernte Musiker in vielen Fällen leider Fachidioten sind. Ich hab mit brillanten Musikern zusammengearbeitet. Mit Musikern zum Beispiel aus der Jazz-Szene aus der Richtung Miles Davis, mit Musikern aus der Rock-Szene sowieso, mit Musikern aus der Theater- und Konzert-Szene, Geiger, Violinisten. Der letzte war Paul ..... , ein phantastischer Flötist aus England. Das sind zum Teil alles Leute, den Paul will ich jetzt ausnehmen, die ihr Handwerk unglaublich beherrschen. Du schreibst denen eine Note auf und die spielen die vom Blatt, die spielen die gerade. Du schreibst denen drei Noten hintereinander, schreibst fis, gis, cis, Klaus 7, das spielen die dir sofort runter. Und wenn du dann sagst, interpretiere das doch mal ein bißchen, bring mal die eigene Note rein, mach die Melodie doch mal ein bißchen anders, daß sie ein bißchen mehr ausdrückt, dann können die das nicht. Dann stehen die da, "Ja was denn? Ja welche Note? Ja wie denn? Ja wie lang soll ich die Note denn dann spielen?" "Nein, spiel mal frei, spiel mal richtig frei." "Ja Moment, was heißt frei? Nur zur Hälfte an die Noten halten, oder soll ich ...?" Das kommt daher, daß wenn man wirklich perfekt werden will auf einem Instrument, man ein Übungspensum hinlegen muß, das also vier bis acht Stunden pro Tag als das Mindeste voraussetzt. Wer soviel übt, der wird natürlich gut, der wird ein phantastischer Handwerker, aber die Kreativität bleibt in vielen Fällen auf der Strecke. Deswegen - also die Erfahrung habe ich gemacht - alleine meine Zusammenarbeit mit Phillip Boa zum Beispiel. Phillip Boa ist, möchte ich nicht sagen ein bedienter Handwerker auf einem Instrument, aber er war kreativ. Er hat also, eben auch aus der Unwissenheit heraus, aus der musikalischen Unwissenheit heraus, geniale Sachen gemacht. Bei einem Stück zum Beispiel kam er an mit irgendwelchen Gitarrenriffs, die er spielte und legte Dur und Moll gleichzeitig übereinander. Es darf nicht funktionieren, aber es hatte was und wir haben es so gemacht. Deswegen bin ich immer der Meinung gewesen, wer musikalisch - also handwerklich - sehr gebildet ist, ist sehr oft kreativ auf der Schattenseite. Und ich hab viel lieber mit Musikern zusammengearbeitet, die auf ihrem Instrument nicht die Virtuosen waren, aber wirklich originelle eigene Sachen gebracht haben. Und bei mir war das so, daß ich also das Handwerk nicht oder überhaupt nie gelernt habe, da man a) für Schlagzeug sowieso mit Noten nicht weit kommt und b) da ich auch immer zu wenig Interesse dazu hatte und zu faul war einfach Noten zu üben. In ‘ner Band brauchte man das nicht. Wenn man mit ein Paar Freunden Musik gemacht hat, hat man sich abgesprochen. Spielst du g, c, f, fertig, hattest du deine Harmonien, brauchtest du keine Noten für. Und die Melodien so im Kopf behalten usw. Bei GROBSCHNITT konnte nie einer Noten. Es ist alles aus dem Kopf entstanden, aus dem Kopf gespielt worden. Und Noten? Nein, gelernter Musiker war ich nie.

Stephan: Was bedeutet denn Eroc überhaupt? Das könnte man als Abkürzung für Ehrig-Rock oder Elektronik-Rock oder was sonst verstehen.

Eroc: Nöö. Soll ich es Dir ganz ehrlich sagen?

Stephan: Na klar.

Eroc: Ja, ich heiß ja eigentlich Ehrig mit Hausnamen. Und das ist für die Westfalen schon mal undenkbar, weil die Westfalen müssen immer den Ehring dareinbringen. Du kannst 20 mal aufs Amt gehen und sagen, "Guten Tag, Ehrig mein Name." die schreiben Ehring, schreiben die einfach hier. Weil in Westfalen gibt’s nur Ehring und Ehringshausen und fertig. Gut, es hat ja jeder seinen Spitznamen. In der Schule hattest Du ja einen Spitznamen und ich einen Spitznamen und jeder hatte einen Spitznamen. Und in der Beatzeit, hieß ich nun mal Eric. Wie Eric Burdon oder sowas, ist klar. Da hatte jeder einen englischen Spitznamen. Gut, Eric klingt ja schon fast so wie Eroc, aber nicht ganz. Das Geheimnis hinter der Geschichte ist, daß wir in einer Schulaula geübt haben, viele Jahre lang. Und dort hat uns der Hausmeister immer das Mädchenklo aufgeschlossen – abends – das wir dann auch mal, nicht immer draußen in die Büsche gehen mußten. Und auf dem Klo hingen so wunderschöne Lampen über den Spiegeln. Die Lampen einer lüdenscheider Lampenfabrik namens ERCO. Die Lampenfirma gibt’s heute noch. Und ich fand die Schilder so schön. Ich hab die abgeknibbelt und hab die auf mein Schlagzeug geklebt (lacht). Und dann stand auf dem Schlagzeug ERCO. Folglich nannte mich Toni Moff Mollo ab damals nur noch Erco. Und Erco ist mein alter Spitzname bei GROBSCHNITT. Und irgend jemand, ich glaub es war Wildschwein, der kannte mich ja noch als Eric, der hat das dann umgedreht und hat dann Eroc draus gemacht. Weil da ERCO stand, hat er Eroc draus gemacht. Das war dann so’n Schimpfwort.

 

Eroc

Eroc-Interview Teil 2