Transatlantic   L i v e
Live Music Hall, Köln 08.05.2010
   

Die Live Music Hall ist an diesem für rheinische Verhältnisse kühlen Frühlingsabend ausverkauft, eine Abendkasse gibt es nicht mehr. Das heißt, dass sich gut 1500 Fans eingefunden haben, um nach der Tour 2001 wieder dabei zu sein. Schön, dass progressive Musik so viele Leute anlockt!

 

Aber die Besetzung von Transatlantic ist ja auch nicht zu verachten: Neben Neal Morse (Ex Spocks Beard), Mike Portnoy (Dream Theater), Pete Trawavas (Marillion) und Roine Stolt (Flower Kings) unterstützt kein Geringerer als Daniel Gildenlöw von Pain of Salvation diese „Supergroup des Prog“. Ungewöhnlich ist auch die Auftrittszeit: der Veranstalter weist darauf hin, dass pünktlich um 19:15 Uhr begonnen wird und das Konzert inklusive einer 15-minütigen Pause um 22:30 Uhr endet. Doch bereits vor 19:10 Uhr ertönt das Intro von „Whirlwind“ und die Band zelebriert ihren Einzug unter tosendem Applaus. Dann geht es los.

 

 

Vorweg schicken möchte ich an dieser Stelle, dass ich auch nach mehreren Durchläufen immer noch nicht richtig warm geworden bin mit diesem fast 80-minütigen Werk. Nennt mich einen Banausen, aber mich packt an einigen Stellen einfach die Ungeduld und ich will reinrufen: „Jetzt kommt doch endlich mal zur Sache!!“ Was Letzteres angeht, kann ich mich an diesem Abend aber nicht beschweren. Morse und Portnoy, die links und rechts die Bühne flankieren, harmonieren prächtig und werfen sich die Bälle – pardon, die Noten – nur so zu. Angesichts der vertrackten Musik ist es immer wieder erstaunlich, wie spielerisch Morse über die Tasten gleitet. Portnoy, der gerne auch mal im Stehen spielt oder einarmig, sich prächtig mit dem Publikum oder seinen Roadies unterhält, ist einfach nur unglaublich. Nach menschlichem Ermessen muss der Mann mindestens ein weiteres Paar Arme haben.

 

Stolt zeigt ausführlich, was er an der Gitarre alles kann und bildet mit Trewavas, der sichtlich Spaß am Spielen hat und wie ein Derwisch über die Bühne hüpft, das Zentrum. Etwas ungünstig platziert ist Gildenlöw, der im hinteren zentralen Bereich zudem noch von Keyboard und Akustikgitarre regelrecht eingekeilt ist. Das hindert ihn aber nicht daran, körperlich wie musikalisch ebenfalls alles zu geben.

 

 

Die Darbietung von „The Whirlwind“ ist wirklich hervorragend, neben der instrumentalen Darbietung ist auch der abwechslungsreiche Gesang hervorzuheben: Neben den Solostimmen, sind es mal Morse und Portnoy, mal Stolt und Trewavas, die gemeinsam singen oder alle zusammen mit Unterstützung von Gildenlöw einen „Knabenchor“ der besonderen Art bilden. Leider machen dann doch nicht alle mit: Vermutlich aufgrund der Hitze entscheidet sich Morses Macbook zu streiken. Es dampft zwar nicht ab, aber dennoch stürzt es dermaßen ab, dass Morse sich mit nur einem Keyboard zufrieden geben muss. Die Pause nach „The Whirlwind“ haben sich Mensch und Technik wahrlich verdient!

 

Der zweite Teil ist also den Klassikern vorbehalten. Mit „All Of The Above“ vom Debüt „Smtpe“ legt die Band los. Und Morses Mac hängt sich zum zweiten Mal auf. Das hindert Morse aber nicht daran, locker-flockig mit Keyboard Nr. 2 weiterzuspielen, seine Scherze mit der Band zu machen, mit dem Publikum zu kommunizieren, sich mit seinem Techniker zu unterhalten und auch noch dabei zu singen. Nicht alles auf einmal aber mit einer absolut bewundernswerten Ruhe. Nicht einmal ansatzweise scheint er sauer zu sein. Hut ab!

 

 

Nach dem doch sehr verfrickelten Beginn zaubern dann Stolt und Morse mit seiner 12-String-Gitarre einen wunderschönen Klangteppich, der in „We All Need Some Light Now“ übergeht. Gänsehaut in der Schwitzhütte Live Music Hall! Und weil dieses tolle Stück dann unterm Strich doch recht kurz ist, geht es gleich weiter mit „Duel With The Devil“, dem Opener des Meilensteins „Bridge Across Forever“. Als es wirklich drauf ankommt, funktioniert auch Morses Macbook wieder, das mittlerweile Kühlung von einem Ventilator bekommt.

 

Nach dem ebenfalls sehr schönen „Bridge Across Forever“ lassen es Transatlantic dann mit „Stranger In Your Soul“ noch einmal so richtig krachen. Auch Gildenlöw hält jetzt nichts mehr in seinem „Gefängnis“, er rockt mit den anderen einfach nur ab. Abschließend gönnt sich Mike Portnoy noch ein Bad in der Menge und lässt sich von den Zuschauern tragen, während Morse Schlagzeug spielt und Gildenlöw Morses Keyboards erobert hat. Gekrönt wird die Session von einer außerordentlichen Gesangsdarbietung der Herren Portnoy und Gildenlöw, die zusammen „Hugha-Tschaka, Hugha-Tschaka“ ins Mikrofon brüllen und dabei einen Heidenspaß haben. Die Stimmung ausgelassen zu nennen, wäre eine gelinde Untertreibung! Nach fast drei Stunden ist Schluss, ein bemerkenswerter Abend geht zu Ende und alle hoffen, dass es nicht wieder fast ein Jahrzehnt bis zum nächsten Konzert dauert.

 

 

Draußen warten schon die nächsten Besucher – Samstagsabends ist nämlich Freibierfete von 22-24 Uhr in der Halle, die Schlange reicht gut 200 Meter die Straße runter. Wären sie doch mal ein bisschen eher gekommen…

 

Hubertus Becker, 09.05.2010

 

Eine kurze Anmerkung zur Live Music Hall: Die alte Industriehalle hat eine sehr ansprechende Atmosphäre zu bieten. Allerdings ist in einem ausverkauften Haus wirklich kein Platz mehr (das vom Veranstalter angegebene Fassungsvermögen beträgt 1.800 Personen). Alleine der Gang zum Merchandising-Stand ist eine Tortur. Schlimmer noch die „Toiletten“: Wer einen empfindlichen Magen hat oder leicht Herpes bekommt, wenn er/sie etwas Ekelhaftes sieht, sollte sich den Gang dorthin im wahrsten Sinne des Wortes verkneifen. Ich weiß absolut nicht, wie ein solcher Auftrittsort sich eine dermaßen versiffte Latrine leisten kann.