Der Fokus am ersten
Festivaltag des Artrockfestivals lag deutlich im Art- und Neo-Prog -Bereich.
Die drei Tage waren geprägt von nahbaren Musikern und tollen Gesprächen,
da sich alle Beteiligten nach ihren Konzerten im Foyer den Fragen, Selfie-
und Autogrammwünschen in sehr entspannter Atmosphäre stellten. Unter den
Besuchern waren auch Bandmitglieder von Gruppen, die letztes Jahr auf der Bühne
standen. So gaben sich die Musiker von Emerald Lies, der Keyboarder von TAP
und der Gitarrist von Dawnation die Ehre und fachsimpelten ebenso mit vielen
Besuchern. Leider waren am ersten Tag nicht so viele Besucher wie erwartet
im Neuberinhaus und so verpassten viele vier eindrucksvolle Konzerte.
Positiv zu bemerken ist auch der gute Sound im Raum sowie die kurzen
Umbaupausen, die den Tag sehr kurzweilig machten.
Flying Circus ist eine
bereits 1990 gegründete Rockband aus Grevenbroich, die Hardrock,
Progressivrock, AOR, 70’er Jahre Rock etc. miteinander verbindet. Der
Bandname ist auf Monty Python’s Flying Circus zurückzuführen. Michael
Dorp hatte in ihrer Gründungsphase aus dem British Council in Köln nach
und nach alle VHS-Cassetten mit der TV-Serie ausgeliehen, und ihr Ur-Drummer
Falco Kurtz war auch ein großer Fan.
Lange ist die Band unter
dem Radar der Musikfreunde geflogen, was sich aber hoffentlich jetzt ändert,
denn sie sind live präsent und haben zahlreiche Alben veröffentlicht,
zuletzt im Jahr 2023 den Livemittschnitt „Live im Roten Krokodil“, das
ich jedem Rockfan wärmstens ans Herz lege.
Im
November 2023 sind sie zusammen mit der deutschen Progrockformation
Chandelier auf eine Doppel-Headliner-Tour gegangen und überzeugten ihr
Publikum auf ganzer Linie. Jetzt haben sie – wieder zusammen mit
Chandelier – einen Auftritt am ersten Tag des Artrockfestivals hingelegt.
Und als Opener für solch ein Festival sind sie bestens geeignet, denn sie
rocken richtig los und bringen das Publikum schnell auf Betriebstemperatur.
So schafften sie das auch am Eröffnungstag im Neuberinhaus.
In Reichenbach standen
Michael Dorp (Gesang, Perkussion), Michael Rick (Gitarre), Rüdiger Blömer
(Keyboards, Geige), Roger Weitz (Bass) und Ande Roderigo (Schlagzeug,
Gesang) auf der Bühne.
Die
Band zündete sofort ein Rockfeuerwerk, das eine Mischung aus Hard- und
Artrock präsentierte. Die Setlist war bis auf einen Song mit der identisch,
die sie auch auf der letztjährigen Double-Headliner-Tour mit Chandelier
gespielt hatten.
Flying
Circus starteten ihr Set mit dem Song „The World Is Mine“ (vom
„Forth“-Album). Flächige und teils orientalisch anmutende
Keyboardsounds leiteten in diesen Track, der sich dann nach einigen Momenten
aber in einen kraftvollen Rocksong der Marke Led Zeppelin verwandelte. Das
war ein toller Einstieg und zeigte den Besuchern, die die Band bisher nicht
kannten, in welche Richtung das Konzert gehen würde. Dem schloss sich dann
ein furioses „Fire (I Wanna Go)“ an.
Im
Anschluss gab es dann mit „More Than One“, „No Way Back” und
„Voices In The Rain” drei Songs vom Konzeptalbum „Starlight
Clearing“. „More Than One“ präsentierte sich in einer Mischung aus
Prog und Folk. Garniert wurde der Track von einem jazzigen Keyboardsolo von
Rüdiger Blömer. Im Song „No Way Back“ griff Rüdiger Blömer dann auch
erstmals zu seiner Violine, die dem Song eine ganz besondere Note verlieh.
Musikalisch präsentierte sich der Song in einer Mischung aus White Stripes
und Led Zeppelin sowie weiteren Elementen. In der zweiten Hälfte kam dann
ein leicht psychedelischer Part auf und Rüdiger steuerte darüber hinaus
ein weiteres Keyboardsolo bei. Im Song „Voices In The Rain“, das mit
Akustikgitarre begann und ein leichtes Uriah Heep-Feeling verströmte, geht
es um eine fiktive Band und die Probleme, die so ein Rockleben mit sich
bringt.
Das
Stück „Follow The Empress“ ist das Einzige, bei dem Schlagzeuger Ande
Roderigo den Leadgesang übernahm. In dem Song sorgte Michael Rick für ein
sehr schönes Solo auf der Akustikgitarre. Ande Roderigo besitzt eine gute
Gesangsstimme (er sang in den 90ern den Titelsong der RTL-Fußballshow
„Anpfiff“ und gehört zum festen Sänger-Ensemble der RTL-Show
„Let’s Dance“), die dem Song eine besonders, sanfte Note verlieh. Zu
Beginn untermalten Akustikgitarre und Bass den Gesang. Nach einigen Momenten
stiegen alle mit ihren Instrumenten in den Song ein und Ande und Michael
kombinierten ihre Stimmen im Refrain. Das war ein wunderschöner, atmosphärischer
Song.
Dann
folgten, beginnend mit dem Stück „Derry“ drei Songs vom Konzeptalbum
„1968“. Bei „Derry“ spielten sich Rüdiger Blömer an der Violine
und Michael Rick an der Akustikgitarre im Stile des Irish Folk die Bälle
zu. Im Song „My Lai“ kamen dann fernöstliche Klänge auf. Auch hatten
sie in diesen Song recht jazzige und vertrackte Parts eingebaut, die mit
Hardrockeinschüben verziert waren. „The Hopes We Had (in 1968)“ wies
dann wieder Spurenelemente von Prog und Psychedelic auf und begann gar mit
einigen funkigen Gitarrenlicks. In der zweiten Hälfte kamen dann herrlich
floydige und an Nektar erinnernde Gitarrensounds im Solo von Michael Rick
auf.
Während „Living A
Lie“ von rhythmischem Klatschen eingeleitet wurde und recht vertrackt
angelegt war, wies „Your Liege Forever“ neben Led-Zeppelin-Feeling auch
eine Spur Neo-Prog der Marke Arena & Co. auf. Michael Rick griff in
diesem Stück zu seiner Doppelhals-Gitarre.
Das kraftvolle „New
York“ mit 70’er Jahre Rock-Flair und markantem Basslauf (Roger Weitz sei
hier erwähnt, der die Stücke von Flying Circus unaufgeregt mit dem
notwendigen Drive perfekt unterstützte) und das Titelstück vom 97’er
„Seasons“-Album beschlossen dann ihr Set. Sie spielten es in einer
absolut treibenden Version mit Led Zeppelin-Flair, bei der Michael zu einer
Darbuka (ein Instrument aus dem nordafrikanisch/arabischen Kulturkreis) und
zum Tamburine griff und sich so zusammen mit Drummer Ande Roderigo ein
treibender, hypnotischer Rhythmus entwickelte, während Rüdiger Blömer
erneut mit seiner Violine nach vorne kam.
Flying Circus waren ein
klasse Opener des Artrockfestivals, die ordentlich einheizten und das
Publikum im Neuberinhaus sofort auf Betriebstemperatur brachte. Sie überzeugten
auf ganzer Linie und haben sich an diesem Tag viele Freunde erspielt. Wer
sie bisher nicht kennt, dem empfehle ich dringend ihr aktuelles Livealbum
„Live im Roten Krokodil“, das sie gegen Porto und eine Spende über ihre
Internetseite herausgeben.
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