F i s h - live
Harmonie, Bonn 23.11.2010
 


    

Der letzte Termin der Live Acoustic Tour in Deutschland und gleichzeitig der einzige in NRW – da lohnt es sich doch, mitten in der Woche ins Rheinland zu fahren. Nach einer ausgiebigen Rundfahrt durch Bonn-Endenich zwecks Parkplatzsuche inklusive schottischem Wetter macht der Anblick der Location direkt Lust auf den Abend: ein schöner Saal, an den Wänden viele Fotos von vergangenen Auftritten und eine Bühne, die sehr spartanisch bestellt ist mit einem Mikrofon, einem Keyboard, zwei Flaschen Wein und noch ein paar Utensilien.

                   

Der Auftritt beginnt fast pünktlich um 20 Uhr, Fish betritt unter dem freundlichen Applaus der mittlerweile sicher 400 Besucher seine Welt und legt sofort los. Ohne Band, dafür mit „Chocolate Frogs“ vom Konzeptalbum „Raingods With Zippos“ eröffnet einen denkwürdigen Abend. Mit einem schelmischen Grinsen bedankt er sich nach dem Song bei Foss Petterson und Frank Usher für die Begleitung, die danach schließlich auch die Bühne betreten. Die drei „F’s“ sind komplett und Fish scheint nicht nur gute Laune zu haben, er ist richtig gut drauf.

    

Dass er gerne Geschichten erzählt zwischen den Liedern (oder manchmal auch Lieder zwischen den Geschichten spielt) weiß jeder, der schon einmal den großen Mann auf der Bühne gesehen hat. An diesem Abend ist aber alles ein wenig anders: Fish hat direkten Kontakt zum Publikum und hört teilweise gar nicht mehr auf zu erzählen. Skurrile Geschichten über seine beiden Lieblingsthemen Frauen und Fußball kombiniert mit seiner Mischung aus Schottisch und Deutsch lassen kein Auge trocken. Vor allem beim Thema England und Fußball redet er sich richtig in Fahrt. Wir erfahren, dass er drei Lieblingsmannschaften hat (seine Heimmannschaft, Schottland und alle Teams, die gegen England spielen) und dass es bei dem nicht gegebenen Tor von England gegen Deutschland eine Flutwarnung gegeben hat, weil sich ganz Schottland bepieselt hat vor Lachen. Die Monologe unterbricht er hin und wieder, um mit seinen beiden Mitstreitern zu scherzen, sich nach dem Zustand ihrer Monitorboxen zu erkundigen („Is your box OK? Mine is fine!“ wird zum Running Gag des Abends), und wenn es Foss und Frank zu viel wird, treffen sich beide und schrauben sich erst mal ein Glas Rotwein rein.

    

Was war noch? Ach ja: Musik. Mit „Incubus“, „Fugazi“, „Slainte Mhath“, „Punch and Judy“ sowie „Incommunicado“ bringt er gleich fünf Werke aus der Marillion-Ära. Aber auch seine Solostücke sind eher alt, drei stammen vom Debüt-Album „Vigil In A Wilderness Of Mirrors“ und von „Suits“ sogar vier. Gerade von dem Album also, das zu den eher weniger beachteten seiner Solokarriere gehört. Sollte man da nicht noch mal ein Ohr drauf werfen?

    

Die Darbietung aller Songs sprüht nur so vor Energie. Selten habe ich Fish so intensiv erlebt, was nicht alleine auf die Nähe zur Bühne zurückzuführen ist. Es hat den Eindruck, dass er es noch einmal richtig wissen will. Besonders intensiv kommt „Vigil“ rüber, bei „Brother 52“ möchte man direkt lostanzen, so groovt es und „Fugazi“ ist sowieso nicht totzukriegen. Getoppt werden aber alle Songs von „Pilgrims Address“, dem Lied, in dem sich ein Soldat an seinen Präsidenten wendet und nach dem Sinn seines Einsatzes fragt. Fish schreit das „Mr. President“ jedes Mal geradezu heraus, und die ruhigen Passagen lassen vor dem inneren Auge diesen Soldaten erscheinen, der tausende von Kilometern von der Heimat in einem Krieg kämpft, den er nicht versteht und den er nicht gewinnen kann. Das war ganz großes Kino!

    

Nicht unerwähnt bleiben soll der Heiratsantrag von Puck an seine Heidi auf der Bühne, so etwas sieht man auf Konzerten ja eher selten. Aber irgendwie passte das in Gesamtbild dieses Abends.

Der Saal hat jedenfalls mehrmals nach Zugaben verlangt und auch bekommen. Nachdem Frank eine Seite gerissen war, gab es als „Rausschmeißer“ noch die ewige Ballade „A Gentleman’s Excuse Me“, ebenfalls sehr intensiv vorgetragen. Richtig gelesen: „Kayleigh“ und „Lavender“ fehlten, aber ich habe sie nicht vermisst.

    

Diesen Auftritt stelle ich persönlich nach wirklich recht vielen Konzerten mit Fish mal auf eine Stufe mit dem Konzert vom Dezember 1991 in Düsseldorf. Wenn der Mann so weiter macht, wird er uns noch einige Jahre erhalten bleiben. Und wenn stimmt, was auf seiner Facebook-Seite steht, wird er wohl bereits im April wieder durch Deutschland touren.

Setlist (Reihenfolge mag nicht ganz richtig sein)

Chocolate Frogs
Just Good Friends
State Of Mind
Somebody Special
Slainte Mhath
Brother 52
Jumpsuite City
Vigil
Punch And Judy
Out Of My Life
Incubus
Lady Let It Lie
Pilgrims Address

Zugaben
Fugazi
Incommunicado
A Gentleman’s Excuse Me

Hubertus Becker, 29.11.2010