Tangerine Dream führten in
der Essener Philharmonie den zweiten Teil ihrer Vertonung zu Dante
Alighieris „Göttlicher Komödie“ aus dem 14. Jahrhundert, die den Titel „Purgatorio“
trägt, live auf. In diesem Teil erzählt der Dichter wie er durch das
Fegefeuer reist und verstorbene Seelen von zumeist bedeutenden
Persönlichkeiten aus der Mythologie bzw. Geschichte trifft. Diese Musik,
die eine Kombination aus Sequenzer orientierter Elektronikmusik, einer
gehörigen Portion Perkussion und klassischen Elementen inkl. arienhaftem
Gesang aufweist, hat vor allem live eine große Faszination.
Edgar und Jerome Froese an
den Keyboards, Thorsten Quaeschning ebenfalls Keyboards und Perkussion,
Iris Camaa (Gesang und Perkussion), Linda Spa (Saxophon und Flöte) sowie
Vincent Novak (Perkussion) sorgten für den vollen Sound auf dem die
Sängerinnen Saskia Klumpp, Barabara Kindermann, Jayney Klimek (man kennt
sie noch von der 80’er Band The Other Ones) Bianca Acquaye und Tatjana
Kouchev ihren in englischer und italienischer Sprache gesungenen Text
vortrugen. Jayney und Tatjana sorgten dabei für einen teils rockigen
Gesangspart (vor allem zum Ende des Konzertes), während vor allem Barabara
(Sopran) und Saskia (Alt) für den opernhaften Part sorgten.
Gleich beim ersten Stück „Above
The Great Dry Land“, das durch hallende Sounds, die mich an ein Höhlenecho
erinnern beginnt, hauten einen die Bässe und Perkussion mächtig um und
gruben sich direkt in die Magengegend. Da merkte man gleich, in dem
Auftritt ist Feuer drin. Auf CD kommen dieser Druck und die Dynamik gar
nicht so rüber. Es sei an dieser Stelle aber gesagt, dass der Sound gut
ausgesteuert und angenehm zu hören war. Es folgte eines meiner Favoriten
der CD „Chasing The Bad Seed“, das von Jayney Klimak und Tatjana Kouchev
gesungen wurde. Auch das von Iris Camaa gesungene „Hope And Glory“ ist
eine Gänsehautnummer.
Iris Camaa ging hinter
ihren Rhythmusinstrumenten wieder richtig ab. Die Frau hat eine Energie,
die man nicht bändigen kann. Das ist absolut ansteckend und es macht
Freude ihr zuzusehen. Am Mikrofon zeigte sich Iris genauso Energie geladen
wie an der Perkussion und agierte sehr gefühlsstark bzw. -betont.
Optisch war das Thema auch
recht gut umgesetzt. Neben Animationen, die über den Musikern auf der
schwarzen Rückwand zu sehen waren, sorgte vor allem die Lightshow für
reichlich Atmosphäre. Da wurde die Bühne beispielsweise in gleißend rotes
Licht gehüllt, so als befänden sich die Akteure direkt im Feuer.
Das Programm bestand aus
dem mehr als zweistündigen Werk, das die Band komplett, ohne Pause,
durchspielte. Die Stücke gingen ineinander über, so dass die Musiker ihren
gerechten Lohn, in Form von „Standing Ovations“, erst am Ende des
Konzertes entgegen nehmen konnten. Aufgrund der Länge des Konzertes gab es
dann leider keine Zugabe mehr.
Tangerine
Dream boten einen absoluten audio-/visuellen Genuss, man stieg förmlich
mit ihnen in diese Unterwelt ab. Obwohl sich die Musik nicht als
bedrohlich und düster herausstellte. Okay, einige Passagen waren schon
etwas bedrückend, aber der Großteil bestand aus sehr rhythmischen und
melodischen Teilen. Mal symphonisch oder rockig und perkussiv, dann wieder
hymnisch, so wechselten sich die Stimmungen ab. Es gab auch einige Längen
in dem Zweistundenakt, wenn beispielsweise die Gesangsparts- vor allem in
der zweiten Hälfte - ausuferten, das kann das Gesamtbild dieses tollen
Events aber nicht schmälern.
Mit anderen
Worten gesagt: „Tangerine Dream live, das ist großes Kino“.
Stephan Schelle, 16.10.2005