Preisverleihung
(Schallwelle-Preis 2023)


    

    

Die Veranstaltung, die Corona bedingt im Jahr 2021 als Liveveranstaltung vor Publikum pausieren musste (sie wurde aber als Livestream über youtube ausgestrahlt), fand im Februar 2023 wieder mit Publikum statt. Entsprechend war der Zuspruch groß und die Veranstaltung komplett ausverkauft. In sieben Kategorien wurden Preise verliehen, zu denen einige der nominierten Musiker persönlich anwesend waren. Aber auch zahlreiche andere Musiker und Labelinhaber waren an diesem Tag vor Ort, um neben der Preisverleihung vor allem auch wieder Kontakte zu den Fans der elektronischen Musik aufzunehmen. Das führte dazu, dass sich zahlreiche Gespräche vor der Veranstaltung und während der Pausen ergaben. Abschließender Höhepunkt war dann die Verleihung des Ehrenpreises für sein Lebenswerk an Joachim Heinz Ehrig, besser bekannt als Eroc. Der Laudator war kein geringerer als Radiolegende Winfrid Trenkler (u. a. Moderator der WDR-Sendungen Rock In und Schwingungen).

    

    

    

Verleihung des Preises Kategorie „Neuling / Newcomer 2022“

Die erste Kategorie war der Preisverleihung des Neulings/Newcomers 2022 gewidmet. In dieser Kategorie waren vier Musiker nominiert, von denen zwei anwesend waren und zwei weitere, aufgrund ihres im Ausland liegenden Wohnortes, nicht kommen konnten.

Der Preis ging nach Spanien an den Künstler Tabilonder, dessen bürgerlicher Name Jorge Agrisuelas Vallés lautet. Er bedankte sich mit einer Videobotschaft bei der Jury. Jorge Agrisuelas Vallés wurde schon früh von der Musik von Vangelis, Jean-Michel Jarre und anderen inspiriert, deren Musik er über Kopfhörer genoss und bei denen in seinem Kopf zu der elektronischen Musik Klangwelten entstanden. Als Erwachsener begann er sich für Techno und die lokale elektronische Musikszene zu interessieren. Als neugieriger Mensch begann er zu erforschen, wie er seine eigenen Sounds kreieren kann, und so entdeckte er die Computerproduktion, zunächst mit Reason, dann mit Cubase und aktuell mit Ableton. Nachdem er eine Zeit lang EDM produziert hatte, beschloss er, Ambient-Musik zu produzieren, da er merkte, dass dies die Musik war, die er am meisten hörte und die ihn wirklich bewegen konnte. Seitdem ist es sein Ziel, Klanglandschaften zu schaffen, die den Hörer genauso bewegen wie ihn selbst, wenn er sie kreiert.

Die weiteren Preisträger waren:

2. Клет
3. Hyrn
4. WEGA

Björn Walde aus Mönchengladbach, der sowohl unter dem Pseudonym Hyrn als auch als Klangzaun seine Musik veröffentlicht sowie der Kölner Alexander Hardt, der als WEGA firmiert, wurden nach der Bekanntgabe des Preises noch dem Publikum vorgestellt.

    

                                  

Verleihung des Preises Kategorie „Der eigene Weg“

Die zweite Kategorie des Schallwelle-Preises hatte die Bezeichnung „Der eigene Weg“. Hier werden Künstler prämiert, die bereits seit Jahren elektronische Musik machen, aber aufgrund der „großen“ Namen nie eine Chance haben, für ihre Musik in den Genuss eines Preises zu kommen. Für diesen Preis müssen sich die Musiker mit der Einsendung eines Stückes, das ihre Musik repräsentiert, bewerben. Aus insgesamt fast 30 Bewerbungen wurden dann die fünf Musiker nominiert. Hier die Rangliste:

1. Jim Ottaway
2. Colin Rayment
3. Mike Hans Steffl
4. Thomas Lemmer
5. Blinky Blinky Computerband

Jim Ottaway wohnt in Australien, daher war es kein Wunder, das er die lange Reise nicht aufnehmen konnte. Er grüßte und bedankte sich aber mit einer Videobotschaft. Die zweit- bis viertplatzierten Musiker waren aber anwesend. Von ihnen hatten der Brite Colin Rayment (aus der Nähe von London) und der Münchner Mike Hans Steffl wohl die weiteste Anreise. Auch Colin Rayment, Mike Hans Steffel und Thomas Lemmer hatten die Möglichkeit sich dem Publikum vorzustellen und erzählten einiges über ihren musikalischen Werdegang.

    

Verleihung des Preises Kategorie „Künstler international“

In der Kategorie „Künstler international“ gewann das niederländische Duo Ron Boots und Rob Papen. Die beiden Musiker hatten spontan im Jahr 2022, zu Ehren des leider verstorbenen Klaus Schulze („Mitbegründer“ der „Berliner Schule“ und Inspiration/Vorbild für zahlreiche Musiker), ein Liveset beim E-Live-Festival gespielt, was als CD unter dem Titel „A November Evening @ CKE“ veröffentlicht wurde. Obwohl es das Album nicht unter die besten zehn Alben des Jahres schaffte, konnten sich die beiden Musiker mit ihrem gemeinsamen Projekt behaupten. 

Hier die Plätze 1 bis 10:

1.   Ron Boots & Rob Papen
2.   Jean-Michel Jarre
3.   State Azure
4.   Ian Boddy
5.   Erik Wøllo
6.   Sequentia Legenda
7.   Steve Roach
8.   Skoulaman
9.   BySenses
10. kebu

Verleihung des Preises Kategorie „Bestes Album national“

Bei der Vergabe des Preises für das „Album national“ wurde es dann sehr emotional. Den Preis erhielt das Album „Deus Arrakis“ des leider in 2022 verstorbenen, großartigen Musikers Klaus Schulze. Die Laudatio für diesen Ausnahmemusiker übernahm Harald Grosskopf (Schlagzeuger und Elektronikmusiker), der auch mit Klaus zusammengearbeitet hat. Er ehrte den Musiker mit teils bewegenden Worten, aber auch sehr schönen Anekdoten über die ersten Treffen mit Schulze. Dies war neben der Verleihung des Ehrenpreises einer der bewegenden Höhepunkte des Abends. 

    

Die Platzierungen:

1.   Klaus Schulze – Deus Arrakis
2.   Tangerine Dream – Raum
3.   Stefan Erbe – Distopia
4.   moonbooter – Reminiscence
5.   Klangwelt – Here and Why
6.   F.D. Project – Color of Life
7.   Johannes Schmoelling – Iter Meum
8.   Axess -Singularities
9.   Globotom – LIVE
10. Sankt Otten – Symmetrie und Wahnsinn

Verleihung des Preises Kategorie „Bestes Ambient Album“

Das „Ambient Album“ des Jahres ist eine Kategorie, die erst zum zweiten Mal vergeben wurde. In dieser Rubrik werden Alben, die als Ambient angesehen werden prämiert. Wie Laudator Martin Stürzer (Zweitplatzierter bei der letztjährigen Preisverleihung in dieser Kategorie) sagte, sind die Grenzen zwischen der „normalen“ Elektronik und dem Ambient fließend. Auf die Frage, wie er denn die Alben dieser Kategorie ausgewählt hätte, erklärte Martin augenzwinkernd: „Ich habe die Musik meiner Katze vorgespielt. Und da, wo sie geschnurrt hat, war es dann Ambient.“

Die Rangfolge der Künstler in dieser Kategorie für das Jahr 2022 stellt sich wie folgt dar:

1.   Ian Boddy & Erik Wøllo – Revolve
2.   Steve Roach – What remains
3.   State Azure – Cepheus Origin
4.   Remote Vision – The Architecture of Time
5.   Lauge & AES Dana – Terrene
6.   Isostatic – The Forest Abides
7.   Lars Leonhard – Geometric Shapes
8.   Subtle Shift – Sombre Frequencies
9.   Starterra – Transformation Cycles
10.  Atrium Carceri & Kammarheit – Colossus

Verleihung des Preises Kategorie „Bestes Album international“

Das „Album international“ ging an einen großen Namen. Das Album „Oxymore“, das die Fans der elektronischen Musik durch seine Sperrigkeit scheidet, räumte den begehrten ersten Platz ab. Der Vorsitzende des Jean-Michel Jarre-Fanklubs konnte aufgrund einer Erkrankung den Preis nicht entgegennehmen, hatte aber seinen Text für die Laudatio zur Verfügung gestellt, der dann vorgelesen wurde. Hierin wurde Stellung zum Album genommen und die Intention Jarres hinter der Musik, die sich bewusst von „Oxygene“ und „Equinox“ unterscheidet, auf die Jarre sich nicht reduzieren lassen will, verdeutlicht. Das Gesamtranking:

1.   Jean-Michel Jarre – Oxymore
2.   Skoulaman – Mundus in Motu
3.   Erik Wøllo – Sojourns
4.   Stan Dart – Murinsel Vol. 5
5.   Colin Rayment – Equilibrium
6.   Sequentia Legenda – Resonances
7.   Skoulaman & Ron Boots – Hot August Afternoon
8.   Kubusschnitt – The Core
9.   BySenses – MonoCHROME
10. Caterina Barbieri – Spirit Exit

Verleihung des Preises Kategorie „Künstler national“

Als letzte Kategorie stand dann „Künstler national“ auf dem Programm. Stefan Erbe, der auch viele Jahre Mitverantwortlicher für den Schallwelle-Preis war und in diesem Jahr erstmals nur noch als Gast fungierte, bekam den begehrten Preis. Er setzte sich gegen eine starke Konkurrenz durch und nahm den Preis persönlich entgegen. Die Platzierungen im Einzelnen:

1.   Stefan Erbe
2.   Klaus Schulze
3.   Tangerine Dream
4.   Martin Stürtzer
5.  Spyra
6.   F.D. Project
7.   Johannes Schmoelling
8.   moonbooter
9.   Kellerkind Berlin
10. Broekhuis, Keller & Schönwälder

    

Verleihung des Ehrenpreises für sein Lebenswerk an Eroc

Der Höhepunkt des Abends war dann die Verleihung des Ehrenpreises für sein Lebenswerk an Eroc. Sie begann kurz vor Mitternacht und wurde von Winfrid Trenkler als Laudator umfangreich gewürdigt. Das es gerade die Radiolegende Winfrid Trenkler war, der die Laudatio für Eroc vornahm und dafür extra aus seiner Heimat Nordschwedens (Lappland) angereist war, ist kein Wunder, verbindet die Beiden doch seit den 70’er Jahren eine große Freundschaft.

    

Für Deutschrockkenner und Grobschnitt-Fans (und vor allem für Eroc, der viele Jahre Schlagzeuger bei der Hagener Band Grobschnitt war und der für zahlreiche Effekte, Sounds und Späße verantwortlich war) hatte Winfrid einen besonderen Spaß eingebaut.

    

In Anlehnung an ein legendäres Radiointerview mit der Gruppe Grobschnitt aus dem Jahr 1975 mit den damaligen Radiomoderatoren Tom Schröder und Winfrid Trenkler, revanchierte sich Trenkler bei der Preisverleihung bei Eroc. Trenkler griff sich ans Ohr und meinte: „Oh, ich bekomme gerade ein Signal durch meine Hörgeräte. Ich bekomme gerade eine Nachricht vom Intendanten des Kolpinghauses. Was? Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt. Oh, die Mietzeit ist abgelaufen, es ist alles schon verspätet und ich soll die Veranstaltung sofort abblasen. Ja, es gibt keine Ehrenpreisverleihung. Pardon. Und ich soll dafür sorgen, dass das Publikum nach Hause geht. Ehrenpreis abgebrochen. Tschüss, aus, ihr könnt nach Hause gehen.“

    

Hier ein Auszug aus dem 1975‘er Interview:

„Eine Einspielung in der erst Glas scheppert und folgende Worte (von Eroc gesprochen) über den Sender gehen, ist zu hören:
Und damit, meine sehr verehrten Damen und Herren ist das Programm des Westdeutschen Rundfunks für heute beendet. Wir melden uns wieder, morgen zu den angegebenen Sendezeiten und wünschen ihnen eine gute Nacht.
Das Deutschlandlied wird eingespielt, das kurz darauf von Pieptönen unterbrochen wird. Folgender Text wird dann gesendet:
Herr Trenkler, hier ist die Sendeleitung. Bitte beenden sie schnellstmöglich die Unterredung mit diesen Leuten und sorgen sie dafür, dass die sofort das Funkhaus verlassen. Und sie melden sich bitte nachher oben im Büro.
Es folgt ein langgezogener Piepton.
Auf Wiedersehen (von der Jumbo) ertönt zum Schluss.“

    

Nach dieser spaßigen Einlage ließ Trenkler die Karriere Erocs als Musiker und Masterer Revue passieren. Nicht nur der bekannte Hit „Wolkenreise“, der sogar James Last zu dem Titel „Biscaya“ inspirierte, macht Eroc zu einem würdigen Preisträger. Vor allem auch die Experimente mit ungewöhnlichen, ja sogar provozierenden Sounds und Soundcollagen sind es, die ihn auszeichnen. Als Beispiel seit hier das Stück „Horrogoll“ von seinem 75’er Solodebütalbum genannt.

     

Aber auch als Remasterer hat sich Eroc einen großen Namen gemacht und bereits mehr als 2.200 nationale und internationale Produktionen ge- und remastert. Eroc stellte auf Frage von Trenkler heraus, dass es beim Mastern darauf ankommt, was die Musiker mit ihrer Musik ausdrücken wollen und nicht etwa - wie ein Produzent - Einfluss zu nehmen, um das Produkt massenkompatibel zu machen. Er legt großen Wert darauf, dass die Musik dann auf einer preiswerten Anlage genau so gut klingt wie auf einem teuren Hifi-System. Eroc ist der Auffassung das ein guter Masterer auch Musiker sein und ein Instrument spielen sollte, ähnlich dem Koch der Veranstaltung, der die Frikadellen besonders lecker gekocht hat, wie Eroc sagte und meinte sinngemäß „Er hat wohl schon mal eine Frikadelle gegessen und weiß, was gut schmeckt.“

    

Weit nach Mitternacht ging die Veranstaltung zu Ende. Als Fazit kann festgehalten werden, dass die Elektronikmusik lebt und sowohl Veranstalter wie Musiker und Fans froh waren, endlich mal wieder in dieser Form zusammenzukommen. Es herrschte während der kompletten Veranstaltung eine ausgelassene, fröhliche Stimmung, in der alte Bekannte getroffen und neue Bekanntschaften geschlossen wurden. Einfach rundum gelungen.

Hier noch einmal die Preisträger in der Zusammenfassung:

Bester Musiker national 2023 – Stefan Erbe
Bester Musiker international 2023 – Ron Boots & Rob Papen
Bestes Album national 2023 – Klaus Schulze "Deus Arrakis"
Bestes Album international 2023 – Jean-Michel Jarre "Oxymore"
Bester Ambientalbum 2023 – Ian Boddy & Eric Wøllo
"Revolve"
Bester Neuling 2023 – Tabilonder (Jorge Agrisuelas Vallés)
Der eigene Weg 2023 - Jim Ottaway
Sonderpreis fürs Lebenswerk 2023 - Eroc

                   

Stephan Schelle, Februar 2023

     

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