Zum zweiten Mal wurde der
Jahreswechsel vom Schallwende e.V. mit einem Konzert, das dieses Mal
unter dem Motto „Hello 2012!“ stand, im Bochumer Planetarium
eingeläutet. Nach dem Konzert Ende 2010 mit den beiden deutschen
Musikern Moonbooter (aka Bernd Scholl) und Harald Nies ließ am
30.12.2011 der niederländische Elektronikmeister Ron Boots das Jahr
ausklingen. Und wer Ron Boots kennt, der weiß, dass er selten allein die
Bühne betritt, so auch dieses Mal.
Doch zu Beginn hatte erst einmal die
Hausherrin, Frau Dr. Hüttemeister, das Wort. Neben einigen begrüßenden
Worten konnte sie voller Stolz verkünden, dass das Jahr 2011 für das
Planetarium in Bochum das erfolgreichste seiner Geschichte war. Es war
so, als sei es geplant gewesen, doch Frau Dr. Hüttemeister machte
deutlich, dass es reiner Zufall war, denn an diesem Abend befand sich
der 200.000 Besucher unter den Gästen (ein Plus von mehr als 50.000 zum
bisher erfolgreichsten Jahr 2009). Dann stellte die Vorsitzende des
Schallwende e.V., Sylvia Sommerfeld, die Musiker vor.
Mit etwas Verspätung enterten Ron
Boots (Keyboards), Harold van der Heijden (Schlagzeug), Frank Dorittke
(Gitarre) und Jamie O’Callaghan (Moog und Violine) die Bühne. Eigentlich
sollte an diesem Abend ein Quintett das Programm bestreiten, doch Eric
van der Heijden musste aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen.
Das war besonders bedauerlich, hatten Ron & Co. doch ein Filmteam
mitgebracht, das das Konzert für eine kommende DVD aufgenommen hat.
Der aus Irland stammende und seit
Jahren in den Niederlanden lebende Jamie O’Callaghan war das erste Mal
mit auf der Bühne und den Elektronikfreunden bisher noch nicht bekannt.
Der Profimusiker (er ist auch Musiklehrer) gab dem Sound von Ron Boots
noch einmal eine ganz besondere Note. Ron meinte in einer Pause zu mir,
„Die Iren werden mit einer Träne geboren. Sie haben diese besondere
Melancholie in sich, die sich auch in Jamie’s Spiel widerspiegelt“. Und
das tat sie während des Konzertes auch. Aber nicht nur das, denn Jamie
konnte seine Abstammung nicht wirklich verbergen, kam doch so manche
irische Folk-Note mit in sein Spiel.
Doch zunächst begannen Ron & Co. so
spacig und ambient, wie selten oder nie gehört. Der Hauptteil der Musik
stammte von Ron’s neuer CD „Ante Oculos“, die an diesem Tag erschienen
ist. Das war Musik wie für den Weltraum gemacht. Dazu wurden wieder
herrliche Bilder an die Kuppeldecke des Planetariums projizierte. Im
ersten Teil waren dies vor allem Bilder der Erde und des Saturn. Während
die Erde in den ersten Minuten riesig über den Köpfen der Besucher
prangte und später kleiner und so ein dreidimensionaler Effekt
hervorgerufen wurde, zeigte sich später der Saturn mit seinem Ring. Er
drehte sich unter der Kuppel, so dass der Eindruck entstand, dass der
Ring durch den Raum fegte und ihn zu zerteilen drohte. Diese Bilder mit
den spacigen Klängen waren sehr beeindruckend. Zeitweise begleitete
Jamie dabei an seinem alten Mini Moog Ron’s sphärischen Sound. Nach
einigen Minuten fügte dann auch Frank mit sehr spacigen Klängen seine
Gitarre mit ein, so dass die Besucher auf einen wahren Spacetrip gehen
konnten.
Nach gut 20 Minuten kam dann ein
vorprogrammierter Rhythmus auf, zu dem dann auch endlich Harold in seine
elektronischen Felle schlagen konnte. Beides sorgte für einen homogenen
Rhythmus, der dann auch zur Veränderung der Stimmung führte, denn ab
jetzt blitzte Ron’s Stil durch. Mit seinem Violinenspiel setzte Jamie
dann noch besondere Akzente in Ron’s typischen Elektroniksound. Nach gut
einer Stunde war dann der erste Set beendet und eine 20minütige Pause
wurde eingeläutet.
Als es dann weiter gehen sollte,
stellte sich ein technisches Problem im System der Projektionen heraus.
Das führte dazu, dass eine weitere Pause für die Behebung überbrückt
werden musste. In dieser Zeit sorgten die Musiker mit einer
Improvisation für Kurzweil. Da merkte man dann auch sofort, dass diese
Musiker eingespielt sind und sich kennen. Leider hatte das Planetarium
während der zweiten Hälfte weiter mit diesen technischen Problemen zu
kämpfen, doch das den Verantwortlichen Klaus-Dieter Unger nicht davon ab im zweiten Teil wirklich
tolle Großanimationen auf die Kuppel zu zaubern. Zwar waren diese an
einigen Stellen etwas ruckelig, das tat der Stimmung aber keinen
Abbruch. Aus meiner Sicht waren die Projektionen an diesem Abend von
ganz besonderer Qualität. Selten habe ich im Planetarium ein solches
Farbenspiel gesehen.
Der zweite Teil des Konzertes bestand
aus älteren Stücken von Ron, Eric und MorPheuSz. Nach einem wiederum
spacigen Beginn in
„Serenity“
ging es dann aber im typischen Ron
Boots Stil weiter und so war dann unter anderem auch „Acoustic Shadows“
vom gleichnamigen 2006’er Album zu hören. Da Ron sich nicht hinter
seinen Keyboards versteckte, sondern sehr gut vom Publikum aus zu sehen
war, konnte man sehr schön erkennen, mit welcher Leidenschaft er an
diesem Abend ans Werk ging. Er war mit der Musik förmlich eins und ich
hatte das Gefühl, als sei er streckenweise in Trance und in einem
anderen Universum gewesen. Toll, das man diese Leidenschaft bei
derartigen Konzerten so direkt aufnehmen kann.
Im nächsten Stück war dann Frank mit
einem Solo dran. Dieses war eindeutig floydlastig. Frank hatte einige
Riffs und Licks von Floydstücken zusammengemischt, so dass man sowohl
Teile von „Wish You Were Here“ wie auch Parts aus „Comfortably Numb“
heraushören konnte. Dabei zeigte er seine ganze Klasse. Der letzte Track
des offiziellen zweiten Sets bestand dann aus Eric van der Heijden’s
Nummer „Da Capo“. Dieses von so vielen Elektronikfreunden geliebte Stück
ließ an diesem Abend aber ganz deutlich Eric vermissen. Der Track kam
für meinen Geschmack etwas dünn rüber und man spürte, dass die
Piano-Klänge, die Eric live übernimmt, deutliche fehlten. Sie kamen
später zwar aus dem Rechner, ohne aber dieses Flair zu besitzen, das
Eric live auf der Bühne zaubert. Zwar versprühte der Track eine gewisse
Magie, aber ohne Eric ist er eben nicht komplett.
Als Zugabe gab es dann noch
„La Caida de Hormigon“.
Hier spürte man dann auch gleich wieder mehr Druck und Spielfreude als
bei „Da Capo“. Ein gelungener Abschluss eines wirklich tollen Konzertes.
So lasse ich mir den Jahresausklang gefallen. Und das Publikum
skandierte dies auch mit reichlich Applaus. Zu erwähnen ist noch, dass
Ron als Bonus für die Besucher noch eine GratisCD im Gepäck hatte (der
Titel lautet: „From The Forgotten Rooms Of A Lonely House“), auf der
sich einiges an Archivmaterial von Ron Boots und von MorPheuSz befindet.
Die Reihe geht weiter und so sehen wir
uns sicher am 30.12.2012 wieder um dann auszurufen „Hello 2013!“.
Setlist (nicht ganz
sicher)
Set 1
Ad Imperum Sidelines
Can We Predict? 1 - 2
The Journey
Ante Oculos
The Sorrow Remains Of Things That Past
Set 2
Serenity
Sandman's Journey
Hour Of The Wolf
Acoustic Shadows
FD Projects Pink Floyd
La Caida de Hormigon
Da Capo
Zugabe
Improvisation
Stephan Schelle, 31.12.2011