Nach dem Samstag, an dem Broekhuis,
Keller & Schönwälder allein auf der Bühne agierten und Elektronik pur
präsentierten, stand der Sonntag ganz unter dem Zeichen „Elektronik &
Saiten“. Neben dem elektronischen Trio gesellten sich - wie jedes Jahr -
der Violinist Thomas Kagermann und der Gitarrist Raughi Ebert mit hinzu,
um den elektronischen Klängen noch eine weiter Note zu verleihen.


Das Motto zeigt recht gut, dass die
Musik nicht nur durch Synthesizer, Sequenzer und Keyboards erzeugt
wurde, sondern mit Raughi’s Gitarre und Thomas’ Geige auch weitere
Instrumente für ein voluminöses Klangerlebnis sorgten.

Detlef Keller, Raughi Ebert und Bas
Broekhuis (linkes Bild) verfolgen gespannt die Ankündigung von Pfarrer
Bratkus-Fündrich (Bild rechts)


Mittlerweile gehört es auch schon zur
Tradition, dass Eva-Maria Kagermann-Otte zu den sphärischen Klängen
einen sehr ausdrucksstarken Tanz beisteuert. Sie versteht es wie keine
zweite, sich der Musik hinzugeben und die Klänge in fließende Bewegungen
umzusetzen. Ihr zuzusehen ist eine wahre Freude. Man muss schon
aufpassen, dass man sich dabei nicht zu sehr ablenken lässt und die
Musik dann in den Hintergrund tritt.



Mit nur wenigen Minuten Verspätung
(Lichtmeister Andre Löbbert, der die Konzerte seit Beginn visuell
wunderbar in Szene setzt, hatte vor dem Konzert noch mit technischen
Problemen zu kämpfen, die er aber rechtzeitig meisterte und sozusagen
eine Punktlandung hinlegte) begrüßte Pfarrer Uwe-Jens Bratkus-Fündrich
kurz nach 17.00 Uhr die Besucher und wünschte ihnen, sich von der Musik
beseelen und verzaubern zu lassen, so dass man zu seinem Inneren finden
und die Kraft für die nächsten Wochen tanken solle. Broekhuis, Keller &
Schönwälder feat. Raughi Ebert und Thomas Kagermann sorgten genau für
die entsprechende Grundstimmung und legten mit „Open The Gate“ los. Und
ganz dem Titel nach öffneten Bas, Detlef und Mario, die bei diesem Stück
zunächst noch allein auf der Bühne standen, ein Tor zu den Herzen der
Besucher und ließen wunderbare Musik hindurchfließen, womit sie die
Wünsche des Pfarrers erfüllten.



Das Stück
begann
noch recht langsam,
doch so allmählich entwickelte sich ein Rhythmus, der zunächst noch etwas
dahinplätscherte. Dann erklang ein Glöckchen und damit wurde der Start
zu einem überaus hypnotischen und unter die Haut gehenden Stück
eingeläutet. Schon die ersten Klänge machten deutlich, dass es an diesem
frühen Abend wesentlich anders als noch am Vortag zugehen sollte, denn
trotz des recht ruhigen Beginns war diese Musik doch wesentlich
abwechslungsreicher als am
Tag zuvor. Es entwickelte sich eine hypnotische Melange aus herrlichen
Melodiebögen, spacigen Flächen und treibenden aber moderaten und sehr
akzentuierten Perkussion (Bas mal wieder an seiner Wavedrum). Das sorgte
schon zu Beginn des Konzertes für Gänsehaut.



Das zweite Stück hieß „Philadelphia“.
Jetzt kamen Raughi Ebert und Thomas Kagermann ebenfalls auf die Bühne.
Ganz langsam schoben sich die Synthieflächen zunächst durch den Raum und
dann setzte wieder ein Rhythmus ein, der von einer Gitarre zu kommen
schien, doch Raughi griff noch nicht in die Saiten seines Instrumentes.
In dem Moment in dem dann Raughi und Thomas - zunächst noch sehr dezent
- ins Geschehen eingriffen, kam Eva-Maria Kagermann-Otte zum ersten Mal
auf die Bühne um die wunderbaren Klänge visuell darzustellen. Sie war
ganz in weiß gekleidet und hatte sich das Gesicht mit weißen Mustern
angemalt. Einfach toll anzusehen war auch, wie Eva mit den an Stäben
befestigten weißen Bändern ihrem Tanz noch mehr Ausdruck und Dynamik verlieh. Durch
die Akustikgitarre und die Geige wirkte das Stück sehr relaxt und ich
hätte mir diesen Track auch gut an einem Strand vor mich hinträumend
vorstellen können. Ein absolutes Gänsehautstück.



Das erste Mal richtig flott wurde es
dann mit dem Stück „Moers 3“, das mit einigen bpm auch zum tanzen
einlud. Die eingehende Melodie tat da ihr Übriges. Einfach wunderbar
anzusehen war wie Thomas Kagermann an der Geige sich in diesen Track
integrierte. Seine Melodien sind unvergleichlich und neben Raughi’s Gitarre
das „Salz in der Suppe“ dieser Performance. Locker und leicht wirkte
dieses Stück, das eine tolle Kombination aus Elektronik, Flamencogitarre
und hingebungsvollem Geigenspiel war. Es war wie für den nächsten Urlaub
im sonnigen Süden gemacht. Damit vertrieben die fünf jeglichen Gedanken
an die Kälte, die alle draußen vor der Kirchentür zurückgelassen hatten.



Mario Schönwälder beim Kasatschok (mit
verschränkten Armen)
„Lazy Afternoon“ begann zunächst sehr
sphärisch. Auch Thomas’ Geigenspiel fügte sich da ganz hervorragend ein,
da er sich mit seinen Klangmustern der Stimmung perfekt anpasste.
Während der ersten Klänge kam erneut Eva-Maria ganz in weiß gekleidet
vor die Bühne. Dieses Mal hatte sie einen spitzen Hut auf dem Kopf, so
wie man ihn von Zauberern oder Burgfräulein aus der Mythologie oder aus Märchen her kennt.
Zu Beginn bewegte sie sich fast zeitlupenartig zu den noch sehr
sphärischen Klängen. Das Stück nahm etwas an Fahrt auf und Eva-Maria
breitete dazu ihren weißen, durchsichtigen Umhang aus, den sie wie
Schwingen weit ausbreitete. Das sah sehr anmutig aus und passte wiederum
perfekt zur Musik. Während die Elektroniksounds den Unterboden
bereiteten, verzierte Thomas diese mit seinen unwiderstehlichen
Geigenklängen.

Detlef Keller spielt auf seiner
"Glasscheibe" eine Melodie


Das letzte Stück des offiziellen Teils
hieß „Polka Pop“. Detlef meinte dass der Titel des Tracks, den seine
Mitstreiter verbrochen hätten, für sich spreche. Der Track ging ganz
schön ab, hatte er doch einen schnellen Rhythmus und war wiederum gut
zum tanzen geeignet. Detlef setzte sich zunächst neben Raughi und spielte auf den
imaginären Tasten seiner Glasscheibe
(Anmerkung: gemeint ist das Ipad)
während Mario und Bas faxen machten, in
dem sie wie beim Kasatschok (hier ist der russische Tanz gemeint) die
Arme verschränkten und „Hey, Hey Hey“ riefen. Dann stoppte die Musik
nach wenigen Momenten und Detlef meinte „Da kann man mal sehen, dass man
auch mit einer Glasscheibe Musik
machen kann“ und ging wieder an seinen Platz um von dort richtig in die
Tasten zu hauen. Jetzt bot das Quintett dieses rhythmische Stück mit östlichem
Einschlag in einer sehr intensiven und Spaß bringenden Form. Thomas
Geigenspiel passte dabei wie die Faust auf’s Auge, denn seine Soli
erinnerte in seiner Intensität an Zigeunermusik. Dieser Track hätte auch
gut vom Balkan stammen können. Zum Ende hin wurden alle Akteure kurz
vorgestellt, die dann jeweils noch ein kurzes Solo spielten. So ging der
Hauptteil des Konzertes sehr schwungvoll zu Ende.


An dieser Stelle sei auch noch einmal
Andre Löbbert und sein Team erwähnt, die das Konzert wieder mal in
wunderbaren Farben visuell umsetzten. Die Beleuchtung war - wie schon
die Jahre zuvor - sehr geschmackvoll. Es ist immer wieder ein Erlebnis
den Altarraum der Dorfkirche in allen möglichen Farben erstrahlen zu sehen.



Da es wirklich schwierig ist, sich
immer neue Titel für Instrumentalstücke auszudenken, trug die erste
Zugabe dieses Abends den Namen „Chapter Six“. Nun der Grund ist ganz
einfach, es war das sechste Stück des Abends. Bei dieser Zugabe ließ
Detlef wieder die Laser los, die in Nebelschwaden die Luft bis an die
Kirchendecke durchschnitten. Zu sehr schönen, entspannten Synthieklängen,
die von Bas mit Perkussion dezent unterstrichen wurden, spielte Detlef
auf der Laserharfe einige Harmonien. Nach etwas mehr als drei Minuten
ging er zurück an seine Tasten und der Sequenzer offenbarte einen
hypnotischen Rhythmus, gepaart mit Sitarklängen, zu denen Thomas Gesang
beisteuerte, was dem Ganzen eine orientalische Note verlieh. In diesem
Moment kam Eva-Maria wieder auf die Bühne, um die Klänge
in fließende Bewegungen umzusetzen. Dieses Mal war sie ganz in schwarz
gekleidet und sorgte mit ihren unglaubliche Bewegungen, die so natürlich
wirkten, dafür, dass die Musik visuell perfekt dargestellt wurde. Musik
und Bewegung wurden eins und verzauberten wirklich jeden in der Kirche.
Man war förmlich entrückt von dieser Welt.


Die zweite Zugabe, „DE 7208“, ist
entstanden, als Detlef den „halben Kanarienvogel“, wie Detlef Thomas
liebevoll nannte, auf La Palma besuchte. Thomas Kagermann überwintert
dort immer einige Wochen im Jahr und hatte Detlef von der Landschaft und
dem Klima vorgeschwärmt. Im Dezember 2011 hat Detlef Thomas dann besucht
und auf dem Flug (er hatte die Flugnummer DE 7208 - so entstehen also
Titel !!!) dorthin hat Detlef dann auf seinem Ipad eine Menge an Ideen
entwickelt, die er und Thomas dann auf La Palma eingespielt haben. Was
nun kam, sollte den Abend noch einmal toppen, denn die fünf Musiker
übertrafen sich noch erneut. Eine treibende Rhythmusstruktur aus dem
Sequenzer, Bas tolles Schlagzeugspiel und vor allem die Soloeinlagen von Raughi Ebert, dessen E-Gitarre so unglaublich rockig klang und Thomas
Kagermann’s fast schon ekstatisches Geigenspiel waren die Highlights
dieses wunderbaren Stückes. Zum Ende boten Detlef Keller am Keyboard und
Thomas Kagermann gar ein Zwiegespräch der Streicherklänge. Der eine
erzeugte sie elektronisch, der andere entlockte seiner Geige die
wunderbarsten Töne. Ein wirklich umwerfender Abschluss eines tollen
Konzertes, dass das Vorjahresevent deutlich in den Schatten stellte.



Die Musik, die an diesem Abend geboten
wurde, war von solcher Qualität, dass die Fans händeringend auf die
Veröffentlichung warten werden. Wer bisher noch nicht in Repelen war,
der sollte sich für Januar 2013 nichts anderes Vornehmen,
denn dann wird erneut ein zweitägiges Event in einer der ältesten
Kirchen Deutschlands zu hören und zu sehen sein.


Setlist
Open The Gate
Philadelphia
Moers 3
Lazy Afternoon
Polka Pop
Zugaben
Chapter Six
DE 7208
Stephan Schelle,
13.02.2012