Die erneute Verschiebung hatte aber
auch etwas Positives. Erstmals hatte Raughi die zweite Hälfte von Terra
Negra, Leo Henrichs, mitgebracht, der bei einem Stück als Gastmusiker in
die Saiten seiner Akustikgitarre griff und hier sein ganzes Können
zeigte.
Wo sonst der Altar in der
evangelischen Dorfkirche steht, war ein dreistufiges Podest errichtet
worden, auf dem die fünf Musiker und ihre reichhaltigen elektronischen
und akustischen Instrumente Platz fanden. Dieses Podest bzw. die Bühne
war etwas erhöht, so dass man auch aus den hinteren Reihen noch etwas
sehen konnte. Aufgrund des regen Zuschauerzuspruchs kam die
Veranstaltung aber an ihre Grenzen und so mussten einige Besucher in den
äußeren Gängen Platz nehmen, wo sie teilweise nicht mehr den freien
Blick auf die Bühne genießen konnten. Aus diesem Grund hatte man an den
Seiten zwei Leinwände gespannt, auf denen einige Livebilder, die mit
Kameras eingefangen waren, projiziert wurden. Der Gemeindepfarrer meinte
bei der Begrüßung, dass man nächstes Jahr wohl zwei Konzerte geben
müsse, um dem Andrang gerecht zu werden. Man wird sehen.
Die Terminverschiebung in den Februar
sorgte zudem dafür, dass der Innenraum der Kirche, der durch eine Große
Fensterfront im Altarraum mit natürlichem Licht versorgt wird, länger
mit dem natürlichen Licht durchflutet war, als es im Januar der Fall
ist, da das Konzert gegen 17.00 Uhr begann. Somit vermischten sich bei
ca. der Hälfte des gut zwei Stunden dauernden Konzertes die Scheinwerfer
mit dem Tageslicht, das durch die bunte Verglasung schien. Der erste
Teil wirkte farblich dezent, während in der zweiten Hälfte die Lightshow
dann deutlicher in den Fordergrund trat.
B,K&S sind bekannt dafür, dass sie zu
jedem Repelen-Konzert mit neuer Musik aufwarten und so war das auch
dieses Mal. Obwohl das Konzert erst Mitte Februar stattfand, hatten sie
die Stücke bereits im Dezember des Vorjahres erstellt und eingeprobt.
Jeder von den Dreien hatte Tracks komponiert, die durch die
unterschiedlichen Charaktere geprägt waren und somit zu einem
abwechslungsreichen Programm führten. Während Detlef Keller eher der
Romantiker ist, liegt der Fokus bei Mario auf Sequenzern und Flächen,
die seine Musik nahe an die „Berliner Schule“ bringt (kein Wunder, kommt
er doch auch aus Berlin) und Bas zeigt in seinen Stücken dass er
Schlagzeuger ist, denn sie sind meist von einem treibenden Rhythmus
bestimmt.
Den Beginn machte der Track „Walking
Under A Blue Moon“ von Mario Schönwälder. Dieses Stück war der perfekte
Einstieg in den B,K&S-Kosmos, denn es begann sehr sanft mit herrlichen
Flächen die stark in Richtung „Berliner Schule“ (á la Klaus Schulze)
linsten. Dazu kamen schon die ersten Scheinwerfergebilde, die sich mit
dem noch vorhandenen Tageslicht, das durch die bunte Verglasung floss,
paarten. Schon bei diesem ersten Stück hatte Eva Kagermann ihren ersten
Einsatz. Sie kam in einem schwarzen Outfit, das sie selbst gestaltet zu
haben schien, auf die Bühne und bewegte sich grazil zu den Klängen von
Broekhuis, Keller, Schönwälder und Kagermann. Über einem schwarzen Dress
hatte sie, in sehr phantasievoller Art, schwarze Pappen arrangiert und
sich schwarze und bunte Kreppbänder - wie Ketten - um den Hals gelegt.
Das passte ganz hervorragend zu ihrer Performance. So langsam zog dann
der Rhythmus an und leitete in einen hypnotischen Part über, der die
Zuschauer schon zu diesem frühen Zeitpunkt aus der Realität entführte.
Erwähnenswert sind auch die tollen Perkussionsounds, die Bas da aus
seinen E-Drums zauberte.
Das zweite Stück „En Route“ stammte
dann aus Bas Broekhuis Feder. Bas hatte einige Sequenzen vorbereitet,
die zunächst aus seinem elektronischen Equipment perlten. Als
Schlagzeuger durfte in seiner Musik natürlich der Rhythmus nicht fehlen
und so hatte er einen zwar recht dezenten, aber fetten Bassrhythmus für
dieses Stück erstellt, auf dem dann Thomas als Kontrast dazu seine
Violine, die er sehr gefühlvoll und fast zerbrechlich strich, legte.
Kurz darauf folgte dann ein druckvoller Rhythmuspart, den Bas live auf
seinen Drums spielte und in den dann auch die anderen beiden einstiegen
(Detlef lieferte dazu einige Harmoniebögen in einem Panflötensound),
sodass der Track langsam Fahrt aufnahm. Detlef war wohl so in dem Stück
verhaftet, dass er gegen Ende einen Ausschalter bediente und darauf
wartete, dass die anderen den Track ausklingen ließen, was so aber nicht
mehr möglich war und zu verdutzten Blicken führte. Das sorgte auf der
Bühne für einige Irritationen, die aber äußerst humorvoll von allen
aufgenommen wurden.
Dann kam Detlef Keller im dritten
Stück, „Frozen Night“, zu seiner Eigenkomposition. Zu diesem Stück griff
dann auch Raughi Ebert ins Geschehen ein. „Frozen Night“ begann mit
einer tollen Gitarrenpassage, in der Raughi seiner E-Gitarre in der
Bottleneck-Technik Klänge entlockte, die mich gedanklich nach Amerika
führten. Nach einigen Momenten nahmen die Synthesizer das Zepter in die
Hand und Raughi ändert sein Gitarrenspiel, das jetzt atmosphärischer und
flächenartiger wirkte. Damit sorgte er in diesem sehr schönen, von
Sequenzen bestimmten Track für einige neue Facetten, was dem Stück sehr
gut zu Gesicht stand. Zum Ende des Stückes kam dann die
Bottleneck-Technik wieder ins Spiel und der Kreislauf schloss sich
wieder. Vor allem durch die Gitarre kam hier eine ganze andere Note in
die Musik, was mir ausgesprochen gut gefiel.
Leo Henrichs während des Stückes
„Crossing
The River“
Bas Broekhuis ließ auf die „Frozen
Night“ dann sein Stück „New Day“ folgen. Raughi wechselte bei diesem
Track von der E- zur Akustikgitarre. Doch die ersten Gitarrenklänge die
durch die Kirche schwebten, hatte Bas vorbereitet und kamen aus seinen
elektronischen Gerätschaften. Dann stieg Raughi in den Song ein und
verstärkte den Klang durch seine Gitarre. Detlef Keller nutzte einen
Yamaha WX5 Wind MIDI Controller (eine Art elektronische Klarinette), aus
der er einige sehr schöne und natürlich wirkende Sounds holte. „New Day“
war ein sanftes und druckvolles Stück zugleich. Und es wurde ebenfalls
von Eva’s ausdrucksstarker Tanzperformance begleitet. Dieses mal hatte
sie sich in ein goldenes Fliess gehüllt, das wie Flügel an ihr wirkte
und mit dem sie wunderschöne Formen darstellt. Dabei reflektierten die
Scheinwerfer auf der goldenen Oberfläche, was sehr erhaben wirkte.
Detlef Keller entführte daraufhin
die Besucher in die Großstadt, denn sein Stück „Rush Hour“ zeigte ein
Bild geschäftiger Aktivitäten. Der Track war sehr melodisch und
rhythmisch. Er erinnerte mich ein wenig an den Stil der niederländischen
Fraktion von Ron Boots & Co. Dem Titel entsprechend hatte das Stück
einen treibenden Rhythmus. Und auch Thomas ging jetzt an seiner Violine
so richtig ab. Man sah ihm in der Gestik förmlich die unbändige
Leidenschaft an, mit der er ans Werk ging. Zur optischen Verstärkung
wurde nun auch die Nebelmaschine angeworfen. War man nun dem Smog der
Großstadt ausgeliefert? Da konnte sich jeder sein eigenes Bild machen.
Im nächsten Stück „Crossing The River“
kam Leo Henrichs als Gastmusiker auf die Bühne. Der Grund dafür lag
darin, dass das Stück – ursprünglich eine reine Akustikgitarrennummer –
von ihm stammt. Detlef Keller hatte dieses letztes Jahr gehört und war
so begeistert, dass er Leo fragte, ob er das Stück interpretieren dürfe.
Herausgekommen ist das, was in Repelen dann aufgeführt wurde. Während
Leo an der Akustikgitarre glänzte, sorgte Detlef an dem Yamaha WX5 Wind
MIDI Controller für weitere Melodiebögen und Bas unterstützte dies durch
ein treibendes Rhythmusgebilde. Gab es bei dem Stück durch einige
Rückkoppelungen anfangs noch technische Probleme, waren diese aber
schnell behoben und es zeigte sich, wie ein Akustikstück sehr
ansprechend mit elektronischen Klängen verbunden werden kann. Diese
gelungene Kombination nahm dann immer mehr Fahrt auf und die sehr
ansprechende Kollaboration aus Elektronik und Rock ähnelte dem Sound
eines Gordon Giltrap (aus den 70’ern).
Dann sorgte Bas Broekhuis mit seinem
Stück „Breakfast At Noon“ wieder für außergewöhnliche Rhythmen.
Tropfende Beats aus dem Sequenzer eröffneten das hypnotische Stück.
Thomas Kagermann tauschte bei diesem Track seine Violine zeitweise gegen
eine Flöte, was eine weitere Komponente in die Musik brachte. Das Stück
war nicht nur rhythmisch sondern bekam durch seine Melodie auch eine
loungeartige Note.
Detlef Keller’s „Sleepless“ reihte sich
dann an. Er erklärte, dass das Stück auf Grundlage einer Sequenz seines
Weckers, der ihn allmorgendlich weckt, entstanden ist. Diese Aussage
sorgte natürlich erst einmal zu erstaunten Blicken. Kann das
funktionieren? Wie hört sich denn so was an? Hätte er dieses Statement
nicht abgegeben, keiner der Anwesenden hätte dies vermutet. Ein
Xylophon-Sound startete in den Track und wurde mit Flächen und
herrlichen Melodien fortgeführt. Dieser sehr melodische Track wurde
visuell von einer Lichtshow begleitet, die an die psychedelischen 60s
angelehnt war. Dazu wurde farbiges Öl auf eine sich drehende Glasscheibe
geträufelt, die dann angeleuchtet und an die Altarwand projiziert wurde.
Obwohl diese Technik in den 60’er Jahren oft genutzt wurde, wirkt sie
heute nicht die Spur antiquiert. Ein gelungener Farbtupfer der
abwechslungsreich und bedrohlich zugleich wirkte. Das passte gut uns
Programm.
Der letzte Titel des offiziellen Sets
lautete „City Lights“. Detlef, der das Stück schrieb,
entführte erneut in die Großstadt. Der Track versprühte das Feeling
einer großen Metropole. Geige, Gitarre, vorprogrammierte Sounds und ein
sehr effektvolles Schlagzeug leiteten atmosphärisch in dieses Stück ein.
Ethnische Klänge und sphärische Synthies erzeugten zunächst noch ein
unwirklich wirkendes Klanggebilde. Vor meinem geistigen Auge breitete
sich eine Szenerie einer dunklen, menschenleeren Großstadtidylle aus.
Das wirkte zunächst etwas trostlos, doch schon bald kehrte plötzlich -
durch den Einsatz des Sequenzers - Leben in die Szenerie ein und ich
befand mich auf einer belebten Straße im nächtlichen Großstadtdschungel.
Jetzt wurde es auch melodisch und hypnotisch zugleich. Auch die
Lautstärke zog an, denn so einige Töne schnitten sich spürbar durch
meinen Körper. Bas hatte bei diesem Stücke einige Paukenklänge auf seine
Drums gelegt, was zusammen mit den Becken dem Stück ein weiteres Volumen
verlieh. Dann hängte sich Detlef sein tragbares Keyboard um und spielt
einige Passagen darauf. Bei diesem Stück begann dann auch die
Vorstellung der Akteure.
Als nächstes griff auch Mario zu
seinem tragbaren Keyboard und Detlef und er gingen mit den Tasten
bewaffnet an den Bühnenrand und performten während des Spielens. Man sah
ihnen ihren Spaß dabei an. Als Lohn gab es dann noch Blumen vom
Hausherren und Standing Ovations vom Publikum.
So ganz ohne Zugabe ging es dann für
die Jungs aber auch nicht. Auch wenn der Pfarrer empfahl es nicht so
lange laufen zu lassen, er wolle schließlich den Tatort nicht verpassen.
Die Zugabe „Tea With An Unknown Girl“ (geschrieben von Mario
Schönwälder) wurde zum Besten gegeben und Eva
tanzte dieses Mal ganz in weiß dazu. Sie hatte verlängerte Arme und
bewegte sich insektenhaft durch den Raum. Nach einer bewegenden Rede
über ein persönliches Schicksal, dass die Familie Keller kürzlich traf,
widmete Detlef die letzte Zugabe „Source Of Life“, bei der er an die
Laserharfe trat, seinem verstorbenen Bruder. Bas wechselte für dieses
Stück ans Cajun. Nicht nur der melancholische Titel, auch die Art der
Interpretation zeigte wie bewegt Detlef und seine Mitstreiter waren. Mit
dieser Zugabe endete ein mitreißendes zweistündiges Elektronikkonzert.
Fazit: Auch wenn diese Konzertreihe
schon mehrere Jahre andauert, so wird sie doch nie langweilig. Broekhuis,
Keller, Schönwälder, Ebert und Kagermann schaffen es immer wieder,
faszinierende Klänge in der Dorfkirche von Repelen mit einer
ansprechenden Lichtshow zu vereinen. Dieser Termin steht nicht nur seit
langem als feste Größe in meinem Kalender, er wird es auch bleiben, so
lange sich diese fünf weiter so präsentieren. Wer melodische,
elektronische Musik mag, der sollte sich diese Konzerte nicht entgehen
lassen. Als Appetithappen kann man sich auf der DVD „In Repelen“ ein
gutes Bild machen, denn auf ihr wird die Stimmung hervorragend
rübergebracht.
Stephan Schelle,
14.02.2011
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