Broekhuis, Keller, Schönwälder feat. Raughi Ebert und Thomas Kagermann
Live in der Dorfkirche Repelen am 13.02.2011


Alle Jahre wieder ist es Brauch, dass ein Teil der Freunde elektronischer Musik nach Repelen bei Moers pilgert. Das hat seinen ganz besonderen Grund, denn Bas Broekhuis, Detlef Keller und Mario Schönwälder, die zusammen das Musikprojekt B,K&S bilden, verstärken sich um den Ausnahmegitarristen Raughi Ebert und den virtuosen Violinisten Thomas Kagermann. In dieser Fünfer-Konstellation wird seit einigen Jahren in der Dorfkirche von Repelen das neue Jahr eingeläutet. Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Eva Kagermann (Ehefrau von Thomas) bei diesen Events für die visuelle Unterstützung sorgt. Sie bietet mit ihrem sehr ansprechenden Ausdruckstanz, bei dem sie sich immer wieder in neue Kostümierungen wandet, eine sehr stimmungsvolle Untermalung der schwebenden oder auch treibenden Elektronikmusik und ist aus dem Programm nicht mehr wegzudenken.

Fanden die Konzerte zu Beginn immer direkt in der ersten Januarhälfte statt und wurden als Neujahrskonzerte betitelt, so ist man seit letztem Jahr in den Februar gewechselt. Grund ist, dass Raughi Ebert Anfang des Jahres mit seinem Projekt Terra Negra oft weltweit unterwegs ist.


     

Die erneute Verschiebung hatte aber auch etwas Positives. Erstmals hatte Raughi die zweite Hälfte von Terra Negra, Leo Henrichs, mitgebracht, der bei einem Stück als Gastmusiker in die Saiten seiner Akustikgitarre griff und hier sein ganzes Können zeigte.

    

    

Wo sonst der Altar in der evangelischen Dorfkirche steht, war ein dreistufiges Podest errichtet worden, auf dem die fünf Musiker und ihre reichhaltigen elektronischen und akustischen Instrumente Platz fanden. Dieses Podest bzw. die Bühne war etwas erhöht, so dass man auch aus den hinteren Reihen noch etwas sehen konnte. Aufgrund des regen Zuschauerzuspruchs kam die Veranstaltung aber an ihre Grenzen und so mussten einige Besucher in den äußeren Gängen Platz nehmen, wo sie teilweise nicht mehr den freien Blick auf die Bühne genießen konnten. Aus diesem Grund hatte man an den Seiten zwei Leinwände gespannt, auf denen einige Livebilder, die mit Kameras eingefangen waren, projiziert wurden. Der Gemeindepfarrer meinte bei der Begrüßung, dass man nächstes Jahr wohl zwei Konzerte geben müsse, um dem Andrang gerecht zu werden. Man wird sehen.

    

     

Die Terminverschiebung in den Februar sorgte zudem dafür, dass der Innenraum der Kirche, der durch eine Große Fensterfront im Altarraum mit natürlichem Licht versorgt wird, länger mit dem natürlichen Licht durchflutet war, als es im Januar der Fall ist, da das Konzert gegen 17.00 Uhr begann. Somit vermischten sich bei ca. der Hälfte des gut zwei Stunden dauernden Konzertes die Scheinwerfer mit dem Tageslicht, das durch die bunte Verglasung schien. Der erste Teil wirkte farblich dezent, während in der zweiten Hälfte die Lightshow dann deutlicher in den Fordergrund trat.

    

                   

    

B,K&S sind bekannt dafür, dass sie zu jedem Repelen-Konzert mit neuer Musik aufwarten und so war das auch dieses Mal. Obwohl das Konzert erst Mitte Februar stattfand, hatten sie die Stücke bereits im Dezember des Vorjahres erstellt und eingeprobt. Jeder von den Dreien hatte Tracks komponiert, die durch die unterschiedlichen Charaktere geprägt waren und somit zu einem abwechslungsreichen Programm führten. Während Detlef Keller eher der Romantiker ist, liegt der Fokus bei Mario auf Sequenzern und Flächen, die seine Musik nahe an die „Berliner Schule“ bringt (kein Wunder, kommt er doch auch aus Berlin) und Bas zeigt in seinen Stücken dass er Schlagzeuger ist, denn sie sind meist von einem treibenden Rhythmus bestimmt.

    

    

    

Den Beginn machte der Track „Walking Under A Blue Moon“ von Mario Schönwälder. Dieses Stück war der perfekte Einstieg in den B,K&S-Kosmos, denn es begann sehr sanft mit herrlichen Flächen die stark in Richtung „Berliner Schule“ (á la Klaus Schulze) linsten. Dazu kamen schon die ersten Scheinwerfergebilde, die sich mit dem noch vorhandenen Tageslicht, das durch die bunte Verglasung floss, paarten. Schon bei diesem ersten Stück hatte Eva Kagermann ihren ersten Einsatz. Sie kam in einem schwarzen Outfit, das sie selbst gestaltet zu haben schien, auf die Bühne und bewegte sich grazil zu den Klängen von Broekhuis, Keller, Schönwälder und Kagermann. Über einem schwarzen Dress hatte sie, in sehr phantasievoller Art, schwarze Pappen arrangiert und sich schwarze und bunte Kreppbänder - wie Ketten - um den Hals gelegt. Das passte ganz hervorragend zu ihrer Performance. So langsam zog dann der Rhythmus an und leitete in einen hypnotischen Part über, der die Zuschauer schon zu diesem frühen Zeitpunkt aus der Realität entführte. Erwähnenswert sind auch die tollen Perkussionsounds, die Bas da aus seinen E-Drums zauberte.

     

    

Das zweite Stück „En Route“ stammte dann aus Bas Broekhuis Feder. Bas hatte einige Sequenzen vorbereitet, die zunächst aus seinem elektronischen Equipment perlten. Als Schlagzeuger durfte in seiner Musik natürlich der Rhythmus nicht fehlen und so hatte er einen zwar recht dezenten, aber fetten Bassrhythmus für dieses Stück erstellt, auf dem dann Thomas als Kontrast dazu seine Violine, die er sehr gefühlvoll und fast zerbrechlich strich, legte. Kurz darauf folgte dann ein druckvoller Rhythmuspart, den Bas live auf seinen Drums spielte und in den dann auch die anderen beiden einstiegen (Detlef lieferte dazu einige Harmoniebögen in einem Panflötensound), sodass der Track langsam Fahrt aufnahm. Detlef war wohl so in dem Stück verhaftet, dass er gegen Ende einen Ausschalter bediente und darauf wartete, dass die anderen den Track ausklingen ließen, was so aber nicht mehr möglich war und zu verdutzten Blicken führte. Das sorgte auf der Bühne für einige Irritationen, die aber äußerst humorvoll von allen aufgenommen wurden.

    

     

Dann kam Detlef Keller im dritten Stück, „Frozen Night“, zu seiner Eigenkomposition. Zu diesem Stück griff dann auch Raughi Ebert ins Geschehen ein. „Frozen Night“ begann mit einer tollen Gitarrenpassage, in der Raughi seiner E-Gitarre in der Bottleneck-Technik Klänge entlockte, die mich gedanklich nach Amerika führten. Nach einigen Momenten nahmen die Synthesizer das Zepter in die Hand und Raughi ändert sein Gitarrenspiel, das jetzt atmosphärischer und flächenartiger wirkte. Damit sorgte er in diesem sehr schönen, von Sequenzen bestimmten Track für einige neue Facetten, was dem Stück sehr gut zu Gesicht stand. Zum Ende des Stückes kam dann die Bottleneck-Technik wieder ins Spiel und der Kreislauf schloss sich wieder. Vor allem durch die Gitarre kam hier eine ganze andere Note in die Musik, was mir ausgesprochen gut gefiel.

    
Leo Henrichs während des Stückes Crossing The River

    

Bas Broekhuis ließ auf die „Frozen Night“ dann sein Stück „New Day“ folgen. Raughi wechselte bei diesem Track von der E- zur Akustikgitarre. Doch die ersten Gitarrenklänge die durch die Kirche schwebten, hatte Bas vorbereitet und kamen aus seinen elektronischen Gerätschaften. Dann stieg Raughi in den Song ein und verstärkte den Klang durch seine Gitarre. Detlef Keller nutzte einen Yamaha WX5 Wind MIDI Controller (eine Art elektronische Klarinette), aus der er einige sehr schöne und natürlich wirkende Sounds holte. „New Day“ war ein sanftes und druckvolles Stück zugleich. Und es wurde ebenfalls von Eva’s ausdrucksstarker Tanzperformance begleitet. Dieses mal hatte sie sich in ein goldenes Fliess gehüllt, das wie Flügel an ihr wirkte und mit dem sie wunderschöne Formen darstellt. Dabei reflektierten die Scheinwerfer auf der goldenen Oberfläche, was sehr erhaben wirkte.

          

    

Detlef Keller entführte daraufhin die Besucher in die Großstadt, denn sein Stück „Rush Hour“ zeigte ein Bild geschäftiger Aktivitäten. Der Track war sehr melodisch und rhythmisch. Er erinnerte mich ein wenig an den Stil der niederländischen Fraktion von Ron Boots & Co. Dem Titel entsprechend hatte das Stück einen treibenden Rhythmus. Und auch Thomas ging jetzt an seiner Violine so richtig ab. Man sah ihm in der Gestik förmlich die unbändige Leidenschaft an, mit der er ans Werk ging. Zur optischen Verstärkung wurde nun auch die Nebelmaschine angeworfen. War man nun dem Smog der Großstadt ausgeliefert? Da konnte sich jeder sein eigenes Bild machen.

     

     

Im nächsten Stück „Crossing The River“ kam Leo Henrichs als Gastmusiker auf die Bühne. Der Grund dafür lag darin, dass das Stück – ursprünglich eine reine Akustikgitarrennummer – von ihm stammt. Detlef Keller hatte dieses letztes Jahr gehört und war so begeistert, dass er Leo fragte, ob er das Stück interpretieren dürfe. Herausgekommen ist das, was in Repelen dann aufgeführt wurde. Während Leo an der Akustikgitarre glänzte, sorgte Detlef an dem Yamaha WX5 Wind MIDI Controller für weitere Melodiebögen und Bas unterstützte dies durch ein treibendes Rhythmusgebilde. Gab es bei dem Stück durch einige Rückkoppelungen anfangs noch technische Probleme, waren diese aber schnell behoben und es zeigte sich, wie ein Akustikstück sehr ansprechend mit elektronischen Klängen verbunden werden kann. Diese gelungene Kombination nahm dann immer mehr Fahrt auf und die sehr ansprechende Kollaboration aus Elektronik und Rock ähnelte dem Sound eines Gordon Giltrap (aus den 70’ern).

     

    

Dann sorgte Bas Broekhuis mit seinem Stück „Breakfast At Noon“ wieder für außergewöhnliche Rhythmen. Tropfende Beats aus dem Sequenzer eröffneten das hypnotische Stück. Thomas Kagermann tauschte bei diesem Track seine Violine zeitweise gegen eine Flöte, was eine weitere Komponente in die Musik brachte. Das Stück war nicht nur rhythmisch sondern bekam durch seine Melodie auch eine loungeartige Note.

    

     

Detlef Keller’s „Sleepless“ reihte sich dann an. Er erklärte, dass das Stück auf Grundlage einer Sequenz seines Weckers, der ihn allmorgendlich weckt, entstanden ist. Diese Aussage sorgte natürlich erst einmal zu erstaunten Blicken. Kann das funktionieren? Wie hört sich denn so was an? Hätte er dieses Statement nicht abgegeben, keiner der Anwesenden hätte dies vermutet. Ein Xylophon-Sound startete in den Track und wurde mit Flächen und herrlichen Melodien fortgeführt. Dieser sehr melodische Track wurde visuell von einer Lichtshow begleitet, die an die psychedelischen 60s angelehnt war. Dazu wurde farbiges Öl auf eine sich drehende Glasscheibe geträufelt, die dann angeleuchtet und an die Altarwand projiziert wurde. Obwohl diese Technik in den 60’er Jahren oft genutzt wurde, wirkt sie heute nicht die Spur antiquiert. Ein gelungener Farbtupfer der abwechslungsreich und bedrohlich zugleich wirkte. Das passte gut uns Programm.

    

    

    

Der letzte Titel des offiziellen Sets lautete „City Lights“. Detlef, der das Stück schrieb, entführte erneut in die Großstadt. Der Track versprühte das Feeling einer großen Metropole. Geige, Gitarre, vorprogrammierte Sounds und ein sehr effektvolles Schlagzeug leiteten atmosphärisch in dieses Stück ein. Ethnische Klänge und sphärische Synthies erzeugten zunächst noch ein unwirklich wirkendes Klanggebilde. Vor meinem geistigen Auge breitete sich eine Szenerie einer dunklen, menschenleeren Großstadtidylle aus. Das wirkte zunächst etwas trostlos, doch schon bald kehrte plötzlich - durch den Einsatz des Sequenzers - Leben in die Szenerie ein und ich befand mich auf einer belebten Straße im nächtlichen Großstadtdschungel. Jetzt wurde es auch melodisch und hypnotisch zugleich. Auch die Lautstärke zog an, denn so einige Töne schnitten sich spürbar durch meinen Körper. Bas hatte bei diesem Stücke einige Paukenklänge auf seine Drums gelegt, was zusammen mit den Becken dem Stück ein weiteres Volumen verlieh. Dann hängte sich Detlef sein tragbares Keyboard um und spielt einige Passagen darauf. Bei diesem Stück begann dann auch die Vorstellung der Akteure.

     

    

Als nächstes griff auch Mario zu seinem tragbaren Keyboard und Detlef und er gingen mit den Tasten bewaffnet an den Bühnenrand und performten während des Spielens. Man sah ihnen ihren Spaß dabei an. Als Lohn gab es dann noch Blumen vom Hausherren und Standing Ovations vom Publikum.

     

                    

So ganz ohne Zugabe ging es dann für die Jungs aber auch nicht. Auch wenn der Pfarrer empfahl es nicht so lange laufen zu lassen, er wolle schließlich den Tatort nicht verpassen. Die Zugabe „Tea With An Unknown Girl“ (geschrieben von Mario Schönwälder) wurde zum Besten gegeben und Eva tanzte dieses Mal ganz in weiß dazu. Sie hatte verlängerte Arme und bewegte sich insektenhaft durch den Raum. Nach einer bewegenden Rede über ein persönliches Schicksal, dass die Familie Keller kürzlich traf, widmete Detlef die letzte Zugabe „Source Of Life“, bei der er an die Laserharfe trat, seinem verstorbenen Bruder. Bas wechselte für dieses Stück ans Cajun. Nicht nur der melancholische Titel, auch die Art der Interpretation zeigte wie bewegt Detlef und seine Mitstreiter waren. Mit dieser Zugabe endete ein mitreißendes zweistündiges Elektronikkonzert.

    

    

Fazit: Auch wenn diese Konzertreihe schon mehrere Jahre andauert, so wird sie doch nie langweilig. Broekhuis, Keller, Schönwälder, Ebert und Kagermann schaffen es immer wieder, faszinierende Klänge in der Dorfkirche von Repelen mit einer ansprechenden Lichtshow zu vereinen. Dieser Termin steht nicht nur seit langem als feste Größe in meinem Kalender, er wird es auch bleiben, so lange sich diese fünf weiter so präsentieren. Wer melodische, elektronische Musik mag, der sollte sich diese Konzerte nicht entgehen lassen. Als Appetithappen kann man sich auf der DVD „In Repelen“ ein gutes Bild machen, denn auf ihr wird die Stimmung hervorragend rübergebracht.

     

                   

Stephan Schelle, 14.02.2011