Fotos
waren leider nur während der Stücke „Equinoxe 7“, „Equinoxe 5“ und
„Rendezvous 3“ möglich, daher zeigen die Bilder nur einen Teil der
opulenten Show.
Am Tag des Konzertes, am 06.03.2010
hatte sich der Winter in Deutschland zurückgemeldet und sein weißes
Kleid über weite Teile des Landes gelegt. Die Unwetterwarnungen waren
aber zum Glück nicht zutreffend und so fuhr ich am späten Nachmittag der
untergehenden Sonne entgegen, im Kopf das mit Spannung erwartete
bevorstehende Konzert und die Musik von Jean Michel Jarre im Ohr. Dieses
– trotz Winterwetter – warme Gefühl (Sound und untergehende Sonne
bildeten eine Einheit) sollte sich während des Konzertes noch einmal
einstellen, denn ich kann es hier schon mal vorwegnehmen, Jean Michel
bewies in seinem mehr als zweistündigen Konzert, dass elektronische
Musik nicht kalt und steril sein muss, denn selten habe ich
Elektronikmusik so Energie geladen gesehen, wie bei diesem Konzert.
Mit gut einer halben Stunde Verspätung
startete der große Franzose sein Programm in der mit 5.500 Besuchern gut
gefüllten König Pilsener Arena. Jean Michel hatte, wie bei seiner DVD
„Live in Your Livingroom“, die zusammen mit der New Masters
Recording-Version von „Oxygene“ aus dem Jahr 2007 ausgeliefert wird,
drei Musiker mit auf der Bühne. Dies waren (von ihrem Platz auf der
Bühne links beginnend) Dominique Perrier, Claude Samard und Francis
Rimbert. Und diese vier machten eine Menge Alarm auf der Bühne, was sich
in Spielfreude, Dynamik und Variation der Stücke widerspiegelte.
Die Hoffnung, dass uns Jean Michel auf
eine Zeitreise, weit zurück bis in die zweite Hälfte der 70’er mitnehmen
würde, bestätigte sich schon zu Beginn des Konzertes, denn nach einem
Intro legten die vier mit den ersten beiden Parts von „Oxygene“ los.
Zwar klangen die Stücke frisch und zeitlos, doch die Musiker auf der
Bühne nutzten kein neues Equipment, vielmehr stammten die Synthies,
Moogs und sonstigen elektronischen Klangerzeuger (wie zum Beispiel ein
Theremin) aus den 70’ern. Das sah toll aus, denn die Bühne war voll mit
den nostalgischen, elektronischen Gerätschaften, während auf der
riesigen rückwärtigen Leinwand mehrfach Grafiken und Filme abliefen.
Dazu durchschnitten des Öfteren Laser das Halleninnere und machten aus
dem Konzert einen Genuss für Augen und Ohren. Allerdings habe ich noch
nie ein so lautes Elektronikkonzert gehört. Wer in den ersten Reihen
saß, der tat gut daran, Ohrenstöpsel zu nutzen. Ansonsten war der Sound
aber äußerst transparent und mit einigen Stereoeffekten versehen.
Mit diesem Lautstärkepegel kam das
Konzert locker an Rockkonzerte heran, die den Vorteil haben, dass man
Musik nicht nur hören, sondern auch spüren kann. Und aus diesem Grund
konnte man bei „Oxygene 2“ nicht nur den Bass am Körper spüren, auch die
blubbernden Synthiesounds machten sich mit ihren Schallwellen auf meinem
Körper breit. Neben diesem druckvollem Sound waren die Stücke darüber
hinaus auch leicht verändert, was man an der Klangfarbe der Synthies,
länger gespielten Versionen oder veränderten Rhythmuspassagen erkennen
konnte.
Während zu Beginn der Show die
rückwärtige Wand von einem schwarzen Vorhang verhüllt wurde und sich
zunächst eine noch dezente Lightshow in den Vordergrund schob, so
öffnete sich beim dritten Track „Magnetic Fields 1“ dieser Vorhang und
ließ eine riesige Leinwand zum Vorschein kommen. Auf dieser wurden
zunächst bunte Scheinwerfer projiziert, die zum Teil im Kontrast zu den
vorderen Scheinwerfern standen, was einen tollen Effekt bot. Die
Leinwand diente aber später dazu Bilder einer Livekamera, bei der man
Jean Michel in Großaufnahme sah, zu projizieren oder Grafiken und Filme
zu zeigen. Und dann die Laser. Die insgesamt sieben Laser waren oft
gleichzeitig in Betrieb und zerschnitten den Saal förmlich in seine
Einzelteile. Die Kombination aus teilweise pulsierenden Synthierhythmen
und den Musikern, die unter den farbigen Laserwolken agierten (oft
wirbelte Jean Michel Jarre dabei an seinen Tasten,
Perkussioninstrumenten und Drehreglern hin und her), war einfach
sensationell.
Während „Rendezvous 3“ griff Jean
Michel dann das erste Mal in die Laserharfe. Vor dem roten Hintergrund
wirkten die grünen Strahlen der Harfe wie ein Gitter hinter dem sich
Jarre verschanzte. Allerdings muss man sagen, dass Jarre sich an diesem
Abend sehr Publikumsnah zeigte, denn sowohl durch Ansprachen wie auch
durch Mimik und Gestik kommunizierte er das ganze Konzert über mit dem
Publikum.
In dem Stück „Variation 3“ wechselte
Jarre dann zu einem Theremin, das wie ein altes Stehpult mit Antenne
aussah. Während er von grünem Scheinwerferlicht angestrahlt wurde,
zeigte die Leinwand auf der anderen Seite sein Spiel in Großaufnahme.
Sicherlich sind der Sound und die Klangmuster nicht jedermanns Sache und
so war dieses Stück wohl auch das schwächste des Programms (das ist aber
Klagen auf hohem Niveau). Die Aufnahme zeigte aber recht gut, wie dieses
Instrument funktioniert.
Mit „Equinoxe 4“ kam dann das erste
Highlight des Abends, denn hier ging es sehr rhythmisch zur Sache. Vor
allem die Drums waren härter als im Original angelegt und auch die Länge
des Stückes hatte man ausgedehnt. Im Hintergrund waren auf der Leinwand
die mit Ferngläsern bestückten Gestalten zu sehen, die das Plattencover
zieren. Hier waren die Gläser allerdings nicht weiß, sondern gelb, was
teils recht bedrohlich wirkte. Diese Figuren waren zu Hauff in einer
Animation versammelt. Mal hüpften sie zum Rhythmus der E-Drum, dann
bewegten sie sich wellenförmig über die Leinwand oder drehten sich
spiralförmig. Auf dieser überdimensionalen Leinwand ergab das einen
wirklich eindrucksvollen Effekt.
Mit „Statistic Adagio“ war ein kurzer
Track im Programm, den ich bisher nicht kannte. Jean Michel schlug in
diesem mahnenden Stück melancholische, ja auch klassische Töne an. Mit
ihm will Jarre auf die Umweltproblematik hinweisen, denn auf der
Leinwand liefen zu diesen Klängen Zahlen, die für den abnehmenden
Ölvorrat, die Anzahl der Menschen ohne sauberes Trinkwasser, die
Ausgaben für illegale Drogen in diesem Jahr (in US$), die Zunahme der
Weltbevölkerung oder – dazu im Kontrast stehend – die Anzahl der an
diesem Tag gesendeten E-Mails, standen. Unaufhörlich stiegen bzw. vielen
die dazugehörigen Zahlen.
Nach diesen melancholischen Klängen
passte Jarre’s „Revolution“ thematisch gut ins Konzept. Das war ein
absoluter Kontrast zum vorangegangenen Titel, denn nach dem
spartanischen Bühnenhintergrund von „Statistic Adagio“ kamen wieder die
Laser zum Einsatz, die um Scheinwerfer, die vom Bühnenrand an die
Hallendecke leuchteten, ergänzt wurden. Bei diesem hymnischen Track
wirkten drei Laser, die von oben vor den Musikern herabschienen, wie
Pyramiden. Und zwischen seinen Mitmusikern und den Scheinwerfern lief
Jarre an seinem tragbaren Keyboard spielend am Bühnenrand entlang.
Dieses unglaublich druckvoll gespielte Stück endete allerdings abrupt,
hier hätte ich mir einen sanfteren Ausklang gewünscht. Während bei
„Rendezvous 2“ die roten und blauen Laser den Saal durchtrennten, was
mit der Musik sehr erhaben und majestätisch wirkte, griff Jean Michel
bei „Rendezvous 4“ dann wieder zur Laserharfe.
Mit „Chronologie 6“ und „Chronologie
2“ schritt Jarre dann langsam immer dem offiziellen Ende der Show
entgegen. Zum ersten Stück wurde eine Traverse mit einer Lichtkette
gefolgt von den drei zentralen Lasern herabgelassen und schwebten knapp
über den Köpfen der Musiker. Die Traverse durchtrennte quasi die
rückwärtige Leinwand und die Laser schossen ihre Lichtstrahlen
fächerartig ins Publikum. Die hypnotischen Rhythmen, schwebenden
Synthies sowie das aus Laser und Scheinwerfern erzeugte Lichtspektakel
ließ die Zuschauer nicht länger auf ihren Sitzen kleben. Die ersten
standen auf um im Rhythmus zu klatschen oder im freien Teil des
Innenraums zu tanzen. Jean Michel zeigte sich davon erfreut und forderte
die Zuschauer förmlich auf mitzuklatschen und aufzustehen. Für
„Chronologie 2“ verließ er dann kurz den sichtbaren Bühnenbereich um mit
einem Akkordeon bestückt zurück zu kommen. Am Bühnenrand postiert und
von einem kreisförmigen Laser umgeben, spielte er dann die Melodielinie
auf seinem Akkordeon. Der Anblick hatte was ganz besonderes, denn in dem
grünen Laserstrahlen wirkte Jarre wie in einem Käfig eingesperrt. Das
sah absolut toll aus.
Der offizielle Teil war beendet und
man konnte einen Moment durchatmen. Jarre bedankte sich bei dem tollen
Publikum, ging von der Bühne um kurz darauf den Zugabenteil einzuläuten.
Was hätte es anderes sein können, als „Oxygene 4“, mit dem er die
Zugaben begann, dem Stück, mit dem er seinen Durchbruch hatte und das
immer noch zu den populärsten Tracks seines Repertoires zählt. Zu „Oxygene
4“strömten weitere Zuschauer (aller Altersklassen) in den Innenraum um
zu klatschen und zu tanzen, es war Party angesagt. Diese Szenerie wirkte
auf mich wie die Szene des landenden Raumschiffs am Ende von Spielberg’s
„Unheimliche Begegnung der 3. Art“, als Menschen ins gleißende Licht
gehen. Eine ähnliche Aufmachung hat ja auch das Tourplakat von Jarre.
Das Konzert hatte nun seinen Höhepunkt erreicht. Mit „Oxygene 12“ und
„Fin De Siecle“, einem sehr ruhigen Stück, das nach einer weiteren
kurzen Pause geboten wurde, endete dieses beeindruckende Liveevent.
Jean Michel Jarre hat zwar mit seinem
Bombast, den er unter freiem Himmel geboten hat, Maßstäbe gesetzt, aber
das mehr als zweistündige Konzert in der Halle stand dem in nichts nach.
Klar können illuminierte Häuserfronten oder die Pyramiden nicht durch
eine Leinwand ersetzt werden, aber was Jean Michel da in die Halle
gezaubert hat, das sorgte für eine ständige Gänsehaut. Auch hatte ich
das Gefühl, als habe sich Soundästhet Jarre mehr auf die Interpretation
der Stücke konzentriert, die mir wesentlich abwechslungsreicher
erschienen, als bei den großen Events. Ich habe wirklich selten ein so
emotionales und mitreißendes Elektronikkonzert gesehen, das war ganz
großes Kino. Wer noch die Möglichkeit hat, Jarre live zu erleben, der
sollte unbedingt die Chance nutzen, es lohnt sich.
Offizielle Setlist (wich in Nuancen ab)
Intro
Oxygene 1
Oxygene 2
Magnetic Fields 1
Equinoxe 7
Equinoxe 5
Rendezvouz 3
Magnetic Fields 1
Souvenir Of China
Oxygene 5
Variation 3
Equinoxe 4
Statistics Adagio
Revolution
Rendezvouz 2
Rendezvouz 4
Chronologie 6
Chronologie 2
Zugaben
Oxygene 4
Variation 4
Oxygene 12
Fin De
Siecle
Stephan Schelle, 07.03.2010
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