Wenn Jean Michel Jarre auf die Bühne
geht, dann ist immer großes Kino angesagt. Auch wenn er nicht mehr die
Riesenevents wie in den 80’ern und 90’ern (Ausnahme das diesjährige
Konzert in Monaco) auf die Beine stellt und eine Dortmunder
Westfalenhalle (Halle 1) etwas überdimensioniert wirkt, so hat er doch
immer noch eine große Show im Gepäck. Seine Herbsttournee 2011 führte
ihn in elf deutsche Städte. Auf diesem Trip machte er am 04.11.2011 in
Dortmund Halt. Ständen nicht um diesen Termin auch die Konzerte in
Hannover, Hamburg, Köln und Frankfurt an, so wäre der Publikumsandrang
in Dortmund sicherlich wesentlich größer gewesen. Insofern ist der
Zuschauerandrang in Dortmund als sehr positiv anzusehen.
Schon vor der Halle war beim Einlass
unter den tausenden von Besuchern eine gewisse erwartungsvolle
Anspannung zu spüren. In den Gängen herrschte geschäftiges Treiben, bei
denen sich die Besucher mit Fanartikeln versorgen oder mit Speisen und
Getränken stärken konnten. Die Organisation dieser Großveranstaltung
lief reibungslos, was einen zügigen Einlass, auch durch freundliche
Ordner, die einem den Weg wiesen, sicherte. Insgesamt wurde so schon vor
dem Konzert für eine entspannte Stimmung gesorgt.
In der bestuhlten Halle, die im
Halbdunkel lag, lief vor dem Konzert zunächst relaxte Elektronikmusik,
so wie das auch bei Schiller (durch seine Einlassmusik) der Fall ist.
Die Luft war Nebel geschwängert und so verstärkte sich die
hoffnungsvolle Erwartungshaltung zu einer knisternden Stimmung.
Das Publikum war sehr gemischt. Alle
Altersklassen waren anzutreffen, von Besuchern die bereits das
Rentenalter erreicht zu haben schienen, über Menschen in der Mitte ihres
Lebens bis hin zu Teenagern. Auch das Outfit war sehr gemischt, denn man
sah die Geschäftsfrau / den Geschäftsmann ebenso wie den Metalfan, der
mit Tattoos, Piercings und Rockerweste zum Konzert kam. Und alle hatten
an diesem Abend eine Menge Spaß.
Kurz nach 20 Uhr startete das mehr als
zweistündige Konzert, in dem Jean Michel Jarre zu einem Intro von der
gegenüberliegenden Seite der Bühne die Halle betrat und durch die Reihen
der Zuschauer ging. Dabei zeigte er sich sehr Fannah und schüttelte so
manche Hand und machte selbst vor einer Umarmung nicht halt. Er hatte
das Publikum schon in den ersten Momenten fest in seinem Griff. Und so
freundlich, wie zum Einmarsch in die Halle, zeigte er sich auch während
des ganzen Konzertes. Er begrüßte zunächst das Publikum auf Deutsch mit
den Worten: „Guten Abend Dortmund“ und wünschte allen einen tollen
Abend.
Mit Jarre auf der Bühne standen seine
drei Mitstreiter Jerome Gueguen (er ist für Dominique Perrier
dazugekommen, der auf der letztjährigen Tour Jarre unterstützte), Claude
Samard und Francis Rimbert (die beiden sind schon jahrelang dabei). Das
Programm hat Jarre zur letzten Tour in einigen Teilen geändert, so dass
auch bei denjenigen, die ihn in 2010 gesehen haben, keine Langeweile
aufkam. Aber kann das bei der druckvollen Interpretation überhaupt
geschehen? Ich meine nein. Jarre hatte ein sehr rhythmisches Set
ausgewählt, bei dem er schon früh die Zuschauer zum mitklatschen
animierte. Für Elektronikkonzerte ist das eher ungewöhnlich, sitzen die
Zuschauer dort doch meist verhalten auf ihren Sitzen, aber bei Jarre
funktioniert das hervorragend. So kam die Stimmung in der Halle schnell
auf den Siedepunkt.
Die Show des Franzosen war auch wieder
erste Sahne, denn neben der Großbildleinwand kamen zahlreiche Laser zum
Einsatz die die Luft in der Westfalenhalle förmlich sezierten. Während
beim ersten Stück „Oxygene 2“ noch der Vorhang vor der Leinwand
geschlossen blieb und sich nur langsam öffnete, waren bei „Equinoxe 7“
schon die ersten Großanimationen zu sehen. Zu „Equinoxe 5“
durchschnitten Laser den Raum und bei „Rendezvous 3“ griff Jarre dann
das erste Mal zu seiner imposanten Laserharfe.
Beim Stück „Magnetic Fields“ kamen
dann Livebilder der Musiker zum Einsatz, die auf der Leinwand allerdings
in schwarz/weiß gezeigt wurden und dem Ganzen einen nostalgischen Touch
verliehen. Wie schon vor einem Jahr hatte Jarre die Stücke umarrangiert
und verpasste ihnen durch die druckvollere und rhythmischere Variante
eine gewisse Frische.
Zu „Souvenir de Chine“ sagte Jarre,
das er vor Jahren einer der ersten westlichen Musiker war, der dort
spielen durfte. Als optische Unterstützung wurde das Cover seines 82’r
Albums „The Concerts In China“ auf die Leinwand projiziert. Beim
folgenden „Oxygene 5“ hängte er sich dann sein tragbares Keyboard um und
kam damit an den Bühnenrand, während die Laser von der Seite aus die
Halle durchpflügten. Dann ging er hinter seine Instrumente zurück und
man sah ihn an den Synthies schrauben. Dabei entlockte er den
Gerätschaften unglaublich fette Bässe, die durch Mark und Bein
schnitten. Es vibrierte unglaublich in der Halle. Das ist Musik wie ich
sie mag, in dem man sie nicht nur hört, sondern auch spürt.
Streckenweise trug Jarre eine Brille,
an der sich eine Kamera befand. So konnte man die Instrumente und seine
Hände aus seiner Perspektive sehen. Dabei wandelt er manchmal mit
ausgestreckten Armen über die Bühne, was dem Ganzen eine surreale Note,
so wie bei einem Zombiefilm, verlieh. Dann setzte Jarre auch noch ein
Theremin ein, dem er nicht nur helle und hohe Töne entlockte, sondern
damit auch unglaublich fette Basstöne durch den Raum schickte.
Bei „Equinoxe 4“ gab es dann im
Publikum kein Halten mehr und die Zuschauer standen das erste Mal von
ihren Plätzen auf, um sich rhythmisch zu bewegen und mitzuklatschen. Als
nächstes erklärte Jarre den Hintergrund zum Stück „Statistics“. Er
meinte, dass jeweils ein Cent der verkauften Eintrittskarten für
humanitäre Zwecke gespendet werde. Dies sei nicht viel, aber wenn alle
Künstler oder auch Printmedien einen Cent pro verkauftem Ticket oder
Zeitung abgeben würden, ließe sich die Not in der Welt ein halbes Jahr
lindern. Zwischendurch ließ Jahre dann die Anzahl der Laser und
Scheinwerfer ansteigen um kaum noch Platz für etwas anderes in der Halle
zu lassen. Das war sehr beeindruckend. Zu „Revolution Industrielle Part
3“ kletterte Jarre dann mit seinem tragbaren Keyboard auf ein Podest
direkt hinter seinen Synthies, während die Lichtstrahlen am Bühnenrand
wie eine Mauer wirkten.
Spätestens bei „Chronology 2“
verließen dann viele der Zuschauer ihren Platz und strömten an den
Bühnenrand. Der Lohn war nicht nur die Nähe zu Jarre, sondern auch seine
Zustimmung, denn er genoss die Euphorie der ersten Reihen förmlich und
saugte sie in sich auf. Was folgte war ein mitreißendes „Oxygene 4“, bei
dem alle Dämme im Publikum brachen. Dazu war dann im Hintergrund eine
überdimensionale Erdkugel zu sehen, die sich langsam von der Decke
herunter bewegte.
Als Zugabe gab es dann noch „Teo &
Tea“, das in der Liveversion wesentlich besser rüber kam, als auf CD.
Jarre ging dabei an seinem tragbaren Keyboard richtig ab und wandelte
wie durch einen Laserkäfig. Dann folgte das Stück „Vintage“, bei dem die
Zuschauer mit ihren Handys oder Fotoapparaten Licht erzeugen sollten und
dies von einer Kamera eingefangen wurde. Die Projektion auf der Leinwand
sah dann wie ein Sternenhimmel aus. Den Abschluss bildete dann „Fin de
Siecle“.
Jarre live, das ist immer noch ganz
großes Kino. Wer seine Musik oder generell elektronische Musik mag, der
sollte sich seine Liveauftritte nicht entgehen lassen.