Bernd Kistenmacher
(Electronic Circus-Festival, Gütersloh - 04.10.2014)


     

Nach dem rhythmischen Auftakt des Alerick Projects war "Berliner Schule" at it's Best angesagt. Bernd Kistenmacher aus Berlin gab sich in Gütersloh die Ehre und spielt eine Premiere, denn der Hauptteil seines Auftrittes bestand aus Stücken seines in einigen Wochen erscheinenden neuen Albums "Paradise".

    

    

Frank Gerber vom Electronic Circus erzählte vor Beginn des Konzertes, dass die Veranstalter vor einigen Jahren Bernd getroffen hatten. Damals reifte schon die Idee, den Berliner Musiker - er veröffentlicht bereits seit 1986 seine Werke - im Circus auftreten zu lassen. Im Jahr 2014 hat es nun endlich geklappt und dazu noch mit der oben erwähnten Premiere. Bernd richtet seinerseits zunächst einige Worte ans Publikum und besonders an Winfried Trenkler, der Radio-Moderator-Legende (er hat jahrelang die Kultsendungen "Rock In" und "Schwingungen" im WDR moderiert). Bernd meinte, dass er ohne Winfried heute hier nicht an dieser Stelle stehen würde und erinnerte an das erste Treffen und an viele gemeinsame Erlebnisse. Um die Stimmung anzuheizen und ein schönes Erinnerungsfoto zu bekommen, forderte Bernd das Publikum dann auf die Hände in die Höhe zu reißen und in Massenhysterie zu verfallen. Das klappte beim ersten Mal natürlich noch nicht und so musste ein zweites Mal gejubelt werden. Dann jedoch startet er mit seinem Programm.

     

    

Als erstes stand ein Dreierblock aus dem kommenden Album "Paradise" an. Die Stücke "Ghost", "Born From Innocence" und "Raindance" kamen als kompakter Block daher. Die drei Stücke gingen nahtlos ineinander über und wirkten wie ein einziger Longtrack. So wird es laut Bernd auch auf "Paradise" sein, mehrere Stücke, die eine kompakte Komposition ergeben, aber einzeln angesteuert werden können.

    

    

    

Mit Vogelgezwitscher, gefolgt von Gewitter und einer sanften Melodie, leitete Bernd in die neue Musik ein. Schnell entwickelte sich "Ghost" in ein Stück mit hymnischen Klängen, die im weitern Verlauf auch kurz in Richtung Vangelis glitten. Damit wirkte seine Musik wie ein monumentaler Soundtrack, der vor pompösen Klanglandschaften nur so strotzte, aber auch seine leisen und intimen Momente hatte. Nach den ersten Flächen die zunächst auch sakral angelegt waren, kamen dann Sequenzerrhythmen auf, die sich hypnotisch ins Hirn bohrten. Da klang dann auch die "Berliner Schule" durch. Und doch hatte Bernd frische Sounds und Melodiebögen eingebaut, die aus den neuen Stücken eine unwiderstehliche Musik machten.

     

    

Auch in den Stücken tauchten immer wieder Tierstimmen wie Vogelgezwitscher und Donnerhall auf, was die Musik in eine von der Natur bestimmte Welt, einem Paradies, transportierte. In "Raindance" zog Bernd dann noch einmal den Rhythmus an. Ein fetter Sound  sorgte für sehr druckvolle Stücke, die einem die Sinne vernebelten. Nicht nur für die Veranstalter - wie Frank Gerber dies nach dem Konzert bemerkte - sondern auch für mich war es einer der beeindruckendsten und besten Auftritte, die Bernd in den letzten Jahren gegeben hat.

     

    

     

Zu den Stücken des neuen Albums zeigte Bernd Computergrafiken von großen Hallen, Landschaften aus der Luft gesehen (oder sollte dies ein Gehirn darstellen?) und Burgen, die langsam dahin zu ziehen schienen. Das passte sehr gut zu den langsamen und hymnischen Sounds, die Bernd aus seinen Gerätschaften zauberte.

    

    

Danach stand dann der Titel "Rücksturz" auf dem Programm, der von Bernd's Debütalbum "Head-Visions" stammt, das im Jahr 1986 veröffentlicht wurde. Dieses Album hat Bernd neu remastert, mit modernem Klang sowie besserem Mix versehen und es im Jahr 2012 als Vinyl und ganz aktuell als CD wiederveröffentlicht, weil ihm die Musik darauf sehr wichtig ist und ihm sehr am Herzen liegt. Auch "Rücksturz" stellte sich als absolut hypnotische Nummer heraus.

     

    

Fette Synthiesounds, die durch den Raum dröhnten, leiteten in diesen Longtrack ein. Sanfte Melodiebögen sorgten für eine tranceartige Stimmung im Publikum, der man sich nicht entziehen konnte. Nach mehreren Minuten startete Bernd dann die Sequenzer und änderte so ein wenig den Stil, ohne aber die hypnotische Wirkung zu durchbrechen. Ein tolles Stück, das nach 28 Jahren  noch nichts von seiner Faszination verloren hat. Das sah auch Bernd so, denn an seiner Mimik war abzulesen, dass er komplett mit seiner Musik verschmolz.

    

     

    

Als Zugabe hatte Bernd dann noch einen weiteren Titel, "Everlasting Magic", auf der Liste, der auf dem neuen Album "Paradise" erscheinen wird. Mit diesem Stück setzte er den hymnischen und pompös angelegten Part des ersten Teiles fort. Wunderbare, sich einschmeichelnde Melodien woben durch den Raum. Eine Livekamera sorgte dafür, dass das Publikum dem Musiker förmlich auf die Finger schauen konnte. So war sehr schön zu sehen, welche Teile der Berliner Elektronikmusiker live spielte.

    

    

Bernd Kistenmacher lieferte ein tolles Konzert und damit einen seiner besten Auftritte der letzten Jahre ab. Er verstand es bei den neuen Stücken einen treibenden Sound zu entwickeln, der sich langsam veränderte und dabei immer hochgradig spannend blieb. An diesen Stücken und dem Track "Rücksturz" vom Debütalbum war deutlich zu erkennen, wie sich Bernd und sein Stil mittlerweile verändert bzw. weiterentwickelt hat. Wenn das Album so gut wird, wie sein Auftritt, dann haut er im Herbst noch einen heißen Kandidaten für den Schallwelle-Preis in der Kategorie "Bestes Album national" raus.

    

    

 

Setlist

Ghost
Born From Innocence
Raindance
Rücksturz

Zugabe

Everlasting Magic

Stephan Schelle, Oktober 2014

 


     

Alerick Project

Vile Electrodes