

Ob in einer Liege oder im
Wasser schwerelos treibend, jede Art die elektronische Musik in sich
aufzunehmen war ein ganz eigener Genuss.
Es war das Wochenende, an
dem u. a. das Münsterland in wahren Schneemassen versinken sollte. Dies
hatte zur Folge, dass einige Autobahnen aufgrund des plötzlichen Schneechaos
kollabierten, so mussten die Veranstalter kurzerhand das Programm ändern,
denn Thomas Kagermann und eVa, die das Festival eröffnen sollten, trafen
nicht rechtzeitig ein, vielmehr erreichten sie erst gegen 1:00 Uhr in der
Nacht die Therme.


Wolfram Spyra und Chris Lang
eröffneten daraufhin kurzerhand den ersten Set. Sie boten ihren typischen
Stil der geprägt ist aus einer Kombination von ungewöhnlichen Spyra
typischen Sounds und an Klaus Schulze angelehnte Sequenzen, Arpeggios und
Harmonielinien, die Chris beisteuerte. Es folgten Broekhuis, Keller &
Schönwälder die ihren Sequenzer orientierten Stil präsentierten. In den Set
woben sie gekonnt Klaus Schulzes „Ludwig II“ vom Album „X“ sowie eine
Passage von Mike Oldfields „Tubular Bells“ ein. Während dieser Konzerte, die
wir im Restaurant der Therme genossen, entspannten wir uns bereits von der
strapaziösen Autofahrt.


Dann kam Gerd Wienekamp,
zweite Hälfte von Rainbow Serpent und Solo unter Der Laborant unterwegs, mit
seinem Soloset. In seinem Set, der aus tollen chilligen Elementen bestand,
baute er Sounds und Strukturen ein, die an Pink Floyds „Shine On You Crazy
Diamond“ angelehnt waren. Er verfremdete sie aber so, durch einen
tribalartigen Rhythmus und Ethnosounds, dass daraus eine wahre Soundorgie
wurde. Da kam seine Vorliebe für den Progrock in ihm durch. Das war sehr
stimmungsvoll und passte hervorragend in seine Tracks. Darüber hinaus bot er
noch sehr spacige Stücke mit herrlich sphärischen Sounds und auch Passagen
die an den Soundtrack vom „Herrn der Ringe“ erinnerten, waren zu hören. Ich
hoffe nur, dass er diese Aufnahme veröffentlichen wird, denn zum einmotten
ist die Musik seines Sets einfach zu schade.


Irgendwann am
frühen Morgen, so gegen 4:00 Uhr bin ich dann weggenickt und wurde
zwischendurch von absolut geilen Sounds geweckt. Diese Töne stammten von
Thomas Kagermann und eVa, die einen Mix aus Ethno, Elektronik und sakralen
Sounds bzw. Gesang boten. Das hatte eine Gänsehauttreibende Wirkung und ließ
mich in einen tranceartigen Zustand verfallen. Es war fantastisch, diesen
hypnotischen Sound in einem Halbschlaf ähnlichen Zustand, in dem ich aber
noch die Musik in mich aufnahm, zu erleben. Einen ähnlichen Set sollten die
beiden am nächsten Tag zur „besten Sendezeit“ noch einmal wiederholen. Tag
eins endete dann so gegen 6:00 Uhr in der Früh.


Auch für die
Optik hatte der Organisator, Micky Remann etwas parat. Eine vier- bis
fünfköpfige Truppe von Jongleuren hantierte in beiden Nächten in der
Dunkelheit, direkt am Außenbecken und vor der großen Glasfront der Therme,
mit diversen Feuerspielereien. Da wurden brennende Keulen, Stäbe und Seile
durch die Dunkelheit gewirbelt, dazu die treibende, fließende
Elektronikmusik im Hintergrund, das hatte was.


Am
Samstagabend ging es dann gegen 19:00 Uhr in die zweite Runde des Festivals.
Den Start besorgten Thomas Kagermann und eVa. Der deutsche
Multiinstrumentalist Thomas Kagermann wird auch oft als der deutsche
Ethnokünstler bezeichnet. Seine mit Keyboard, Geige oder Flöte erzeugten
Grundstimmungen werden dann vom eigenen bzw. dem Gesang von eVa verfeinert.
Stimme, Sprache und Worte, die zum Teil in einer Fantasiesprache gehalten
sind, legen sich auf diesen harmonischen Boden, aus dem dann auch immer mal
wieder sakrale Worte aus allen möglichen Religionen auftauchen. Wenige
vorprogrammierte Loops und Rhythmen bilden die Grundlage für die von beiden
dann spontan erdachten Improvisationen. Daher ist auch nicht ein Konzert wie
das andere. Hervorzuheben ist noch, dass die beiden bei diesem Festival den
ersten richtigen gemeinsamen Liveauftritt bestritten. Das hat man aber
überhaupt nicht gemerkt, da beide sehr gut aufeinander abgestimmt waren, und
sich quasi blind verstanden.


Gleich zu Anfang begannen
die beiden mit einer sehr stimmungsvollen Gesangseinlage. Während Thomas
einen unverständlichen Text erst sehr monoton, dann in einem, mich an
griechische Mönche erinnernden Stil sprach, setzte eVa mit ihrer Stimme sehr
schön Harmonien dagegen. Es folgten von Thomas gespielte Flächen auf dem
Synthie, was das Ganze auf eine neue Ebene hob. Langsam fließend glitten die
Klänge durch die Kuppel der Therme. Das war einfach genial und erzeugt eine
wohlige Gänsehaut. Dazu konnte man auf der Liege entspannen oder sich im
Salzwasser treiben lassen. eVa’s Stimme nahm zwischenzeitlich marokkanische
Klangfarben an und auch die sakralen Einwürfe der vorherigen Nacht fanden
sich wieder in Thomas Gesang. eVa ging richtig in der Musik auf, was sich
nicht nur durch ihren akzentuierten Gesang, sondern auch durch die tanzenden
Bewegungen, die sehr anmutig aber auch hypnotisiert waren und sie zu einem
Blickfang machten, zeigte. Zwischendurch streute Thomas Sounds, die an
Walgesänge erinnerten in seine Harmonien ein, auch setzte er seine Geige und
die Flöte ein. Aber nicht nur sanfte Harmonien, auch rhythmische Elemente
fanden sich in ihrem Auftritt. Zum Ende des Konzertes entwickelte sich ein
wahres Duell zwischen eVa’s Stimme und Thomas Geige. Ein absolut geiler Set
der beiden. Waren vor dem Konzertbeginn noch viele Nebengeräusche durch die
gut 400 Gäste zu hören, so trat durch Kagermanns wunderbare Harmonien eine
andächtige Stille ein. Die Hektik der vorübergehenden Stunden war plötzlich
wie weggeblasen.


Der Auftritt
von Broekhuis, Keller & Schönwälder war solide. Der Set war eher ruhig
gehalten und bot zudem eine Lesung aus dem Unterwasser-Musical „Ozeandertal“.
Auch woben sie wieder Schulze-Anleihen in ihren Set ein. Dann kamen erneut
Wolfram Spyra und Chris Lang zu ihrem Recht. Auch die beiden boten wieder
einen tollen Set, in dem unter anderem erweiterte Versionen von „Xenophones“
und „Subsequent Spaces“ vom 2000’er Spyra-Album „Homelistening Is Killing
Clubs“ enthalten waren. Dann hatte abermals Gerd Wienekamp seinen Einsatz.
Zunächst zauberte er wieder Solo einen sehr dynamischen Plot mit herrlichen
Akkorden und tollen frischen Sounds. Bas Broekhuis sorgte dazu an den
gefüllten Wasserkanistern noch für den nötigen Rhythmus. Nach einiger Zeit
gesellte sich noch Thomas Kagermann hinzu und steuerte mit seiner Geige
einige sehr schöne Improvisationen bei. Zwischendurch erklangen Sounds, die
wir von Jean Michel Jarres „Oxygene“ her kennen, dazu ein druckvoller
Rhythmus und die akzentuierte Geige von Thomas Kagermann. Das war eine tolle
Kombination.
Und hier einige Bilder vom im Außenbereich stattgefundenen
Feuerzauber:


Wer jetzt noch
bis in die frühen Morgenstunden aushalten konnte (ich musste leider
zwischendurch die Augen schließen und war kurz eingenickt), der erlebte die
letzten Stunden - so bis ca. gegen 5.00 Uhr morgens - noch einmal ein
außergewöhnliches Konzert von Wolfram Spyra und Chris Lang, die noch einmal
Vollgas gaben und einige mördermäßigen Sounds raushauten.


Das schöne an
diesem Festival war, dass es eigentlich egal war, wer mit wem da
zusammenspielte, denn alle verstanden sich blind und erzeugten eine tolle
Atmosphäre der man sich in dieser wirklich herausragenden Location nicht
entziehen konnte. Einziger Wehrmutstropfen des zweiten Tages war der doch in
Intervallen auftretende Ausfall einiger Boxen in der Therme. Das konnte aber
den guten Gesamteindruck nicht schmälern. Ein Festival in der Toskana Therme
ist wie ein Urlaub im Süden. Wer’s nicht glaubt muss es einfach mal
ausprobieren.

Stephan Schelle,
29.11.2005
Infos zur Toskana Therme findet ihr unter:
www.liquid-sound.com |