Bad Sulza 2005
Liquid Sound Festival
am 25. und 26.11.2005 in Bad Sulza
 

Schwebende, fließende und hypnotische Klänge in einem schwerelosen Zustand erleben, und das ohne Drogen? Ja, das geht und zwar in der Toskana Therme in Bad Sulza, im Osten unserer Republik. Dort fand am 25. und 26.11.2005 das Liquid Sound Festival 2005 statt.

Bereits in 2002 und 2003 hatte es zwei hochkarätige Festivals u. a. mit Musikern des Manikin Labels in der Toskana Therme gegeben und in 2005 führten sie diese Tradition nun fort.

Folgende Künstler waren angetreten, um die Besucher zu einem Trip in die Schwerelosigkeit mitzunehmen:

Thomas Kagermann und eVa
Broekhuis, Keller & Schönwälder
Gerd Wienekamp aka Der Laborant
Wolfram Spyra und Chris Lang

     

         

         

Ob in einer Liege oder im Wasser schwerelos treibend, jede Art die elektronische Musik in sich aufzunehmen war ein ganz eigener Genuss.

Es war das Wochenende, an dem u. a. das Münsterland in wahren Schneemassen versinken sollte. Dies hatte zur Folge, dass einige Autobahnen aufgrund des plötzlichen Schneechaos kollabierten, so mussten die Veranstalter kurzerhand das Programm ändern, denn Thomas Kagermann und eVa, die das Festival eröffnen sollten, trafen nicht rechtzeitig ein, vielmehr erreichten sie erst gegen 1:00 Uhr in der Nacht die Therme.

         

         

Wolfram Spyra und Chris Lang eröffneten daraufhin kurzerhand den ersten Set. Sie boten ihren typischen Stil der geprägt ist aus einer Kombination von ungewöhnlichen Spyra typischen Sounds und an Klaus Schulze angelehnte Sequenzen, Arpeggios und Harmonielinien, die Chris beisteuerte. Es folgten Broekhuis, Keller & Schönwälder die ihren Sequenzer orientierten Stil präsentierten. In den Set woben sie gekonnt Klaus Schulzes „Ludwig II“ vom Album „X“ sowie eine Passage von Mike Oldfields „Tubular Bells“ ein. Während dieser Konzerte, die wir im Restaurant der Therme genossen, entspannten wir uns bereits von der strapaziösen Autofahrt.

         

         

Dann kam Gerd Wienekamp, zweite Hälfte von Rainbow Serpent und Solo unter Der Laborant unterwegs, mit seinem Soloset. In seinem Set, der aus tollen chilligen Elementen bestand, baute er Sounds und Strukturen ein, die an Pink Floyds „Shine On You Crazy Diamond“ angelehnt waren. Er verfremdete sie aber so, durch einen tribalartigen Rhythmus und Ethnosounds, dass daraus eine wahre Soundorgie wurde. Da kam seine Vorliebe für den Progrock in ihm durch. Das war sehr stimmungsvoll und passte hervorragend in seine Tracks. Darüber hinaus bot er noch sehr spacige Stücke mit herrlich sphärischen Sounds und auch Passagen die an den Soundtrack vom „Herrn der Ringe“ erinnerten, waren zu hören. Ich hoffe nur, dass er diese Aufnahme veröffentlichen wird, denn zum einmotten ist die Musik seines Sets einfach zu schade.

         

         

Irgendwann am frühen Morgen, so gegen 4:00 Uhr bin ich dann weggenickt und wurde zwischendurch von absolut geilen Sounds geweckt. Diese Töne stammten von Thomas Kagermann und eVa, die einen Mix aus Ethno, Elektronik und sakralen Sounds bzw. Gesang boten. Das hatte eine Gänsehauttreibende Wirkung und ließ mich in einen tranceartigen Zustand verfallen. Es war fantastisch, diesen hypnotischen Sound in einem Halbschlaf ähnlichen Zustand, in dem ich aber noch die Musik in mich aufnahm, zu erleben. Einen ähnlichen Set sollten die beiden am nächsten Tag zur „besten Sendezeit“ noch einmal wiederholen. Tag eins endete dann so gegen 6:00 Uhr in der Früh.

         

         

Auch für die Optik hatte der Organisator, Micky Remann etwas parat. Eine vier- bis fünfköpfige Truppe von Jongleuren hantierte in beiden Nächten in der Dunkelheit, direkt am Außenbecken und vor der großen Glasfront der Therme, mit diversen Feuerspielereien. Da wurden brennende Keulen, Stäbe und Seile durch die Dunkelheit gewirbelt, dazu die treibende, fließende Elektronikmusik im Hintergrund, das hatte was.

         

         

Am Samstagabend ging es dann gegen 19:00 Uhr in die zweite Runde des Festivals. Den Start besorgten Thomas Kagermann und eVa. Der deutsche Multiinstrumentalist Thomas Kagermann wird auch oft als der deutsche Ethnokünstler bezeichnet. Seine mit Keyboard, Geige oder Flöte erzeugten Grundstimmungen werden dann vom eigenen bzw. dem Gesang von eVa verfeinert. Stimme, Sprache und Worte, die zum Teil in einer Fantasiesprache gehalten sind, legen sich auf diesen harmonischen Boden, aus dem dann auch immer mal wieder sakrale Worte aus allen möglichen Religionen auftauchen. Wenige vorprogrammierte Loops und Rhythmen bilden die Grundlage für die von beiden dann spontan erdachten Improvisationen. Daher ist auch nicht ein Konzert wie das andere. Hervorzuheben ist noch, dass die beiden bei diesem Festival den ersten richtigen gemeinsamen Liveauftritt bestritten. Das hat man aber überhaupt nicht gemerkt, da beide sehr gut aufeinander abgestimmt waren, und sich quasi blind verstanden.

         

         

Gleich zu Anfang begannen die beiden mit einer sehr stimmungsvollen Gesangseinlage. Während Thomas einen unverständlichen Text erst sehr monoton, dann in einem, mich an griechische Mönche erinnernden Stil sprach, setzte eVa mit ihrer Stimme sehr schön Harmonien dagegen. Es folgten von Thomas gespielte Flächen auf dem Synthie, was das Ganze auf eine neue Ebene hob. Langsam fließend glitten die Klänge durch die Kuppel der Therme. Das war einfach genial und erzeugt eine wohlige Gänsehaut. Dazu konnte man auf der Liege entspannen oder sich im Salzwasser treiben lassen. eVa’s Stimme nahm zwischenzeitlich marokkanische Klangfarben an und auch die sakralen Einwürfe der vorherigen Nacht fanden sich wieder in Thomas Gesang. eVa ging richtig in der Musik auf, was sich nicht nur durch ihren akzentuierten Gesang, sondern auch durch die tanzenden Bewegungen, die sehr anmutig aber auch hypnotisiert waren und sie zu einem Blickfang machten, zeigte. Zwischendurch streute Thomas Sounds, die an Walgesänge erinnerten in seine Harmonien ein, auch setzte er seine Geige und die Flöte ein. Aber nicht nur sanfte Harmonien, auch rhythmische Elemente fanden sich in ihrem Auftritt. Zum Ende des Konzertes entwickelte sich ein wahres Duell zwischen eVa’s Stimme und Thomas Geige. Ein absolut geiler Set der beiden. Waren vor dem Konzertbeginn noch viele Nebengeräusche durch die gut 400 Gäste zu hören, so trat durch Kagermanns wunderbare Harmonien eine andächtige Stille ein. Die Hektik der vorübergehenden Stunden war plötzlich wie weggeblasen.

         

         

Der Auftritt von Broekhuis, Keller & Schönwälder war solide. Der Set war eher ruhig gehalten und bot zudem eine Lesung aus dem Unterwasser-Musical „Ozeandertal“. Auch woben sie wieder Schulze-Anleihen in ihren Set ein. Dann kamen erneut Wolfram Spyra und Chris Lang zu ihrem Recht. Auch die beiden boten wieder einen tollen Set, in dem unter anderem erweiterte Versionen von „Xenophones“ und „Subsequent Spaces“ vom 2000’er Spyra-Album „Homelistening Is Killing Clubs“ enthalten waren. Dann hatte abermals Gerd Wienekamp seinen Einsatz. Zunächst zauberte er wieder Solo einen sehr dynamischen Plot mit herrlichen Akkorden und tollen frischen Sounds. Bas Broekhuis sorgte dazu an den gefüllten Wasserkanistern noch für den nötigen Rhythmus. Nach einiger Zeit gesellte sich noch Thomas Kagermann hinzu und steuerte mit seiner Geige einige sehr schöne Improvisationen bei. Zwischendurch erklangen Sounds, die wir von Jean Michel Jarres „Oxygene“ her kennen, dazu ein druckvoller Rhythmus und die akzentuierte Geige von Thomas Kagermann. Das war eine tolle Kombination.

Und hier einige Bilder vom im Außenbereich stattgefundenen Feuerzauber:

         

         

Wer jetzt noch bis in die frühen Morgenstunden aushalten konnte (ich musste leider zwischendurch die Augen schließen und war kurz eingenickt), der erlebte die letzten Stunden - so bis ca. gegen 5.00 Uhr morgens - noch einmal ein außergewöhnliches Konzert von Wolfram Spyra und Chris Lang, die noch einmal Vollgas gaben und einige mördermäßigen Sounds raushauten.

         

         

Das schöne an diesem Festival war, dass es eigentlich egal war, wer mit wem da zusammenspielte, denn alle verstanden sich blind und erzeugten eine tolle Atmosphäre der man sich in dieser wirklich herausragenden Location nicht entziehen konnte. Einziger Wehrmutstropfen des zweiten Tages war der doch in Intervallen auftretende Ausfall einiger Boxen in der Therme. Das konnte aber den guten Gesamteindruck nicht schmälern. Ein Festival in der Toskana Therme ist wie ein Urlaub im Süden. Wer’s nicht glaubt muss es einfach mal ausprobieren.

Stephan Schelle, 29.11.2005

Infos zur Toskana Therme findet ihr unter:

www.liquid-sound.com

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