Kraftwerk-Story
 

Die Gruppe Kraftwerk, die für viele Künstler der Synthiepop- und Techno-Szene als Väter ihrer Musik gelten, hatte ihren Ursprung Ende der 60‘er Jahre.

Der Architektstudent Ralf Hütter, geboren am 20.08.1946 in Krefeld, traf 1968 während eines Jazzkurses an der Akademie in Remscheid den Düsseldorfer Florian Schneider (geb. am 07.04.1947). Ralf hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre eine klassische Klavierausbildung genossen und spielte ebenfalls Orgel, Flöte und Baß. Erste erste musikalische Erfahrungen sammelte er in diversen Amateurbands. Florian Schneider hatte 10 Jahre am Konservatorium Düsseldorf studiert und spielte Flöte, Geige und Gitarre. Seine musikalischen Erfahrungen machte er im Jazzbereich.

Beide verstanden sich gut und so ist es auch verständlich, dass sie ihre gemeinsame musikalische Zukunft planten. Ihre ersten gemeinsamen Gehversuche machten sie unter dem Namen Organisation. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 1969 ihr erstes Album, welches unter dem Titel Tone Float erschienen ist. Die sehr experimentelle und psychedelische Musik war noch mit "herkömmlichen" Instrumenten eingespielt worden.


Ralf und Florian live (Anfang der 70'er)

Anfang 1970 wechselten die beiden ihren Bandnamen und firmieren seit dem als Kraftwerk. Im gleichen Jahr richten sie sich in Düsseldorf ihr "Kling-Klang-Studio" ein. Hier entstanden im Laufe der Zeit ihre richtungsweisenden Platten.

Im Spätsommer 1970 holten sich Ralf und Florian für die Realisierung ihres zweiten Albums (das erste als Kraftwerk) zwei weitere Musiker ins Studio. Neben Andreas Hohmann unterstützte sie der Schlagzeuger Klaus Dinger, der später auch in den Bands La Düsseldorf und Neu! mitwirkte. Diese LP Kraftwerk 1 kam in den deutschen Charts bis auf Platz 30. Die Zeitschrift SOUNDS meinte, dass Kraftwerk mit diesem Album "Raffinesse zeitgenössisch-elektronischer Musik mit der Dynamik der Rockmusik verbinden". Dies ist um so erstaunlicher, da die Band auf der Platte außer einer Orgel keine elektronischen Instrumente einsetzte. Der MUSIK EXPRESS bezeichnete Kraftwerk sogar als "interessanteste Vertreter zeitgenössischer Musik made in Germany". Auf dieser LP findet sich auch das legendäre Stück Ruckzuck.

Während der zahlreichen Liveauftritte ließen sie sich auf der Bühne von einer alten Schutenlampe beleuchten. Das war eine Stehlampe, die drei biegsame, vergilbte mit Stoff bezogene Pergament-Lampenschirme hatte. In den 50‘er Jahren waren diese Lampen modern, ebenso wie der berühmt berüchtigte Nierentisch.


Ralf und Florian im Studio. In der Mitte ist die Schutenlampe zu sehen.

1971 nahmen Ralf und Florian ihre dritte LP Kraftwerk 2 alleine, ohne Unterstützung weiterer Musiker, auf. Das Ergebnis der laut NRZ "Anti-Stars der deutschen Rockszene" fand wieder Gefallen. Das Album kletterte bis auf Platz 36 der deutschen Hitparaden. Die Leser der Zeitschrift SOUNDS wählten Kraftwerk in dem alljährlich stattfindenden Poll im Jahr 1971 gar zur Gruppe des Jahres. In der Rubrik "Musiker des Jahres" wurde Florian Schneider auf Platz 2 gewählt. Das Album Kraftwerk 1 landete in dieser Wahl unter den ersten drei "Langspielplatten des Jahres".

Bei den im Jahre 1972 absolvierten Liveauftritten holten sie sich wieder Unterstützung auf die Bühne. Durch den Bassisten Plato Riviera und den Gitarristen Emil Schult, der auch Grafiker war, wurden ihre Töne laut NRZ "sensibler, gingen die Assoziationen weicher ineinander über".

Das vierte Album Ralf & Florian welches Ralf und Florian 1973 wieder im Alleingang einspielten, enthielt Comiczeichnungen, die von Emil Schult stammen. Nach einem Konzert in Frankreich, stellten die beiden ihre Bühnenaktivität vorerst ein. Sie zogen sich zurück und gaben weder Interviews, noch Erläuterungen zu ihrem Konzept ab.

Das Jahr 1974 sollte sowohl für Kraftwerk wie auch für die populäre Musik ein bedeutendes Jahr werden. Für ihre fünfte LP luden sie sich mit Klaus Röder (Violine und Gitarre) und Wolfgang Flür (Percussion) wieder Gastmusiker in ihr Studio ein. Es entstand das wegweisende Album Autobahn, welches im Heft Nr. 2 des Jahres 2001 der Zeitschrift MUSIKEXPRESS von einer Jury, bestehend aus 65 Musikjournalisten, zur besten deutschen Platte aller Zeiten gewählt wurde.

Neben vier kürzeren Stücken, die sich auf der zweiten Seite der LP befinden, belegt das Titelstück die gesamte erste Seite mit einer Länge von über 20 Minuten. Die Idee zu dem Stück soll - nach nicht bestätigten Angaben - den beiden Musikern bei einer Autofahrt mit Ralf Hütters damaligen VW Käfer gekommen sein. Die Geräusche, die bei dem Stück zu hören sind, sollen mit einem Kassettenrekorder, der während einer Fahrt über die Autobahn aus dem Fenster gehalten worden ist, aufgenommen worden sein. Diese wurden dann später noch bearbeitet.

Waren auf den ersten Platten nur Instrumentalstücke zu finden, so arbeiten Kraftwerk auf Autobahn zum ersten Mal mit Gesangsparts á la "Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn". Auch die bisher "herkömmlichen" Instrumente werden durch einen Mini Moog, den sie sich für ca. DM 6.000 zugelegt hatten, ergänzt.

Die "durch elektronische Hilfsmittel skurril-vertonte Autobahnfahrt, die mächtig abgeht" (SOUNDS) fand auch im Ausland mit ihrem "dynamischen neuen Sound" Beachtung und ließ vermuten, dass Kraftwerk eine "signifikante Rolle in der progressiven Musik zufällt" (CASH BOX).

Mit dem Album kletterten sie 1975 bis auf Platz 5 der amerikanischen LP-Charts und die Singleversion von Autobahn schaffte es bis auf Platz 25 in die Single-Charts. Auch in England folgten mit Platz 10 der Single- und Platz 25 der LP-Charts sehenswerte Ergebnisse. In Deutschland landete die Single auf Platz 9 und die LP auf dem 7. Rang.

1975 verließ Klaus Röder die Band, für den der Musiker Karl Bartos einstieg. In dieser Viererbesetzung (Hütter, Schneider, Flür und Bartos), die wohl als die Stammbesetzung bekannt ist, gingen sie auch wieder auf Tournee.

Fortsetzung folgt

Stephan Schelle, Januar 2001