VLYES - Why
Progressive Promotion Records (2024)

(10 Stücke, 55:49 Minuten Spielzeit)

Es tut sich was im Umfeld der deutschen Prog-/Artrockband Sylvan. Nachdem im letzten Jahr Keyboarder Volker Soehl und Gitarrist Johnny Beck unter dem Namen Violent Jasper ein Album veröffentlichten und Sänger Marco Glühmann in den Startlöchern zu seinem ersten Soloalbum steht, veröffentlicht Kay Soehl (Bruder von Volker und bis 2007 langjähriges Mitglied und Mitbegründer von Sylvan) nach Jahren musikalischer Abstinenz am 05.04.2024 ein Album unter dem Namen VLYES. 


Zum Studio-LineUp gehörten neben Kay (elektrische und akustische Gitarren, Bass) noch Jens Lueck (Schlagzeug, Keyboards, Backgroundgesang) und Sänger Volker Oster. Als Gastmusiker/innen agierten noch Isgaard (Gesang bei einem Song), Katja Flinsch (Violine), Annika Stolze (Cello), Peter Mowka (zusätzliche Gitarren bei zwei Songs) und Joerg Linke (Bass bei zwei Stücken) Das Live-LineUp wird sich aber anders zusammensetzen.

Nach einer langen Pause von gut 14 Jahren, an einem besonders schweren Tiefpunkt, packte er zum ersten Mal seit vielen Jahren seine alte Gitarre aus und begann zu spielen. Mit Gewalt brach sich Bahn, was über Jahre geschlummert hatte. Alles wurde wieder wach und schnell wuchs in ihm die Idee zu einem Konzept-Album.

Im Frühjahr 2021 trat er mit dieser Idee für ein sehr persönliches Album auf Jens Lueck (SINGLE CELLED ORGANISM) zu, der die Idee mit großem Interesse aufnahm. Ein halbes Jahr später nahm das Album in Jens’ Studio erste Formen an und entstand in intensiver Zusammenarbeit über einen Zeitraum von 18 Monaten. Kay und Jens ergänzten sich sowohl kompositorisch als auch beim Arrangieren auf extrem befruchtende Weise, so dass der Entstehungsprozess wie eine gemeinsame Reise war. Im Studio wurden zuerst die Instrumentals aufgenommen mit Kay an akustischen und elektrischen Gitarren, sowie am Bass, Jens an Drums und Keyboards. Mit Volker Oster fand sich ein extrem ausdrucksstarker Sänger, der das Album durch seine Vielseitigkeit bereicherte.

Das Ergebnis ist „Why“ der Formation VLYES. Das Album nimmt uns mit auf eine Reise vom Anfang bis zum Ende, durch Höhen und Tiefen. Es lässt dem Hörer Interpretationsspielräume, möchte sich aber im weitesten Sinne als Kritik am maß- und respektlosen Konsum verstanden wissen. „WHY“ fordert einen jeden einzelnen vor dem Hintergrund eines für alle bekannten Problems dazu auf, sich selbst zu hinterfragen - die große Frage: Warum eigentlich? Die Antwort darauf muss jeder sich selbst geben.

Die CD, die mir vorlag, erscheint in einem sehr ansprechenden vierseitigen Digipak mit zwölfseitigem Booklet. Zwar sind die Grafiken alle recht düster gehalten, sehen aber sehr gut aus. Auf dem Silberling befinden sich zehn Stücke mit Laufzeiten von 2:16 bis 10:25 Minuten Spielzeit.

Musikalisch finden sich deutliche Spurenelemente der Bands Sylvan und Single Celled Organisation (Band von Jens Lueck). Vor allem die wunderbaren Gitarrensoli und Riffs, die man von frühen Sylvan-Werken her kennt, hat Kay auch auf dem Album „Why“ an zahlreichen Stellen untergebracht.

Musikalisch liegen die Wurzeln im Progressive Rock, die Grenzen werden jedoch durchbrochen und man hört elektronische Einflüsse, klassische Elemente, aber auch Post-Rock-Einflüsse, immer wieder dynamisch kombiniert und getragen von Kays elegisch-melodischem Gitarrenspiel.

Stimmen in einem großen Raum (wie in einer Eingangshalle) sind zu Beginn des Openers „The Arrival“ zu hören. Dann setzt eine sanfte Akustikgitarre ein, die ein leicht floydiges Flair verströmt. Nach wenigen Momenten kommt dann noch eine E-Gitarre hinzu, die nun den Melodiepart übernimmt. Das geht schon von Anfang an unter die Haut. Die Stimme von Volker Oster passt gut zu dieser Stimmung. Ein sehr atmosphärischer Einstieg in das Album.

Dann geht es gleich nahtlos mit dem nächsten Song „I Can’t Get Out“ weiter. Dieser zeigt sich wesentlich rockiger und beginnt mit einer sehr schönen Gitarrenpassage, die nach nicht ganz einer halben Minute durch Keyboards und Schlagzeug richtig Drive bekommt. Volkers Gesangsstimme bringt darüber hinaus eine Spur Gothic/Wave mit ins Spiel, was auch bei späteren Songs noch herauszuhören ist. Auch sind Passagen, die an Neo-Prog andocken mit im Spiel.

Atmosphärischer und wieder mit einer Spur Neo-Prog präsentiert sich das sehr melodische „I Need A Wise Friend“. Fetziger kommt dann mit etwas härterem Riffing der Song „Once In A While“ rüber. Die Gitarrenlicks und -melodien sind dabei zum darnieder knien. Sylvan-Feeling kommt dann besonders im Stück „The Petition“ auf. Und das teils perlende „Calm Down“ ist ein absoluter Gänsehauttrack.

In „The Abandon / Knowledge“ verfeinert Isgaard mit ihrem sanften Gesang diesen Song und verleiht ihm eine elfenhafte/floydige Stimmung. Das zarte „The End“ hätte auf jedem Sylvan-Album eine sehr gute Figur gemacht. Hier zeigt Kay, dass er seine Wurzeln nicht verleugnen kann. Und auch Jens sorgt mit herrlichen Keyboardpassagen für diese Stimmung während Volker in diesem Song etwas an Marco Glühmanns Flair heranrückt. Der Titelsong versprüht darüber hinaus ein sanftes Popfeeling, gepaart mit proggigen Sounds und wird mit einem traumhaften Sylvan-mäßigen Gitarrensolo abgeschlossen.

Es gibt auf dem Album keinen Ausfall. Von Anfang bis Ende wird man in diesen wunderbaren Soundkosmos hineingezogen, den Kay und Jens komponiert und eingespielt haben.

Kay Soehl hat in den Jahren, seit seinem Ausstieg bei Sylvan, nichts verlernt. Er zaubert immer noch grandiose Gitarrensounds aus seinen Instrumenten. Gepaart mit Jens Luecks tollen Keyboard- und Schlagzeugbeiträgen ist ein hervorragendes Artrockalbum mit weiteren Elementen aus Neo-Prog und Hardrock entstanden. Volker Osters stimme passt darüber hinaus sehr gut zu den Songs. Wer Sylvan mag, der wird auch dieses Album lieben.

Stephan Schelle, April 2024

   

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