Violent Jasper - Control
Gentle Art Of Music / Soulfood (2023)

(10 Stücke, 50:49 Minuten Spielzeit)

Kenner der deutschen Art- und Progszene werden bei den Namen Volker Söhl und Johnny Beck aufhorchen, gehören beide doch zum LineUp der Band Sylvan, die 2021 ihr letztes Album „One To Zero“ veröffentlichten. Wie Volker beim gemeinsamen Konzert mit RPWL in Bochum am 28.10.2023 verriet, sollte dies auch schon ein Soloalbum werden, wurde dann aber unter dem Banner von Sylvan mit der kompletten Band eingespielt. „Control“ von Violent Jasper, wie sich das Projekt der beiden Sylvan-Musiker nennt, ist nun das geplante Werk von Volker, der auch die komplette Musik geschrieben hat.


Die Grundidee zum nun vorliegenden Album „Control“ war Sühls Wunsch nach einem Solo-Album mit weiblichem Gesang, der durch das Narrativ eines zusammenhängenden Konzeptalbums führen sollte. Gestellt wird dieser elfenhaft, emotional und präzise von der Münchner Sängerin & Synchronsprecherin Caroline von Brünken (CvB), die auch für RPWL tätig ist, das Flaggschiff des Freisinger Labels „Gentle Art of Music“. It’s a family affair.

Im Grunde lassen sich Volker Sühls Alben mit Filmen vergleichen, sie folgen oft einem Plot, der in einem Climax gipfelt, auf rein kompositorischer Ebene wiederum einer Sonatensatzform gar nicht unähnlich. Auf „Control“ vermählen sich beide Bedeutungsebnen, eben wie im schier endlosen Universum der Filmmusik. Daher ist der Einsatz von Orchester-Instrumenten beinahe schon zwingend. Schließlich kommen auch Elemente aus klassischer Musik zur Geltung. Insbesondere „Frontiers“ und „Masquerade“ mit seinen Cembalo-Sounds bezeugen dies. Daher runden Katja Flintsch (Violine & Bratsche) und Ottfried Beck an der Oboe das komplette Ensemble ab. Liebevoll und detailliert selbst produziert, unter der Zuhilfenahme von Co-Produzent Jens Lueck, der in Personalunion kongenial auch die Drums bedient und sich für das glasklare Mix & Mastering verantwortlich zeigt.

Thematisch widmet sich „Control“ zwei Kernfragen, die ausgeleuchtet werden. Das Wechselspiel unser aller Gefühlswelt mit unserer sozialen Realität bestimmt das fragile Schauspiel einer funktionierenden Gesellschaft. Emotionen sind das Resultat von Myriaden an Faktoren: Bildung, sozialer Status, Intellekt, Traumata, Erfolgserlebnissen… lediglich: hat das Individuum die Kontrolle über die Gefühle, oder wird es von ihnen in allen Entscheidungsfindungen gesteuert? Und ist daher ein gesteuerter Kontrollverlust nicht vielleicht sogar erstrebenswert?

Die CD erscheint in einem vierseitigen Papersleeve mit 24seitigem Booklet. Neben Volker und Johnny ist auch noch ein weiteres Sylvan-Mitglied mit von der Partie. So singt Marco Glühmann bei einigen Songs, was die Nähe zur Stammband besonders deutlich macht. Darüber hinaus wirkten noch Jens Lück (Schlagzeug), Katja Flintsch (Violine) und Ottfried Beck (Oboe) an der Produktion mit.

Auch wenn Volker Söhl und Johnny Beck gleichberechtigte Mitglieder des Projektes sind, so dominieren doch Volkers Tasteninstrumente. Das zeigt sich auch schon im Opener, dem 4:40minütigen Titelsong. Sanfte Pianoklänge eröffnen dieses Stück, das eine gewisse Melancholie verströmt. Dann durchbrechen aber immer wieder kraftvolle Schlagzeugparts die Stimmung. Caroline von Brünkens Stimme wirkt in diesem Song äußerst zerbrechlich und intim. Und im Mittelteil kommt dann Marco’s markanter Gesang zum Tragen, der diese Stimmung noch verstärkt.

Das 6:36minütige „Breathe“ ist eine sanfte Ballade, in der Caroline zunächst elfenhaft ins Mikro singt und nach einigen Momenten in einen recht eindringlichen Stil wechselt. Unterbrochen wird diese balladeske Stimmung immer wieder von rhythmischeren Passagen, was den Spannungsbogen hoch hält.

Atmosphärische Gitarre und Keyboards leiten dann in den 4:31minütigen Song „Promise“ ein. In diesem symphonisch anmutenden Stück verbinden sich stellenweise die Stimmen von Caroline und Marco. Sehr zart beginnt auch das 5:08minütige „Masquerade“, das durch die Stimmsamples auch ein wenig an Sylvan’s „Posthumous Silence“ erinnert und bietet darüber hinaus symphonische Streicherpassagen. Ab der Hälfte dieses Stückes darf dann auch Johnny Beck mit einem herrlichen Solo seine Qualitäten voll ausspielen. Das sind einige Beispiele für dieses atmosphärisch dichte Album.

Volker Söhl hat hier eine perfekte Mixtur aus symphonischen, balladesken und melancholischen Klängen mit herrlichen Melodien - die von der Klangfarbe auch ein ums andere Mal an Sylvan erinnern - eingespielt. Johnny Beck bringt sich ein ums andere Mal unaufdringlich aber passend in den Sound ein, während Jens Lück am Schlagzeug für druckvolle Momente sorgt. Dazu bietet Caroline von Brünken eine emotionsgeladene und beeindruckende Gesangsleistung. Ihre Stimme verbindet sich darüber hinaus sehr gut mit den gemeinsam mit Marco Glühmann gesungenen Stücken. Wer Sylvan’s Musik mag, der liegt hier goldrichtig.

Stephan Schelle, Januar 2024

   

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