Ulysses – The Gift Of Tears

Ulysses – The Gift Of Tears
Musea Records (2009)
(7 Stücke, 61:50 Minuten Spielzeit)

Ulysses nennt sich eine Band aus den Niederlanden, die sich bereits 1998 gründete und im Jahr 2001 ihre erste Veröffentlichung (noch als Demo) herausbrachte. Von den Gründungsmitgliedern sind heute noch Gitarrist Sylvester Vogelenzang de Jong und Keyboarder Ron Mozer an Bord der fünfköpfigen Progressive-Rock-Band. Obwohl die Band bereits seit mehr als zehn Jahren in wechselnder Besetzung besteht, ist das Anfang 2009 erscheinende „The Gift Of Tears“ erst die dritte CD der Niederländer.


Thematisch beschäftigen sich Ulysses auf ihrem neuen Album mit „wahren Geschichten über echte Menschen“ und so handeln die Songs auch von Erlebnissen aus dem täglichen Leben. Das eröffnende „Family Portrait“ erzählt „wie die Menschen ihrem Leben mehr Bedeutung geben können, indem sie sich den Geschichten anderen Menschen zuwenden. Dies ermöglicht mehr Verständnis und Mitgefühl aufzubringen.“ Verpackt werden die Songs von Ulysses in Progressive Rock mit Hardrock-Einschlag. Neben ausufernden Gitarrenriffs finden sich auch Keyboardsoli und Satzgesang, was sich zu einer Mischung aus Prog-, Hard- und Melodic-Rock ausbreitet.

Während lediglich drei der Stücke unter der 7-Minuten-Marke liegen, bewegt sich der Rest darüber. Und mit „How Much More“ und dem abschließenden „Anat“ haben Ulysses gleich zwei Longtracks jenseits der 10-Minuten-Grenze auf ihrem Album.

Los geht es mit dem Stück „Family Portrait“, das im Anfangsrhythmus bei mir Erinnerungen an Sieges Even zulässt. Schon in diesem Opener wird die Stärke der Band offensichtlich, nämlich der Gesang von Michael Hos, der wirklich einen sehr guten Job macht. Seine Stimme klingt nicht weinerlich (trotz des Themas), sondern zeigt sehr ausdrucksstarke Momente. Etwas Retro wird durch die Keyboards, die manchmal an Orgel, Moog oder Mellotron erinnern, erzeugt.

In „Guidian Angel“ mischen die Jungs auch retromäßige Sounds, die nach Hardrock der 70’er klingen mit moderneren metalhaften Gitarrenlicks. Es folgt mit „Lost“ eine sehr epische, mehr proggige Midtemponummer, die eine gute Melodieführung aufweist. Mir persönlich gefällt dieser Track auch wegen des sehr melodiösen, instrumentalen Mittelteils sehr gut.

Mit wabernden Synthies und dann einsetzenden, sägenden Gitarren beginnt „Lost“, der erste Longtrack. Wie bei Longtracks üblich, finden sich hier auch Rhythmus-, Melodie- und Strukturwechsel. Ein netter Track, dem aber für meinen Geschmack noch irgendwie das gewisse Etwas zu fehlen scheint. Eine Straßenatmosphäre wird durch eine Geräuschkulisse zunächst bei „Silence Of The Night“ erzeugt, auf der sich dann eine Pianolinie legt. Mit diesem dreiminütigen Stück folgt dann auch die obligatorische Ballade, bevor es dann mit dem Titelstück weitergeht. In diesem Song arbeitet Michael mit verfremdeter Stimme, was den Eindruck erweckt, als ob die Geschichte von einer Dritten Person geschildert wird. Auch in diesem Stück werden des Öfteren die Rhythmen und Strukturen gewechselt.

Als Abschluss kommt dann das 24minütige Stück „Anat“, welches die Geschichte eines Elternpaares erzählt, deren Tochter im Alter von zwei Jahren an einem Gehirntumor verstirbt. Dieses ernste Thema beginnen Ulysses mit zunächst sehr einfühlsamen Synthieflächen, die sich langsam aus dem Off nach vorne bewegen. Die einsetzende E-Gitarre ist ebenfalls noch sehr leise darunter gemischt. Dann steigt Michael mit seinem Gesang ein, der zeitweise von einer Art Berichterstatter ergänzt wird. Akustikgitarre und Gesang gehen dann in einen etwas melancholischen Part über, bei dem der Synthie nur noch vereinzelte Eckpfeiler setzt. Nach gut drei Minuten wird es dann durch Schlagzeug und E-Gitarre rockiger und der Song nimmt Fahrt auf. Im späteren Verlauf kommt eine Frauenstimme hinzu, die einen Text spricht, der irgendwie arabisch zu klingen scheint. In diesem Stück wandeln Ulysses zwischen melancholosch/melodischen Passagen, Progrock und Metalriffs, was mir recht gut gefällt.

Ulysses bewegen sich im Umfeld von Dream Theater, Sieges Even oder auch Fates Warning. Die Stücke sind gefällig, ohne sich anzubiedern oder zu stark von ihren Vorbildern abkupfert zu sein. Damit ist den Niederländern ein gutes Werk gelungen. Wer die vorgenannten Bands mag, der sollte in jedem Fall ein Ohr wagen.

Stephan Schelle, Februar 2009

   

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