Udo Lindenberg – Stärker als die Zeit
Warner Music Entertainment (2016)

(15 Stücke, 62:26 Minuten Spielzeit)

Udo Lindenberg, Gallionsfigur des deutschen Rock und wohl der coolste Rocker, den wir in unserem Land haben, veröffentlicht am 29.04.2016 sein neues Studioalbum, das den Titel „Stärker als die Zeit“ trägt. Im Jahr 2008 stieg der Rockpoet mit der Schnodderschnauze wie Phönix aus der Asche und stürmte nach langer Durststrecke mit seinem Album „Stark wie Zwei“ damit auf Platz 1 der deutsche Albumcharts. Was für ein Erfolg und was für ein Album.


Acht Jahre sind seither vergangen und uns Udo feiert im Mai seinen 70. Geburtstag. Ja, die Idole unserer Jugend sind älter geworden. Was treibt nun diesen gestandenen Musiker in einem Alter an, in dem die meisten von uns ihre wohlverdiente Rente genießen? Udo hat sich eine ganze Reihe recht melancholischer Songs schreiben lassen und sinniert dabei teilweise über das Alter und den Tod im weitesten Sinne.

In Zeiten, in denen mehrere große Musiker der Rock- und Popszene von uns gehen oder schwere Krankheiten durchleiden, macht es mich nachdenklich, wenn die Ikone des deutschen Rock auf seinem neuen Album Texte wie „Muss da durch. Ganz egal, wohin die Stürme mich auch wehen, ganz egal, muss ich auch durch die Hölle gehen. Ich werd diesen harten Trip schon überstehen, du wirst sehen, wird schon gehen“ in „Muss da durch“ oder von einem Abschied, der so endgültig ist wie in „Wenn du gehst“ oder in „Blaues Auge“, bei dem er in seiner ganz typischen Art sein Leben analysiert und sich fragt, ob er es anders machen würde, wenn er könnte. Die Antwort lautet natürlich NEIN.

Auch wenn das Ende ein Thema für ihn geworden zu seine scheint, so geht er es doch immer mit seiner spitzbübischen, teils frechen Art an. Das zeigt sich beispielsweise in den Songs „Mein Body und ich“, in dem er seinem Körper dankt, dass er all die Strapazen, die er ihm angetan hat, überlebt hat oder etwa in „Einer muss den Job ja machen“, der von einem alternden Rockstar handelt, der sich immer wieder aufrafft um das Publikum bestens zu unterhalten. Ein klasse Rocksong ist „Coole Socke“ und bei „Der einsamste Moment“ wird er dann politisch und baut die derzeitige Weltsituation ein.

Zum Abschluss erfüllte sich Udo Lindenberg noch einen Traum, denn er konnte die Melodie des „Love Theme“ seines Lieblingsfilmes „Der Pate“ nutzen. Die Erben des Filmkomponisten Nino Rota gaben erstmals die Freigabe diese Melodie zu nutzen. Lindenberg singt hier begleitet von einem 60köpfigen Symphonieorchester über Familie und Freundschaft. Aufgenommen wurde in den ehrwürdigen Abbey Road Studios in London.

Es steckt eine Menge autobiografisches in den Texten des neuen Albums. Udo erklärt darin sehr deutlich, dass er immer sein Ding gemacht hat und sich nicht verbiegen ließ oder lässt. So singt er, dass er keinen Plan B hat und auch nicht braucht. Er bereut aber auch nichts und scheint mit sich im Reinen zu sein.

Musikalisch lässt er wie zum Beispiel im Opener „Durch die schweren Zeiten“ oder „Plan B“ wieder einige Strömungen einfließen, die an einigen Stellen an junge deutsche Bands erinnern. Das wirkt, als wolle er dem Mainstream folgen und auf Nummer Sicher gehen. Und trotzdem sind die einzelnen Songs Udo Lindenberg pur. Auf Gesangspartner hat er dieses Mal verzichtet und so wirkt „Stärker als die Zeit“ in sich geschlossen und sehr persönlich, was die Texte betrifft. Und sind wir mal ehrlich, solche Texte kann auch nur Udo singen.

„Stärker als die Zeit“ ist ein schönes Spätwerk von Udo Lindenberg, das sich gegenüber „Stark wie Zwei“ zwar etwas zurücknimmt und such nicht seine Klasse erreicht, aber es transportiert immer noch den typischen Lindenberg-Spirit. Möge uns der deutsche Altmeister noch lange so cool wie auf dem Cover entgegenblicken.

Stephan Schelle, April 2016

   

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