MoonJune Records – „Triple Feature“

MoonJune Records – „Triple Feature“

Ein Paket der etwas anderen Art erreichte uns dieser Tage zur Rezension. Das Label MoonJune Records aus New York. Moonjune? Noch nie gehört? Ging uns genauso. Gegründet wurde das Label 2001 von dem Tourmanager und Promoter Leonardo Pavkovic und ist benannt nach dem 1970er Stück „Moon in June“ des Soft Machine Drummers Robert Wyatt. Pavkovic hat es sich zur Aufgabe gemacht Künstlern eine Plattform zu bieten, die sich authentischer, herausfordernder und nicht überproduzierter Musik widmen. Dieses Ansinnen ist natürlich lobenswert, macht aber eine Kategorisierung und Beurteilung der einzelnen Alben nicht unbedingt leicht, bisweilen sogar unmöglich. Man stelle sich Jazz am einen Ende vor und Rock am anderen. Und das durchaus in einem Album, ja in einem Song.

Trotzdem oder gerade deswegen möchten wir drei Alben kurz vorstellen.
 

Iron Kim Style - Iron Kim Style
MoonJune Records (2010)
(10 Stücke, 55:51 Minuten Spielzeit)

Das erste Album der Band mit dem seltsamen Namen ist nicht nur nicht überproduziert, es ist gleich vollständig improvisiert. Daher ist es nicht ganz einfach, es überhaupt zu beschreiben. Mit Jazz-Rock, Avant-Jazz oder Free Jazz kann man zumindest die Richtung grob einschlagen. Das Eröffnungsstück „Mean Streets Of Pyongyang“, mit 10:33 Minuten das längste auf dem Album, erinnert zu Beginn ein wenig an die Titelmelodie von „Die Straßen von San Francisco“, entfernt sich dann aber ganz schnell von diesem ersten Eindruck und mutiert zu einem zunächst funkigen, dann immer dunkler werdenden Rockstück.

„Gibebrish Falter“ und „Po‘ Breef“ sind purer Free Jazz, ehe das Ambient-mäßige „Don Quixotic“ fast träumerisch-leicht daher kommt. Das folgende „Adrift“ beginnt ähnlich, verliert sich aber immer wieder in Improvisationen und endet recht abrupt. Und so geht es von Stück zu Stück.

Es ist schwierig sich auf irgendetwas einzustellen, Melodieansätze kommen und gehen ebenso schnell. Wenn man sich auf diese Art der Musik einlassen kann, entdeckt man sehr spannende Ansätze. Allerdings sollte man wirklich sehr offen daran gehen, sonst kann es einen auch raschelig machen (beides ist mir passiert). Spannend ist übrigens auch die Namensgebung der Stücke: Mein Favorit ist eindeutig „Amber Waves of Migraine“, übersetzt in etwas „Bernsteinfarbene Wellen von Migräne“. Je nach Stimmung kann es durchaus zu leichten Kopfschmerzen führen.

Kurz zur Besetzung der Band (wobei nicht von Bandmitgliedern die Rede ist, sondern von Mitreisenden): 6-string Electric Guitar: Dennis Rea (von der Progressive Rock Band „Moraine“, die beim diesjährigen „Nearfest“ in den USA spielen), Jay Jaskot (Schlagzeug), Bill Jones (Trompete), Thaddaeus Brophy 12-string Electric Guitar) und Ryan Berg (Bass).

Doubt – Never Pet A Burning Dog,
MoonJune Records (2010)
(8 Stücke, 52:57 Minuten Spielzeit)

Völlig anders und noch ein wenig abgedrehter präsentiert sich „douBt“ mit einer Mischung aus Jazz und Progressive Rock. Hierbei soll es sich um das fehlende Bindeglied zwischen Sun Ra, John Zorn’s Masada, Jazz-Urgestein Terje Rypdal, Sonic Youth und Ennio Morricone handeln (Angaben laut Label). Neben Alex Maguire, Michel Delville und Tony Bianco hat die Canterbury Legende Richard Sinclair zu den insgesamt acht Stücken des Albums beigetragen. Die ersten vier Stücke des Albums entziehen sich aus meiner Sicht jedweder Einordnung, sind offensichtlich völlig improvisiert.

Mit „Passing Cloud“ findet dann ein Bruch statt: Richard Sinclair singt in diesem Stück, das irgendwie nach Bossa Nova klingt (dafür aber den falschen Takt hat) und reißt einen damit regelrecht aus der bisherigen Stimmung (falls man in eine solche gekommen ist). „Cosmic Surgery“ beginnt düster-bedrohlich-progressiv, plätschert dann eine Zeitlang vor sich hin, nimmt in der zweiten Hälfte wieder etwas Fahrt auf, wirkt danach wieder völlig improvisiert, ehe es mit der eingangs aufgenommenen Hookline endet. Irgendwie hatte ich auf eine andere Wendung gehofft, aus meiner Sicht hat das Stück ein größeres Potenzial (aus einer Progressive-Rock-Sicht allerdings). „Aeon“ ist wieder sehr free-jazzig, das gitarrendominante „Beppe’s Shelter“ schließt das Album ab.

Eine abschließende Beurteilung möchte ich hier nicht geben, da die CD in meinen Ohren doch arg schräg klingt.

Beppe Crovella – What’s Rattlin‘ On The Moon?
MoonJune Records (2010)
(16 Stücke, 77:05 Minuten Spielzeit)

Der Untertitel des Albums „A Personal Vision Of The Music Of Mike Ratledge“ zeigt, worum es bei diesem Album in erster Linie geht: Leonardo Pavkovic von MoonJune Records erzählte Beppe Crovella von der Idee, die Musik des „Soft Machine“-Keyboarders Mike Ratledge wiederzuentdecken und zu portraitieren. Progressive-Urgestein Crovella (Arti e Mestieri) gefiel die Idee wiederum so gut, dass er direkt darauf einstieg. Umgesetzt hat er die Idee allerdings nicht im Sinne von Cover-Versionen sondern tatsächlich als Neuinterpretation. Dazu benutzt Crovella allerdings keine Keyboards sondern eher „Soft Machine“ untypische Instrumente wie das Mellotron, Farfisa und verschiedene elektronische Pianos – keine Synthesizer oder digitalen Keyboards, wie Crovella betont. Außerdem verzichtet er vollständig auf eine Rhythmus-Sektion. „Meine erste Regel bei diesem Album war, keinerlei Regeln zu machen. Die zweite Regel besagte, dass ich die Moleküle von Mike und Soft Machine nehmen, und sie, während ich ihre DNA beibehielt, in ein neues Feld einpflanzen wollte mit dem Mut der Freiheit.“

Bei den ersten zehn Stücken der CD handelt es sich um Neuinterpretationen, die Stücke 11-16 sind von Crovella extra für dieses Album geschrieben worden, drei davon nachdem er noch von der „Intensität und Emotion dieses neuen Abenteuers“ berührt war, drei nach der Neuinterpretation der Stücke.

Herausgekommen ist ein sehr spannendes oftmals sphärisch klingendes Werk. Wer die Arbeit von Mike Ratledge und Soft Machine kennt und schätzt, wird diese persönliche Vision von Beppe Crovella sicher mögen.

Hubertus Becker, Juni 2010

   

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