Traumhaus - In Oculis Meis
Progressiv Promotion Records (2020)

(16 Stücke, 98:32 Minuten Spielzeit)

Die deutsche Formation Traumhaus um ihren Mastermind Alexander Weyland (Gesang, Keyboards, Percussion, Programmierung) hat sich satte sieben Jahre Zeit gelassen um dem tollen Album „Das Geheimnis“ aus dem Jahr 2013 mit „In Oculis Meis“ einen Nachfolger folgen zu lassen. Erneut hat es einen Wechsel an Bass und Schlagzeug gegeben, während Gitarrist Tobias Hampl noch immer mit an Bord ist. Die neuen Namen sind Till Ottinger (Bass) und Ray Gattner (Schlagzeug).


Neben dem personellen Wechsel fällt aber schon zu Beginn des Albums auf, dass es weitere Entwicklungen gibt, denn Traumhaus haben in mehreren Stücken den Härtegrad gegenüber ihren vorangegangenen Veröffentlichungen angezogen. Jetzt haben auch Metalriffs und druckvolles Schlagwerk in ihren musikalischen Kosmos Einzug gehalten.

„In Oculis Meis“, das so viel bedeutet wie „Halte die Augen offen“, erschien am 24.04.2020. Den Songtexten geht im Booklet eine kurze Erklärung des jeweiligen Songs voraus. Zum eröffnende „Das Erwachen / The Awakening“ steht dort: „Gesellschaftliche Umbrüche können einen manchmal in trübe Gedanken stürzen. Sollen Hiobsbotschaften wirklich unser täglicher Ratgeber sein?“ Damit sind Traumhaus in Corona-Zeiten leider sehr aktuell unterwegs. Musikalisch zeigt sich dieses erste, etwas mehr als zweiminütige Stück von seiner proggigen Seite, die man bisher von Traumhaus gewohnt war. Nachdem mit einer Pianomelodie gestartet wird und sich beatlesker Satzgesang hinzugesellt, wird es neo-proggig, sobald Alexander’s Gesang und Keyboardspiel einsetzen. Aber auch hier kommen schon erste härtere Riffs und Rhythmen auf, die den Weg des Albums vorzeichnen. Stärkstes Erkennungszeichen ist aber vor allem Alexnder’s Gesang, der einen hohen Wiedererkennungswert besitzt.

Dem folgt das 8:22minütige „Bewahren & Verstehen / Preserve & Understanding“ mit der Erläuterung: „Wir benötigen Raum für den Blick für das Wesentliche, für die Rückbesinnung auf die eigentlichen Tugenden und Werte unserer Gesellschaft.“ Zarte Harmonien wehen in den ersten gut 30 Sekunden durch den Raum und man fühlt sich im Wohlklang wieder, bis plötzlich harte Riffs diese Atmosphäre durchbrechen und der Longtrack sich wandelt. Hier sind dann auch teilweise Ähnlichkeiten zu Bands wie Spock’s Beard herauszuhören. Alexander trägt dann sehr leidenschaftlich den Text vor, der einen herrlichen, eingängigen Refrain besitzt. Hier wechseln sich harte Passagen mit tollen melodiösen proggigen ab. Im Instrumentalteil haben Alexander und Tobias sehr schöne Keyboard- und Gitarrensoli eingebaut, während Till und Ray für den perfekten rhythmischen Unterbau sorgen.

Weiter geht es mit „Der Vorsprung / Walk On Yourself“, das es auf gut sechs Minuten Spielzeit bringt. In diesem Song geht es um: „Die Kunst ist es, Abstand von dem was kommt zu behalten, einen Schritt weiter voraus zu sein.“ In diesem Song zeigt sich das erste Mal, dass Alexander’s Stimme sich auch in Peter Gabriel’s Stimmumfang sichtlich wohlfühlt. Kein Wunder, ist Alexander doch auch Sänger in der Peter Gabriel-Coverband Secret World. Auch dieser Song besticht durch seinen sehr eingängigen Refrain.

„Ist die Angst ein perfekter Ratgeber? Die lautesten Stimmen machen manchmal nur noch mehr Angst. Sollte man dem entfliehen?“ So lautet die Erläuterung zum 5:22minütigen Song „Entfliehen / Escape“. Dieser beginnt mit einigen ethnischen Klängen, die wiederum an Peter Gabriel erinnern (vor allem die ersten gesanglichen Töne von Alexander – ohne Text), sich aber im weiteren Verlauf zu einem starken, kraftvollen Neo-Prog-Titel wandelt.

Härter zeigt sich der Beginn des 4:45minütigen „Viele Wege / So Many Ways“, bei dem es darum geht, welchen der vielen Wege wir einschlagen. Nach den zu Beginn mit harten Metalriffs startenden Tracks präsentiert die Band nun durchgängig atmosphärische Passagen, die in einem traumhaften, melodischen Refrain gipfeln.

„Reale Gegebenheiten in einem fremden Land können sehr ambivalente Gefühle hervorrufen.“ Das thematisiert das siebeneinhalbminütige Stück „Der neue Morgen / The New Morning“. Dieser Song ist im Gesamtkontext einer der härtesten des Albums.

Mit „Verstehen & Bewahren / Understanding & Preserve“ ist dann ein treibendes fünfeinhalbminütiges Instrumental auf dem Album. „Thematisch geht es darum: „Vor dem Bewahren von Werten ist das Verstehen – das Verständnis für die Hintergründe – eine notwendige Voraussetzung.“

Den Abschluss des Albums bildet dann der neunminütige Longtrack „Die Dunkelheit durchleuchten / X-Ray The Darkness“. „Die Dunkelheit ist ein fortwährender Prozess …“ Dieser beginnt mit sehr schönen, atmosphärischen Gitarrenriffs. Nach einer halben Minute werden diese dann von kraftvollen Metalriffs abgelöst, die zunächst von Keyboardharmonien unterlegt werden und in eingängige Melodielinien übergehen. Alexander lässt streckenweise seine Stimme metallisch verfremden, was dem Song eine besondere Note verleiht. Auch kommen wieder einige Gesangselemente auf, die an Peter Gabriel erinnern. Ein toller Abschluss dieses hervorragenden Albums.

Ein Novum für Traumhaus ist, dass das Album als DoppelCD erscheint, bei dem auf der ersten CD die Songs in deutscher und sie auf dem zweiten Silberling in englischer Sprache platziert wurden. Dem sechsseitigen Digipack wurde ein zwölfseitiges Booklet spendiert, in dem die Texte in beiden Sprachen abgedruckt sind. Außerdem ist „In Oculis Meis“ das erste Traumhaus-Album, das auf Vinyl erscheint. Es gibt dabei zwei Versionen (eine deutsche und eine englische), die jeweils auf eine Stückzahl von 250 limitiert sind.

Schade, dass wir sieben Jahre auf den neuesten Output von Traumhaus warten mussten. Das Endergebnis aber überzeugt auf ganzer Linie. Auch zeigt die Band eine Weiterentwicklung, die dem Sound gut zu Gesicht steht. Es ist zu hoffen, dass bis zum Nachfolger von „In Oculis Meis“ nicht wieder sieben Jahre ins Land gehen.

Stephan Schelle, Mai 2020

   

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