Time Shift Accident - Chronosthesia
Generation Prog Records (2019)
(8 Stücke, 57:58 Minuten Spielzeit)

Time Shift Accident ist ein vierköpfiges Rockquartett aus Nürnberg. Gegründet wurde die Band Ende 201. Bis zur Veröffentlichung ihres Debütalbums „Chronosthesia“ dauerte es aber noch bis zum September 2019. Die Band tritt beim 2023’er Night Of The Prog-Festival auf und schickte mir im Vorfeld ihr Album. Die Band besteht aus Generation Prog-Alumni Dave Mola (Effloresce) an der Gitarre und Michael Schetter (Relocator, ex-Seven Steps to the Green Door) am Bass, mit Jazz-Fusion-Veteran Günter W. Schmuck an den Keyboards und dem jungen Schlagzeugtalent Paul Ettl am Schlagzeug.


Auf dem Album, das in einem Jewelcase mit vierseitigem Booklet erschienen ist, spielt das Quartett eine Mischung aus Progressive Rock und Jazzrock. Es finden sich aber auch Elemente aus Metal und Latin in den Stücken wieder. Das mag jetzt zwar recht vertrackt und kompliziert klingen, ist es aber keineswegs. Die Band bezeichnet ihren Stil als „songorientierte instrumentale Prog-Fusion“ und betont damit, dass es sich bei den Stücken um sorgfältig ausgearbeitete Kompositionen handelt und nicht nur um Startrampen für ausgedehnte Soli. Das heißt aber nicht, dass es an herrlichen Soli mangelt.

Als erstes überrascht die Band zu Beginn des 6:40minütigen Openers „Cold Case“ mit einer Pianopassage, die klassisch proggig anmutet. Nach wenigen Momenten läuten ein Bass, Schlagzeug und Gitarre dann aber den Rockpart ein, der richtig gut abgeht. Schon in den ersten Momenten zeigen sich herrliche Melodiebögen, die mit leicht jazzrockartigen Elementen versehen werden. Auch baut die Band hier einige Orgel- und Keyboardsounds ein, die an die 70’er und 80’er Jahre angelehnt sind. Das geht sehr gut ins Ohr.

Das 5:15minütige „Boonar Eclipse“ bietet eine Mischung aus rockigen Passagen, die an Bands der Marke Flaming Bess erinnern und etwas druckvollere Passagen beinhalten. Dahinein platziert die Band an den Keyboards einige südamerikanische Klänge mit jazzigem Anstrich. Das klingt auf einer Seite ein wenig Retro und ist auf der anderen Seite aber auch modern. In dem Stück wechseln öfter mal die Struktur, Melodie und Rhythmik, ohne das ein Bruch darin entsteht.

Im 6:13minütigen „Ignalina Forest“ scheint dann ein ums andere Mal ein Jazzrockstil durch, der an Pat Metheny denken lässt, ohne diesen aber zu kopieren. Mit dem 4:57minütigen „Wish“ findet sich dann eine sanfte Instrumentalballade auf dem Album. Ein sehr schönes, besinnliches Stück. Dem lässt die Band dann mit dem Stück „Damascus Dance“, das mit 11:20 Minuten längsten Stück des Albums folgen. In diesem Stück wechseln sich atmosphärische Abschnitte, wie die Gitarrenpassage am Anfang (erinnert ein wenig an atmosphärische Led Zeppelin) und treibenden, melodischen Refrains ab. Nach wenigen Momenten zieht das Quartett dann das Tempo an und sorgt mit Gitarren und Retroorgelsound zunächst für proggige Atmo mit ethnischen Einschüben. Ein Basslauf und herrliche Flächen, auf denen sich eine Gitarrenmelodie ausbreitet, führen dann in einen proggigen Part. Zur Mitte holen die Jungs dann die Metalkeule raus, in dem sie einige heftige Riffs einbauen. Die Band hält den hohen Qualitätsstandard auch in den restlichen drei Stücken hoch.

Nach dem Hören des Albums frage ich mich, warum ich Time Shift Accident bisher nicht auf dem Radar hatte. Das wird wahrscheinlich vielen Musikfreunden so gegangen sein und wird sich nach dem Auftritt beim Night Of The Prog schlagartig ändern, da bin ich mir sicher. „Chronosthesia“ ist ein tolles Album mit eingängigen Melodien und einem Mix aus verschiedenen musikalischen Stilen, die aber doch hauptsächlich im melodischen Rockbereich liegen. Ein klasse Album, dem die Band hoffentlich bald ein weiteres Werk folgen lässt. Diese Band, die den Freitag beim Night Of The Prog-Festival eröffnet, sollte man auf keinen Fall verpassen.

Stephan Schelle, Juli 2023

   

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