Tassenschrank
– Vom Erfolg verfolgt Die Schweizer Band Tassenschrank bezeichnet sich selbst als „irrste Band Europas“. Doch wie irr kann eine Band sein, die aus einem studierten Psychologen und vier studierten Musikern besteht? Pascal Hiltbrand, Sänger der Band, ist vielen Schweizern durch sein aberwitziges Duo „Hi Jo“ bereits ein Begriff. Der Sound der Band ist eingängig und trotzdem originell. Irgendwo zwischen Funk, Punk, Urban Metal und Balladen, mit Texten, die auch von Element of Crime stammen könnten. |
||||
Hier
zunächst die sehr humorvolle Bandbiografie: Der
Songwriter, Gitarrist und Schriftsteller Anton Brüschweiler ist anfangs
2020 wie wir alle im Lockdown. Er verschanzt sich nur mit seinem Notizheft
und seiner Gitarre monatelang in einem Kellerloch ohne Tageslicht und
beginnt Songs zu komponieren. Er gerät in einen Sog der Kreativität,
rutscht in eine noch nie dagewesene Kompositionsmanie. Doch die
monatelange, pausenlose Arbeit im fensterlosen Raum nagt stark an
Anton’s psychischer Gesundheit. Er bringt kein Wort mehr über die
Lippen und hat seine Identität verloren – er hat nicht mehr alle Tassen
im Schrank. Deshalb ist er beim Psychologen Pascal Hiltbrand in
Behandlung. Während einer Therapiesitzung zeigt Hiltbrand Interesse an
Anton’s Songs und bietet ihm an, da Anton nicht mehr sprechen,
geschweige denn singen kann, die Songs selbst zu performen. Zusammen mit
dem genialen Keyboarder Ueli Kempter, Dustin Persson an den Drums und
Andreas Aeberhard am Bass entsteht dann „Tassenschrank“ - die irrste
Band Europas. Von
albernem, pubertärem Humor, bis hin zu wirklich tiefgründigen und
poetischen Zeilen, von Klavier begleiteter Rock/Pop Ballade, bis hin zu
jazzig-funky-esken Gitarrensoli, wer sich mit Musik beschäftigt, wird
egal welche Musikrichtung er präferiert, mit dieser Platte definitiv
seinen Spaß haben. Tassenschrank experimentieren mit Grenzen, loten aus
was geht und nehmen sich selbst dabei nicht ernst – was nicht heißt,
dass man nicht durchaus auch ernstere Töne auf der Platte findet. Da
mir die Texte nicht vorliegen, kann ich aufgrund des oft recht schwer zu
verstehenden Textes keine Aussagen dazu machen. Recht funky geht es im
ersten 4:12minütigen Song „Chicken“ zu. Im Mittelteil wird es dann
auch ein bisschen schräg und auch verrückt, was aber gut ins
Gesamtkonzept passt. Im letzten Drittel werden dann noch sphärisch/elektronische
Elemente mit eingebaut. Scratching wird dann im nächsten Song, dem
2:43minütigen „Zwei Gesichter“ mit rockigen Schlagzeug,
Gitarreneinschüben und fettem Basslauf vermischt. Dazu singt Pascal in
einer sehr ruhigen Form, was einen außergewöhnlichen Mix darstellt. Jazzig/rockig,
mit einer Spur überdrehtem Witz, geht es dann in dem Dreiminüter „Ich
habe Geld“ zu. Hier schreit Pascal den Text förmlich raus. Mit
treibendem Schlagwerk und minimalistischen Elektroniksounds, die ein wenig
an Kraftwerk erinnern, starten Tassenschrank dann in den Song
„Fieberschuebe“. Ein ungewöhnlicher aber fesselnder, perkussiver
Song. Funky mit leichtem Punkfeeling wird es dann wieder im Titelsong.
Richtig funky geht es in „Sex“ zu. Das Album endet mit einer leicht
bluesigen Gitarrenballade, dem 5:27minütigen „Der Wald“. Tassenschrank
liefern auf ihrem Debüt „Vom Erfolg verfolgt“ eine sehr
abwechslungsreiche Mischung verschiedenster Musikstile ab. Dabei zeigt Sänger
Pascal Hitlbrand sehr vielfältige Stimmlagen, die er je nach Situation im
Song verändert. Ein Scheibe die Spaß macht. Stephan Schelle, März 2022 |
||||