Solarphase - Zeitreise

Solarphase - Zeitreise
Sunroom Music / Around Music (2013)
(12 Stücke, 56:52 Minuten Spielzeit)

Solarphase nennt sich eine Band aus dem Münsterland. Das Grundgerüst dieser Formation besteht aus Matthias Rethmann (Bass, Produktion), Bianca Körner (Gesang) und Peter Schilmöller (Gitarre). Dazu kommen noch als musikalische Gäste Jan Richter (Gitarre) und Nadja Kossinskaja (Akustikgitarre). Ihre musikalische Ausrichtung bezeichnet die Band selbst als ElectroAcousticLounge. Werbung macht die Band auf ihrer Seite damit, dass sie Events bestreiten, in denen sie jede Location mit ihrer atmosphärischen Musik in Form von Chill-Liveauftritten zu einer besonderen Lounge verwandeln.


Ein erstes Album hat die Band veröffentlicht, das den Namen „Zeitreise“ trägt. Das erste, was mir bei diesem Titel einfiel, war Schiller, denn der Titel Zeitreise klingt wie eine Kombination der ersten beiden Schiller-Alben „Zeitgeist“ und „Weltreise“. Schaut man dann auf die Tracklist, dann ist man zunächst verwundert, finden sich doch neben fünf Eigenkompositionen vor allem Cover bekannter Popsongs auf dem Album. Michael Jackson’s „Billie Jean“ findet sich genauso auf dem Album wie „Take My Breath Away“ von Berlin, „Died In Your Arms“ von Cutting Crew, „Don’t Speak“ von No Doubt, „Maniac“ von Michael Sembello und man höre und staune Michael Holm’s „Tränen lügen nicht“.

Was macht eine Produktion mit solchen Coverversionen für den Musikfreund interessant? Wenn man Coverbands hört und sieht, die bei öffentlichen Veranstaltungen aufspielen ist das ja nicht immer so prickelnd, aber Solarphase schaffen es mit ihrer Mischung aus Trance, Ambient und ChillOut-Musik den Stücken eine neue Seele einzuhauchen.

Deutlich wird das schon beim ersten Stücke „Billie Jean“. Perkussion und Schlagzeug sowie Keyboards und eine funkige Gitarrenvariante stülpen dem Stück ein neues Gewand über, das ihm ganz hervorragend steht. Dazu kommt, dass Bianca’s Stimme glasklar rüberkommt und sich sofort unter die Haut schiebt. Matthias Rethmann, der der Kopf des Trios zu sein scheint (von ihm stammen die fünf Eigenkompositionen), ist studierter Bassist und hat in seiner Laufbahn schon mit vielen Musikern, darunter Michael Schenker, Big Jay McNeely, Johnny Logan, Michael Holm und auch DJ Ötzi zusammengespielt. Aus den verschiedensten Stilen - von Hardrock bis hin zu Jazz - die auf Rethmann Einfluss genommen haben, ziehen Solarphase ihre einzigartige musikalische Handschrift.

„D-Side“ ist die erste Eigenkomposition auf dem Album. Herrliche Synthieharmonien, getragen von einem markanten Rhythmusunterbau aus Schlagzeug und Bass tragen diesen Instrumentaltitel in Richtung Schiller & Co. „Take My Breath Away“ und „Died In Your Arms“ werden dann von Solarphase in ihrer ganz eigenen loungigen Art interpretiert. Die beiden Songs wirken noch sanfter und anschmiegsamer, als im Original. Wobei man „Died In Your Arms“ einen klasse Beat, der zum Tanzen einlädt, verpasst hat.

Mit „Sharp View“ kommt dann wieder eine instrumentale Eigenkomposition, die chillig wirkt und erneut in die Nähe von Bands der Marke Schiller weist. „Don’t Speak“ wird von Solarphase in einer sehr ruhigen und jazzigen Form interpretiert, bei der man genau hinhören muss, um den Titel zu erkennen. Dadurch wirkt der Song wie ein komplett neues Stück. „Can You Tell“ ist der erste gesungene eigene Titel. Auch in diesem sanft dahin gleitenden Song machen Solarphase eine sehr gute Figur. Man hat das Gefühl zu schweben oder an einem sonnendurchfluteten Strand am Tresen einer Bar zu sitzen und den Tag zu genießen. Sehr gut gefällt mir hier auch das E-Gitarren-Solo im letzten Drittel.

„Maniac“ ist bekannt aus dem Tanzfilm „Flashdance“ und wird in der Interpretation von Solarphase wieder entschleunigt. Der Song wirkt wieder recht loungig und jazzig und lädt zum Träumen ein. Dem folgt dann eine Interpretation eines Stückes des im 19. Jahrhundert lebenden spanischen Komponisten Isaac Albéniz mit dem Titel „Asturias“. Den Track spielen Solarphase sowohl atmosphärisch (durch die Keyboardsounds) wie auch rockig (E-Gitarren-Soli und Schlagzeugrhythmus). Nadja Kossinskaja ist in diesem Stück an der Akustikgitarre zu hören. Das klingt wie Tangerine Dream in den 2000’ern.

Ein eingängiger Popsong ist die Eigenkomposition „Summer Smile“, dagegen zeigt sich das von Rethmann komponierte Instrumental „Passing By“ von seiner rhythmischen Seite. Dies ist für mich der schwächste Titel der CD und das, obwohl noch die Interpretation eines Schlagers folgt. Aber „Tränen lügen nicht“ bekommt in dieser loungigen Version eine ganz andere Ausstrahlung. Über weite Strecken kommen Solarphase hier auch wieder in die Nähe von Schiller. Vor allem im atmosphärischen Mittelteil kann dieser Song überzeugen.

Wenn schon Coverversionen veröffentlicht werden, dann sollten sie zwar ihre Seele behalten, aber doch so verändert sein, dass sie erheblich vom Original abweichen. Und genau das haben Solarphase geschafft. Die Songs machen in dem neuen Gewand wirklich eine Menge Spaß. Und die Eigenkompositionen im Stile von Schiller & Co. sind überzeugend dargeboten. Klanglich ist die CD darüber hinaus auf einem sehr hohen Niveau abgemischt und braucht sich vor großen Produktionen nicht zu verstecken. Die CD macht neugierig, wie die Münsteraner die Stücke live darbieten.

Stephan Schelle, August 2013

   

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