Scope - First
Sireena Records / Broken Silence (1974 / 2020)

(10 Stücke, 53:19 Minuten Spielzeit)

Manche Dinge brauchen etwas mehr Zeit. So hat sich das deutsche Label Sireena Records nahezu 10 Jahre darum bemüht, die beiden Alben der niederländischen Jazzrock-Formation Scope, die ursprünglich in den Jahren 1974 und 1975 erschienen sind, erstmals auf CD herauszubringen. Glücklicherweise ist das Label hartnäckig geblieben und so werden am 03.07.2020 nun diese beiden Perlen des Jazzrocks wiederveröffentlicht.


Sehr viele Jazzrock-Freunde aus der ganzen Welt fragten immer wieder danach, aber sämtliche Anfragen bei der damaligen Plattenfirma von SCOPE liefen ins Leere. Erst als sich die beiden ehemaligen Bandmitglieder Rik Elings (Keyboards) und Rens Newland (Guitar) mit in die Verhandlungen einmischten, konnte es endlich zu einer Lizensierung kommen. Gut Ding braucht Zeit - in diesem Fall triffts den Nagel auf den Kopf. So konnten zwei wirkliche Juwelen für die Nachwelt erhalten werden!

Die Vorläuferband von SCOPE nannte sich Strange Power und wurde gegen 1969 in Zwolle/Holland gegründet. Rik Elings, Henk Zomer (drums) und Bassist Erik Raayman hatten das Fusion-Projekt gegründet und bereits eine Single veröffentlicht, die der ersten SCOPE-CD als Bonus hinzugefügt wurde. Mit dem Einstieg von Gitarrist Rens Nieuwland 1972 wurde aus Strange Power SCOPE. In der Folgezeit machte sich der holländische Jazzrock-Vierer sowohl in Holland als auch in Deutschland einen guten Namen. Ein Talentscout von WEA/Atlantic wurde auf die Band aufmerksam und verpflichtete sie für sein Label. 1973 fand sich die Band im Hamburger Studio Maschen wieder, um unter Regie von Jochen Petersen ihr Debütalbum „Scope“ einzuspielen. Das Resultat war ein spannendes abwechslungsreiches Fusion/Jazzrock-Album, das eine Menge Improvisationen enthielt und das handwerkliche Können der vier Musiker vortrefflich widerspiegelte. Die Presse war begeistert, und SCOPE ging wieder auf die Straße, um das neue Album auch live zu präsentieren.

Das selbstbetitelte Debütalbum enthält acht Stücke, deren Laufzeiten zwischen 1:40 und 9:55 Minuten liegen. Darüber hinaus spendierte man diesem Erstling von Scope noch die unter dem Bandnamen Strange Power im Jahr 1971 eingespielten Stücke „Tenderfoot“ und „Spring“ als Bonustracks.

Strange Power machte Anfang der 70’er Jahre instrumentale Rockmusik. Die beiden Tracks „Tenderfoot“ und „Spring“ (sie wurden ans Ende des Albums gestellt) werden vor allem durch treibende Rhythmen und dem Flöten- und Saxophonspiel von Bas Munniksma bestimmt. Dieser verleiht den Tracks unter anderem Jethro Tull-Flair. Diese beiden Stücke sind einfach nur toll, enthalten allerdings keine bzw. nur geringe jazzige Ansätze.

Das sich Scope dem melodischen Jazzrock verschrieben haben, merkt man von der ersten Minute des Openers „Watch Your Step“ an. In ihre Musik haben sie aber auch Funk- und Progressive Rock-Elemente mit eingebaut, was ihren Sound besonders macht. Sehr abwechslungsreich agieret das Quartett Rik Elings (Fender Rhodes Piano, Hammondorgel, Grand Piano, Flöte, Minimoog), Rens Nieuwland (Gitarren), Erik Raayman (Bass, Grand Piano, Percussion) und Henk Zomer (Schlagzeug, Percussion), das noch von Jochen Petersen bei „Kayakokolishi“ und „Description“ am Sopransaxophon unterstützt wird. So wechseln sich sehr rhythmische mit sanften, fast schon ambienten Passagen ab.

Ein tiefer Bass und Schlagzeug steigen dann in den Track „Can You Follow Me“ ein. Das hat zunächst zeitlupenartiges Format. Darauf setzt eine mit Echoeffekten versetzte Gitarre ein. Das ist recht jazzlastig. Nach gut zwei Minuten zieht der Rhythmus dann an und es entsteht eine Mischung aus Jazz, Prog und Kraut. Durchzogen ist dieses Stück wie auch die anderen mit herrlichen Soli.

Sehr melodisch geht es dann im 7:26minütigen „Kayakokolishi“ zu, was auch am Sopransaxophon liegt. Aber auch die Tasteneinlagen von Rik Elings, aus dessen Feder das das Stück stammt (er hat im Übrigen den Hauptteil der Tracks komponiert), sind erstklassig und tragen sowohl zur rhythmischen wie melodischen Stimmung des Stückes bei. Im weiteren Verlauf wird es dann sehr jazzig und funkig.  

Das nur 1:41minütige „Yesternight’s Dream“ ist dann ein kurzes Zwischenspiel, das von Gitarre und Flöte bestimmt wird und einen recht proggigen Anstrich aufweist. Mich erinnert das ein wenig an eine Mischung aus Camel und Anthony Phillips. Das ist aber nur ein kurzes Gastspiel, denn im nächsten Track „Description“ geht es dann schon wieder recht jazzig zur Sache. Hier - wie auch in den anderen Tracks - zeigen die Musiker ihre technische Klasse.

„Walpurgis Night“ wird dann streckenweise von einer sehr markanten Basslinie bestimmt und Schlagzeuger Henk Zomer bekommt hier Zeit für ein längeres Solo. In „Chewing Gum Telegram“ gehen Flöte und Gitarre eine sehr schöne Liaison ein und die Keys perlen dahin.

Das Album erscheint als remasterte CD in einem vierseitigen Digipack mit achtseitigem Booklet. Im Booklet befinden sich neben einem Bandfoto und Infos zur Produktion auch Linernotes von Rik Elings.

Die Band zeigt auf ihren Stücken ihres selbstbetitelten Debüts eine Mischung aus durchkomponierten und improvisierten Parts. Spieltechnisch zeigen sich die Musiker dabei auf höchstem Niveau. Ein Glück, dass Sireena so hartnäckig geblieben ist und diese Perle des Jazzrock gehoben hat. Zeitgleich erscheint das qualitativ ebenso hochwertige „Scope II“.

Stephan Schelle, Mai 2020

   

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