Schnaps im Silbersee - Synapsensilvester
Prosodia / Eigenvertrieb (2018)

(12 Stücke, 42:12 Minuten Spielzeit)

Die in Berlin ansässige Band Schnaps im Silbersee lässt auf ihrem zweiten Longplayer wahrlich die Synapsen tanzen. Fast vier Jahre hat sich die Band Zeit für ihren zweiten Longplayer („Jede Welt ist die Echte“ wurde 2014 veröffentlicht) gelassen, der im Frühjahr 2018 unter dem Titel „Synapsensilvester“ herausgekommen ist. Der Kern von Schnaps im Silbersee besteht aus Judith Retzlik (Geige, Gesang, Glockenspiel, Trompete), Peter Wolter (Gesang, Gitarre) und Melvin Haack (Gesang, Gitarre). Auf dem Album wurden sie bei einigen Stücken dann noch von Simon Vock (Schlagzeug) und Steve Zufall (Bass) unterstützt.


Ich war sehr gespannt auf das neue Album, hatte mich das Trio doch bei seinem Liveauftritt im Herbst 2017 in Egen förmlich aus den Socken gehauen. Man muss allerdings konstatieren, dass Schnaps im Silbersee eine Liveband ist, denn den Spirit und Spaß, den sie auf der Bühne verbreiten, kommt naturgemäß bei der Studioproduktion nicht so ganz zum Tragen, aber sobald man sich etwas intensiver damit befasst, setzten sich die Songs im Kopf fest. Als Beweis sei der Hiddentrack „3.2“ genannt, der sich auf dem Album als 13. Titel befindet. Dabei handelt es sich um eine 2:27minütige Liveaufnahme, die zeigt, wie es bei ihren Gigs abgeht.

Zuvor gibt es aber ein Dutzend Songs, die im Zeitraum 2014 bis 2017 entstanden sind. Die Themen drehen sich um den täglichen Stress („Auf den Versen“), den Frieden in „Krisenherd“, einen versprochenen Dreier der eingefordert wird in „Sarah&Peter“, einem Trinklied („Sag morgens nie“) oder dem spaßigen „Apfelsaft“ in dem sich der Protagonist ein zweites finanzielles Standbein aufbaut indem er vom Pfand der Flaschen aus Fünfhunderttausend Litern Apfelsaft seinen Lebensunterhalt bestreitet. „Apfelsaft“ befand sich als Liveversion auch schon auf der ersten EP „Amrum“.

Was wieder überzeugt sind die Texte, die nur so vor Wortwitz sprühen. Ein Beispiel: So heißt es im Friedenssong „Krisenherd“:

ab in die Küche, ab in die Küche
die Kelle schlägt das Schwert
sorgt lieber mal für würzige Gerüche
statt für Stunk am Krisenherd

Couscous statt Keile, beerdigt die Beile
das wär für den Weltfrieden gut
kocht lieber mal ne ordentliche Suppe 
statt immer gleich vor Wut

raus aus dem Hassmob, he da, du Glatzkopf
erspar dir die Rasur
setz lieber mal nen Joghurt an
mit einer Willkommenskultur

Musikalisch geht es nicht nur im typischen Singer/Songwriter-Stil zur Sache, es darf beispielsweise auch mal wie in „Zickiger Optimismus“ geswingt werden oder es werden Tangoklänge mit Marschrhythmen und Polka gemischt. Richtig rockig und groovend geht es beim Song „Hoj“ ab. Und mit dem Stück „Wildgänsehaut“ haben sie dann wieder einen richtigen Ohrwurm auf dem Album.

Das vierseitige Digipack enthält ein 24seitiges Booklet mit Fotos. Die Texte sind dieses Mal nicht abgedruckt, man kann sie aber über die im Booklet angegebene Internetseite herunterladen.

Schnaps im Silbersee schließen mit ihrem zweiten Album qualitativ nahtlos am Debütalbum an. Die Songs wirken beim ersten Hören noch nicht so intensiv. Wenn man aber das Album erneut hört, setzten sich auf einmal die Melodien und Refrains im Kopf fest. Ein sehr schönes Album, das untermauert, dass das Genre der Liedermacher eine Menge zu bieten hat. Ein sehr empfehlenswertes Album.

Stephan Schelle, April 2018

   

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