RPWL – Crime Scene
Gentle Art Of Music / Soulfood (2023)

(6 Stücke, 45:04 Minuten Spielzeit)

Die im bayerischen Freising beheimatete Band RPWL ließ sich erneut länger Zeit für ein neues Studioalbum. Dieses Mal hat es vier Jahre seit der letzten Studioveröffentlichung gedauert. Dazwischen gab es allerdings noch zwei Livealben. Auch sonst waren die Mitglieder nicht untätig und so erschien 2022 Kalle Wallners erstes Sololabum. Das neue Werk ist, wie auch schon „Beyond Man And Time“, „Wanted“ und „Tales From Outer Space“ ein Konzeptwerk geworden, das sich dieses Mal um das Thema Verbrechen rankt. Dabei sind es Kriminalfälle, die den Songs als Grundlage dienten.


Auf dem neuen Longplayer mit dem Titel „Crime Scene“ lenken sie nach eigenen Angaben ihre Aufmerksamkeit auf das Morbide, das Perverse, das Böse im Guten, die Abgründe des menschlichen Verhaltensspektrums in all seiner unvorhersehbaren Vielfalt, die dann manchmal auch so bizarr verstörend schlüssig daher kommt, wenn man denn ansetzt sie ergründen zu wollen. Wo endet Liebe, wo beginnt Manie? Lässt sich eine Grenze zwischen krankhaftem Wahn und minutiöser, krimineller Akribie festmachen? Thematisch tauchen in Crime Scene Motive und Sujets wie Karl Denke, jener Kannibale von Münsterberg, oder der hoffnungslos liebende Heim-Präservator aus Florida, Carl Tanzler, auf.

Mit gut einer Dreiviertelstunde Spielzeit ist das neue Album nach „Stock“ das Kürzeste der deutschen Artrockinstitution. Insgesamt sechs Songs finden sich auf dem Album, die Laufzeiten von 4:21 bis 12:51 Minuten Länge aufweisen.

Beim LineUp hat sich eine Veränderung ergeben, da der langjährige Keyboarder Markus Jehle die Band verlassen hat. Die Keyboards wurden dieses Mal von Yogi Lang und Kalle Wallner eingespielt. Sänger ist wie gehabt Yogi Lang und Kalle Wallner sorgt wieder für unglaubliche Klänge an den E-Gitarren. Marc Turiaux am Schlagzeug und Markus Grützner am Bass sorgen dann für den perfekten rhythmischen Unterbau. Musikalisch sind RPWL auch auf ihrem neuesten Werk klar zu erkennen, jedoch haben sie auch neue Elemente in ihren Sound eingebracht.

Das Album beginnt mit dem 8:16minütigen Stück „Victim Of Desire“, das es vorab schon als Video auf youtube zu bestaunen gab. Ich muss gestehen, dass der Song - trotz des tollen Videos - nicht sofort  bei mir gezündet hat. Aber nach mehrfachem Hören entfaltet sich dann die Qualität dieses Songs, der mit bedrohlichen elektronischen Klängen beginnt und dann mit einem bombastischen Intro fortgeführt wird, das sofort RPWL-Feeling verbreitet. Sobald der Gesang einsetzt wird es zunächst etwas sperrig. Das ändert sich aber nach gut 1:47 Minuten und der Gesang wechselt in sanfte Gefilde in bester RPWL-Manier. Und auch Kalle liefert an seiner Gitarre wieder Gänsehautmomente. Herrliche elektronische Klänge, ein fetter Bass und Marcs Schlagzeug finden sich dann im instrumentalen Mittelteil. Und wenn dann Kalle im letzten Drittel wieder mit einem Solo glänzt, stellen sich die Haare wieder auf. Ein toller Start in das Album, der aber im weiteren Verlauf noch um einiges getoppt wird.

Mit einer Akustikgitarrenpassage startet die Band dann in das 5:35minütige „Red Rose“. Akustik- und E-Gitarre tanzen umeinander und es entwickelt sich schnell eine sehr einfühlsame Stimmung. Ein Song, der unter die Haut geht. Mit elektronischen Klängen, die an eine Spieluhr denken lassen geht es dann im 4:21minütigen „A Cold Spring Day In ‘22“ weiter. Der sanfte Song mit Neo-Prog Flair und Anklänge an die sanften Porcupine Tree-Songs setzt sich sofort im Ohr fest.

Elektronische Rhythmen, die an Produktionen von Peter Gabriel oder Phil Collins erinnern kommen dann im 6:11minütigen „Life In A Cage“ auf. Hier haben RPWL auch einige floydige Sounds eingewoben, was zusammen eine faszinierende Ausstrahlung besitzt. Diese Sounds nutzen RPWL aber nur als Würze zu ihrem eigenen Gebräu, das einfach hinreißend ist. Ein grandioser Song.

Danach folgt der mit 12:51 Minuten längste Track des Albums „King Of The World“, der mit einer markanten Basslinien beginnt. Dann wechseln sich herrliche Keyboard- mit Gitarrensoli ab. Im Gesangspart wird es dann episch. Und der Instrumentalpart, der nach gut sechseinhalb Minuten einsetzt ist mal wieder zum Niederknien. Mit dem 7:51minütigen „Another Life Beyond Control“ endet dann das Album recht rockig. Der Song beginnt mit einem für RPWL ungewöhnlichen, etwas knarzigen Keyboardsound. Darauf folgen dann recht rockige Bass-, Gitarren- und Schlagzeug-Parts um danach wieder in den RPWL-Kosmos zu beamen. In diesem Song gibt es aber wohl die härtesten Passagen, die bisher in einem RPWl-Song zu hören waren. Das macht diesen Song so einzigartig in der Bandhistorie.

Obwohl wieder mal vier Jahre ins Land gegangen sind, bis die Artrockinstitution RPWL ein neues Studioalbum veröffentlicht, so hat sich das Warten doch mehr als gelohnt. Auch wenn auf dem Album an allen Stellen die Markenzeichen der Band herauszuhören sind, so haben sie doch wieder neue Elemente in ihre Musik eingebracht und sich weiterentwickelt. „Crime Scene“ ist ein Album das begeistert.

Stephan Schelle, Februar 2023

   

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