RPWL – Beyond Man And Time

RPWL – Beyond Man And Time
Gentle Art Of Music / Soulfood Music (2012)
(11 Stücke, 73:16 Minuten Spielzeit)

RPWL gehören seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren zur Speerspitze der deutschen Progressive- und Artrockszene. Hatten sie sich anfangs noch sehr stark im Fahrwasser von Pink Floyd bewegt, so zeigten sie auf jeder neuen Veröffentlichung doch immer mehr ein eigenes Gesicht und entwickelten ihren ganz eigenen Stil, der allerdings immer noch einige Zitate von anderen Rockgrößen durchblitzen lässt.


Am 09.03.2012 erscheint nun das neunte Album der Freisinger Band, die ja vor gut einem Jahr den scheidenden Bassisten Chris Postl (er war auch Gründungsmitglied) ersetzen musste. Mit dem neuen Mann, Werner Taus, an den „dicken Saiten“ haben sie aber einen adäquaten Nachfolger aufnehmen können, der auch menschlich hervorragend ins Bandgefüge passt. Ansonsten besteht die Band schon seit einigen Jahren aus Yogi Lang (Gesang, Keyboards), Kalle Wallner (Gitarren), Markus Jehle (Keyboards) und Marc Turiaux (Schlagzeug).

Die meisten Artrockbands haben in ihrer Karriere schon ein Konzeptalbum herausgebracht, RPWL haben sich gute zwölf Jahre für ein solches Werk Zeit gelassen. Mit „Beyond Man And Time“ ist es aber im März 2012 endlich soweit. Das Album ist eine musikalische Reise durch die Welt außerhalb von Platons Höhle. Ähnlich wie bei Nietzsche befindet sich auch in RPWL’s Geschichte der Protagonist auf einer Reise und trifft dabei viele – teilweise auch von Zarathustra adaptierte – Figuren als Hilfe zu neuer Erkenntnis. Dabei ist die Grundforderung zunächst eine so genannte „Umwertung aller Werte“ im Rahmen einer neuen Denkkultur. In der Welt „Jenseits von Mensch und Zeit“ befinden sich bereits Wesen höheren Denkens, die ihn auf seinem Weg gleichnishaft begegnen: Der Wärter an der Höhle, der freiwillig Blinde, der Wissenschaftler, der hässlichste Mensch, der Schaffende, der Schatten, der Weise in der Wüste und der Fischer. RPWL’s Konzeptalbum „Beyond Man And Time“ endet wie Nietzsche’s Zarathustra in einer ersten Bilanz, dem großen Mittag.

Das klingt zunächst sehr verkopft und vielleicht auch kompliziert, ist es aus musikalischer Sicht aber überhaupt nicht. RPWL haben sich stilistisch zwar wieder eine Spur weiterentwickelt, sind aber durch ihren typischen Sound und vor allem Yogi’s Gesang eindeutig zu erkennen. RPWL setzen gleich zu Beginn des Jahres zusammen mit Sylvan’s neuem Werk ein Zeichen in der Artrockszene. Das Album ist in sich stimmig und strotzt wieder nur so vor tollen Melodien sowie mitreißenden Rhythmen und Soli.

Die CD beginnt mit dem Intro „Transformed“, das sehr atmosphärisch und durch den mystischen Rhythmus einen hochgradigen Spannungsbogen aufbaut. Da knistert es schon vor Spannung und man wartet als Hörer darauf, dass es jetzt losgeht. Nach gut zwei Minuten geht es dann ohne Pause in den ersten richtigen Track „We Are What We Are“ über, in dem die Band sofort ihre Visitenkarte abgibt. Ich bin schon bei den ersten Klängen zu Hause und bekomme gleiche eine Gänsehaut bei dieser tollen Kombination aus Rhythmus, ruhigem, atmosphärischem Gitarrenspiel und Yogi’s Stimme. Schon dieser erste Song, der den Wärter an der Höhle darstellt, geht runter wie Öl. Es soll aber noch besser kommen!!!

Es folgt das Titelstück, dass starke Ähnlichkeiten – zumindest was die Gitarrenpassagen von Kalle angeht – an „Hole In The Sky“ aufweist. Das absolute Highlight des Albums kommt dann aber mit „Unchain The Earth“, das zunächst noch völlig unscheinbar mit atmosphärischen Klängen beginnt. Dann kommt der Rhythmus von Marc am Schlagzeug sanft aus dem Hintergrund und Kalle’s Gitarre fängt an zu singen. Sobald nach etwas mehr als einer Minute der Song kraftvoller wird, entwickelt sich ein unglaublicher Ohrwurm. Ähnliches ist mir seinerzeit mit „Roses“ passiert. „Unchain The Earth“ ist ein Gänsehaut treibendes Stück. Das wird ein Liveklassiker, da bin ich mir sicher.

Mit „The Ugliest Man In The World“ folgt dann eine Mischung aus treibendem Rocksong und Akustikgitarrenballade. „The Road Of Creation“ ist ein treibender fesselnder, mystischer Rocksong. Sehr gut gefällt mir auch „Somwhere In Between“, das mit seinen Xylophon artigen Klängen eine ganz neue Note in den Sound von RPWL bringt. Daneben unterstreichen atmosphärische Gitarrensoli von Kalle diesen tollen, sanften Song, der einen in einer wohligen Umwicklung von zarten Klängen zurücklässt. Danach wird es aber wieder recht rockig, denn „The Shadow“ zeigt sich rhythmisch und kombiniert dies mit Bläsersounds. Qualitativ fügen sich die anderen Songs alle auf gleich hohem Niveau an.

Die CD erscheint als normale CD und daneben auch als limitierte Bonus-Edition, die zur CD auch noch ein Hörbuch enthalten wird. Ich find die Idee dem Album ein Hörbuch zu spendieren, in dem die Geschichte hinter dem Album erzählt wird, sehr gut und bin schon gespannt auf das Ergebnis, das in einer limitierten Auflage von 2.000 Exemplaren herauskommen wird.

„Beyond Man And Time“ ist wieder ein Album von bestechender Qualität, was die Songs selbst aber auch die produktionstechnische Seite betrifft. Wer RPWL oder guten Artrock mag, der kommt an diesem Album nicht vorbei. Mit dem neuen Album unterstreichen die Freisinger ihre Vormachtstellung in der deutschen Artrockszene. Ich wünsche der Band, dass die Zuschauer zu ihren anstehenden Konzerten pilgern werden und sich diesen Sound nicht entgehen lassen.

Stephan Schelle, Januar 2012

   

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