R P W L - Live 05.05.2002 in der Zeche Carl / Essen
 

Die nachfolgende Konzertkritik entstand für den German Rock e.V.
(Fotos: aus dem Fundus von RPWL - mit freundlicher Genehmigung)

Die wohl hoffnungsvollste ProgRock-Band Deutschlands, RPWL, reiste vom 27.04.2002 bis zum 05.05.2002 durch die deutschen Lande um ihre neue CD Trying To Kiss The Sun live vorzustellen. Während dieser sieben Konzerte umfassenden Tour, gaben die fünf Musiker auch ein Gastspiel in der Essener Zeche Carl, welches den Abschluss der Tour bildete.

Die Band war jedoch nicht allein unterwegs. Auf der Tour wurde sie von der amerikanischen Band Timothy Pure begleitet. Am 04.05.2002 waren sie bei dem Eclipsed-Festival in Aschaffenburg ebenfalls mit dabei. Bei diesem Festival hatten sie die Ehre mit der englischen Rocklegende Uriah Heep zu spielen. In Essen trat statt Timothy Pure die finnische Rockformation Five Fifteen als Opener auf. Ca. 100 Besucher waren gekommen um einen Abend mit hervorragender Rockmusik zu erleben. Diese Veranstaltung hätte auf jeden Fall mehr Zuschauer verdient, denn der süddeutsche Headliner konnte musikalisch und optisch überzeugen.

Five Fifteen begannen ihren gut einstündigen Set gegen 20.30 Uhr. Das Sextett (zwei Gitarristen, Bass, Keyboard, Schlagzeug und Sängerin) spielte Rocknummern im 70‘er Jahre Stil á la Led Zeppelin und The Who. Die blonde Mähne des Frontmannes Mika Järvinen (Gitarre, Gesang) erinnert auch stark an die Lockenpracht von Robert Plant. Der Bandname ist übrigens dem Song 5:15 der britischen Band The Who nachempfunden.

Ganz im Stile der Altmeister präsentierten sich die Finnen. Da sprang Mika, der das Konzert mit bloßem Oberkörper absolvierte, bei dem Stück 5:15 von der Bühne und ließ das Publikum in die Saiten greifen. Vom Zuschauerraum schmiss er dann seine E-Gitarre auf die Bühne, die er dann aber doch nicht wie einst Pete Townshend zerschlug, sondern unversehrt ließ. Im Stile von Jimi Hendrix wurden dann auch schon mal die Zähne an die Gitarre gelegt. Beim letzten Song erkletterte er dann eine Box und sang von oben auf das Publikum herunter.

Für meine Geschmack war der Auftritt etwas zu hart (obwohl ich auch einige Alben von Led Zeppelin und The Who in meinem Plattenschrank stehen habe). Daneben ist die Lautstärke zu bemängeln. Der Gesang war oft nicht zu hören und wenn Mika wie seinerzeit Mr. Plant zu kreischen anfing, klingelte es ganz schön in den Ohren.

Kurz nach 22.00 Uhr kamen dann RPWL auf die Bühne. In der Besetzung Yogi Lang (Gesang, Keyboards), Karlheinz Wallner (Gitarren), Phil Paul Rissettio (Schlagzeug), Andreas Wernthaler (Keyboards) und Stephan Ebner (Bass) legten sie einen hervorragenden Gig hin, der die Zuschauer sofort in ihren Bann zog. Man merkte sofort, dass die fünf hervorragend eingespielt sind und sich musikalisch blind verstehen.

Als ersten Song präsentierten sie das Titelstück ihrer aktuellen CD Trying To Kiss The Sun, bei dessen Intro sie die Bühne betraten. Es folgten abwechselnd Stücke ihrer beiden Alben God Has Failed und Trying To Kiss The Sun. Zwischen den einzelnen Stücken erzählte Yogi teilweise etwas zu den Songs. So meinte er beispielsweise, dass in dem Stück Sugar For The Ape die dunkle Seite der Musiker beleuchtet wird. Sie wären halt alle gar nicht so nett wie sie aussehen, sondern könnten auch anders, erklärt er mit einem breiten Lachen. Während dieses Songs benutzte er ein Megaphon für den Gesang. Nach dem Konzert konnte ich mich übrigens in einem persönlichen Gespräch davon überzeugen, dass die Jungs absolut nette und aufgeschlossene Typen sind.

Es folgten die Stücke Waiting For A Smile, Tell Me Why, Who Do You Think We Are, In Your Dreams, Fool, Spring Of Freedom und das sehr schöne Home Again. Bei dem Titel Side By Side spielten die fünf im Mittelteil eine sehr lange Instrumentalpassage, die für meinen Geschmack ein wenig zu viel des Guten war, aber das ist - neben der auch hier etwas zu lauten Abmischung - der einzige kleine Kritikpunkt des Konzertes.

Die Band wurde von den Anwesenden mit frenetischem Befall bedacht und musste daher auch eine Zugabe geben. Hierfür wählten sie meinen absoluten Favoriten Hole In The Sky vom Album God Has Failed.

Der Sound kam glasklar aus den Boxen. Dabei präsentierten sie noch ein schönes Highlight. Im Zuschauerraum konnte man das Konzert in quadrophonischer Qualität verfolgen. Bei den zum Teil eingestreuten Effekten in den Stücken Home Again und Hole In The Sky war man von Geräuschen umringt. Die eingestreuten Sprachsamples etc. umkreisten einen förmlich.

Yogi entschuldigte sich nach gut 1 ½ Stunden und der einzigen Zugabe beim Publikum, dass die Band nicht noch weitere Songs spiele. Der Grund hierfür lag in einer Erkältung, die sich die Bandmitglieder - und allen voran der Leadsänger Yogi - auf der Tour zugezogen hatten. Ein Musiker der Band Timothy Pure hatte sie Tage zuvor mit diesem Virus angesteckt. Man konnte auch im Verlauf des Konzertes hören, dass Yogi’s Stimme mit zunehmender Dauer nachließ. Es viel ihm sichtlich schwer die Songs zu singen. Um so mehr ist es ihnen zu danken, dass sie den Auftritt nicht haben platzen lassen.

Es ist schwer einen der wirklich hervorragenden Musiker hervorzuheben, aber was Karlheinz Wallner da aus seiner Gitarre zauberte, klang einfach genial. Mit geschlossenen Augen hätte man meinen können, das David Gilmour himself auf der Bühne steht. Das soll aber nicht bedeuten, dass Karlheinz den Meister imitiert hätte. Vielmehr wechselten sich traumhafte Riffs mit sphärischen Klängen ab.

Für die optische Unterstützung sorgte ein großes Banner mit ihrem Schriftzug und großer Sonne sowie eine Lightshow, die mit viel Nebel versehen wurde. Das war ansprechend und passte zu ihrem Auftritt.

War ich bisher von RPWL’s ersten Silberling lediglich überzeugt, muss ich sagen, dass die Band nach diesem Liveauftritt und ihrer neuesten Scheibe mit mir einen neuen Fan hinzugewonnen hat. Wer auf ProgRock á la Pink Floyd, Genesis, IQ oder Marillion steht, der kommt an dieser deutschen Formation nicht vorbei. Hoffentlich sind RPWL nicht mehr lange nur ein Geheimtipp. Nähere Infos gibt es unter www.rpwl.de.

Stephan Schelle, Mai 2002