Riverside – Shrine Of New Generation Slaves

Riverside – Shrine Of New Generation Slaves
insideout (2013)
(Standardversion: 8 Stücke, 51:02 Minuten Spielzeit
Limited Edition: 10 Stücke, 73:19 Minuten Spielzeit)

Die polnische Band Riverside hat den Progressive Rock in ihrem Heimatland und darüber hinaus ins nächste Jahrtausend katapultiert. Mit ihren bisherigen vier Studioalben haben sie bereits Geschichte im Genre geschrieben. Mit ihrem Sound, einer Mixtur aus Progressive Rock und Metal schippern sie seit Jahren im Fahrwasser von Bands wie Tool, Opeth und vor allem Porcupine Tree. Am 18.01.2013 erschien ihr mittlerweile fünftes Studiowerk unter dem Titel „Shrine Of New Generation Slaves“.


Wer nun eine Fortsetzung des Stiles vermutete, der wird doch sehr überrascht sein, denn das Album enthält neben den bekannten Zutaten, die meines Erachtens nur sporadisch zu Tage treten, eine gehörige Portion Hard- und Classicrock im Stile der 70’er Jahre. Und auch eine Prise jazz-lastiger Art-Rock blitzt an der ein oder anderen Stelle durch.

Die Titel der Alben waren immer schon so aufgebaut, das sie neben den Worten auch noch weitere Bedeutungen und Interpretationen zuließen. So bestand beispielsweise ihr letztes Album mit dem Titel „Anno Domini High Definition“ aus vier Worten, was auch gleich darauf hinweisen sollte, dass es sich um das vierte Album der Band handelte. Reduziert man die Worte des neuen Albums „Shrine Of New Generation Slaves“ auf ihre Anfangsbuchstaben, so ergibt sich das Wort „SONGS“, ein Hinweis darauf, dass die einzelnen Stücke wesentlich mehr Songcharakter aufweisen wie die auf ihren bisherigen Alben.

Riderside’s Mariusz Duda kommentiert „SONGS” wie folgt: „Mit diesem Release versuchen wir – vor allem uns selbst – zu beweisen, dass wir immer noch überraschend und steigerungsfähig agieren können. „SONGS” ist eindeutig unser Vorzeigewerk, in musikalischer und auch in textlicher Hinsicht. Wir wollen ein neues, erwachseneres Kapitel in unserer Bandkarriere beginnen und uns vermehrt auf Melodie und organischeren Rock-Groove konzentrieren, als dies zuletzt der Fall gewesen ist. Der Albumtitel kommt auf den ersten Blick vielleicht etwas verschachtelt rüber, aber seine Abkürzung dürfte dafür umso deutlicher erklären, worum es uns eigentlich musikalisch bei diesem Album ging…”

Markenzeichen der Band ist der markante Gesang von Mariusz Duda, der gleich im Opener „New Generation Slave“ für Riverside-Feeling sorgt, während der Track zunächst recht atmosphärisch rüberkommt. Ab der Hälfte entwickelt der 4:17minütige Song dann Classicrock-Elemente. „The Depth Of Self-Delusion“ beginnt mit einem sehr schönen Artrockartigen Gitarrenmotiv. In die aufkommenden Prog- und Artrockklänge mischen sich dann auch noch Folk angehauchte Sounds. Der Track entwickelt eine ganz eigene Atmosphäre, die kaum zu beschreiben ist. Einige Breaks und Strukturwechsel sind enthalten, so geht es zum Ende durch den Einsatz der Akustikgitarre gar eine Spur mediterran zu.

„Celebrity Touch“ katapultiert den Hörer in die 70’er, denn der Song zeigt sich wie ein Classikrocksong aus damaliger Zeit. Eine Spur jazzig wird es dann in „We Got Used Tu Us“, das aber vor allem im Artrock verankert ist und zusätzlich eine Prise Popmusik in sich vereint. Eine sehr schöne eingängige Melodie prägt diesen Song.

Das nächste Stück „Feel Like Falling“ klingt wie eine Mischung aus AOR/New Wave/Romantic und 70’s Classikrock. Das klingt alles sehr gut, hätte ich aber nicht mit Riverside in Verbindung gebracht. Und in dem mehr als achtminütigen „Deprived (Irretrievably Lost Imagination)“ kommt gar ein Saxophon zum Einsatz, das eine Mischung aus Supertramp und Jazz-Motiven beisteuert. „Escalator Shrine“ ist mit seinen 12:41 Minuten der längste Track des Albums. Er beginnt sehr mediterran mit einer Akustikgitarreneinlage. Dann kommt die Gitarre dazu und man hat als Hörer sofort Assoziationen zu Mike Oldfields „Tubular Bells“. Sobald dann Mariusz Gesang einsetzt bewegt sich das Stück in eine ganz andere Richtung. Hier treffen dann jazzartige Formen auf Artrock-Elemente. Im Mittelteil lassen die Jungs dann die Kuh fliegen und legen ein ekstatisches Zwischenspiel ein. Das wunderbare und eingängige, dafür aber auch nur 1:39 Minuten lange „Coda“ beendet dann die CD. Diesen Song hätte ich mir gerne einige Minuten länger gewünscht, da er eine melancholische, warme Atmosphäre verströmt.

In der Limited Edition erscheint das Album mit einer zusätzlichen CD, die weitere 22 Minuten an Musik bereit hält. Und die haben es wahrlich in sich, denn die beiden mehr als zehnminütigen Tracks wurden während nächtlicher Sessions eingespielt und sind ausschließlich instrumental gehalten. Betitelt sind die beiden Stücke mit „Night Session - Part One“ und „Night Session - Part Two“. Vor allem der erste Part wird die Freunde der Elektronikmusik und hier im speziellen der „Berliner Schule“ verzücken, denn der Track geht ganz klar in Richtung Klaus Schulze. Darüber hinaus besticht die Limited Edition durch ein sehr schön gemachtes Mediabook, das ein 32seitiges Booklet enthält.

„Shrine Of New Generation Slaves“ ist zwar ein gutes Werk der polnischen Vorzeigeprogger, es ist aus meiner Sicht aber nicht ihr bestes Album. Das mag vor allem daran liegen, dass sich die Band dazu entschlossen hat den Hard- und Classicrock sowie jazzige Motive in ihre Musik zu integrieren. Wer sich dieses Album zulegen will und die älteren Sachen mag, der sollte in jedem Fall zu der Limited Edition greifen, denn die beiden Bonustracks sind einfach unverzichtbar.

Stephan Schelle, Februar 2013

   

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