Rewiring Genesis – A Tribute To The Lamb Lies Down On Broadway

Rewiring Genesis – A Tribute To The Lamb Lies Down On Broadway
Progrock Records / SPV (2008)
(23 Stücke, 97:52 Minuten Spielzeit)

Da fällt mir - mehr zufällig - die obige Scheibe in die Hand und schon nach dem ersten Hördurchgang wird klar, hier muss eine Rezension her. Nick D’Virgilio ist in der Progszene bestens als Drummer und seit dem Weggang von Neal Morse auch als sehr guter Sänger und Frontmann der amerikanischen Formation Spock’s Beard bekannt. Im Jahr 2008 hat Nick ein Tribute zu einem der wohl besten Progalben der Geschichte herausgebracht, nämlich Genesis „The Lamb Lies Down On Broadway“.


Mit Tribute-Alben ist das immer so eine Sache. Viele, auch gestandene Musiker, haben sich bereits an Tribute-Werken von Bands wie Pink Floyd, Genesis oder Yes gewagt, konnten aber nicht immer überzeugen. Beispielhaft sind hier die Coverband ReGenesis, oder das Projekt Blue Floyd, das mit der Pink Floyd Tribute-Scheibe „Begins“ versucht hat die Stücke der Briten im Bluesstil zu spielen, genannt. Grundsätzlich finde ich es gut, wenn Coverversionen nicht zu nah am Original verhaftet sind, aber doch immer noch den Spirit des Stückes aufweisen. Bei Blue Floyd fand ich den Ansatz sehr gut, die Umsetzung konnte mich aber nicht überzeugen. Und auch die Versionen von ReGenesis haben mich nicht vom Hocker gehauen.

Nun wagt sich also Nick D’Virgilio an das Meisterwerk von Genesis. Wie im Booklet zu erfahren ist, hatten sich Mark Hornsby und Nick, die das Album gemeinsam produziert haben, bei der NAMM Show in Los Angeles (einer jährlich stattfindenden Musikveranstaltung) getroffen und einige Biere gekippt. In dieser Bierlaune kamen die beiden auf die Idee, einen Genesis-Track im Stile des Bluegrass oder in einem anderen ungewöhnlichen Stil aufzunehmen. Diese Idee war verrückt, doch gefiel sie den beiden und so setzten sie sie in die Tat um.

Was aus einer Bierlaune entsteht kann oft in die Hose gehen, mündet aber auch oft in einem genialen Ergebnis und letzteres ist hier passiert. Das scheint vor allem daran zu liegen, dass Nick mit dem Genesis Werk aufgewachsen ist, es in- und auswendig kennt und es zu seinen absoluten Favoriten zählt. Aus diesem Grund ist er mit sehr viel Liebe an das Werk gegangen und hat es in seiner eigenen Art umgesetzt, ohne sich weit vom Original zu entfernen. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis, wenn man liest, dass die Mitmusiker teilweise das Album und die Musik nicht kannten.

Wenn man sich die Instrumentenliste des Albums anschaut, so wird einen zunächst irritieren, dass Nick mit Bläsern (Trompete, Horn, Saxophon, Flöte und Klarinette) und Streichern (Cello, Violine und Viola) gearbeitet hat. Er wird doch wohl hier nicht auf der Klassrockwelle schweben? Nein ganz gewiss nicht, vielmehr unterstützen die Instrumente den Gesamtsound und lassen die Genesis-Klassiker in ganz neuem Sound erklingen. Das ist spannend und mitreißend zugleich. Auch Nick’s Gesang passt hervorragend zu den Genesisstücken. Dabei macht er nicht den Fehler den unvergleichlichen Peter Gabriel kopieren zu wollen, vielmehr bringt er seine Stimme optimal in die Songs ein.

Die Stücke, die im Java Jive Studio in Nashville aufgenommen wurden, finden sich – wie sollte es auch anders sein – in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Original wieder. Die CD startet mit dem bekannten Piano-Solo von „The Lamb Lies Down On Broadway“, doch nach wenigen Momenten zeigt sich die Wucht, die Nick mit den Streichern und Bläsern auf diesem Album entwickelt. Hier trifft Big Band Orchester-Sound auf Rock, unterstrichen von klassischen Streichern. Durch die Streicher wirken zum Beispiel Stücke wie „Fly On A Windshield“ noch zarter und zerbrechlicher. Und auch „In The Cage“ verliert nichts an Dramatik durch den Bläsereinsatz, ganz im Gegenteil. Wenn ich das Stück in dieser Version höre, bekomme ich sofort eine Gänsehaut.

Die Backgroundsänger, die Nick verpflichtet hat sind ebenfalls ganz hervorragend, was vor allem bei „Grand Parade Of Lifeless Packaging“ zum tragen kommt. „Hairless Heart“ ist eine wunderbare Kombination von Streichern und Gitarre, die in einen Stil übergeht der durch Piano und Schlagzeug eine bluesige Baratmosphäre vermittelt. Was für eine Interpretation! Sehr blueslastig wird „Counting Out Time“ von Nick & Co. interpretiert und erhält dadurch einen unglaublich kraftvollen Klang. Ein Cello bereitet zu Beginn von „The Carpet Crawlers“ den Höhepunkt des Stückes vor.

Und so faszinierend wie die Stücke der ersten CD, geht es auch auf der zweiten weiter. Alle Stücke zu beschreiben würde hier den Rahmen sprengen. Nur soviel sei geschrieben, das „Lilywhite Lilith“ einen Gänsehauttreibenden Chorus besitzt, „The Waiting Room“ durch psychedelische, bedrohlich wirkende Elektroniksounds besticht, „Here Comes The Supernatural Anaesthesist“ einen unglaublichen Satzgesang aufweist (hätte ich gerne noch mehr davon), „Silent Sorrow In Empty Boats“ durch die Chöre sehr episch wirkt, „Riding The Scree“ einen irren Big Band Sound aufweist und „It“ durch die Bläser einfach umwerfend klingt.

Mit „A Tribute To The Lamb Lies Down On Broadway“ ist Rewiring Genesis eine hochwertige Hommage an das Meisterwerk des Progrock gelungen, dass es in ganz neuem Licht erscheinen lässt. Jedem Genesis- oder Prog-Fan kann ich dieses Werk nur wärmstens ans Herz legen. Ein besseres Tributealbum ist mir bisher nicht zwischen die Ohren gekommen!!!! Höchste Empfehlungsstufe.

Stephan Schelle, Juli 2009

   

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