Queen - The Miracle - Deluxe Edition
Universal Music (2022)
(26 Stücke, 102:08 Minuten Spielzeit)

Als die britische Band Queen 1987 mit der Produktion ihres 13. Studioalbums „The Miracle” begann, hatte sie 15 Monate davor, am 09. August 1986, ihre gewaltige Europe Magic Tour mit einem triumphalen Erfolg vor 160.000 Besuchern im britischen Knebworth Park beendet. Es sollte der letzte Liveauftritt von Queen mit Freddie Mercury sein, was zu diesem Zeitpunkt aber weder Band noch Fans ahnen konnten, denn Freddies Aids-Erkrankung machte sich allmählich bemerkbar. 


1989 erschien dann das Album „The Miracle“, bei dem zum ersten Mal alle Mitglieder zu gleichen Anteilen Songwriting-Credits an den Songs zugeschrieben wurden – unabhängig davon, wer nun die Kernidee des jeweiligen Titels gehabt hatte. „Dieses Aufteilen der Credits war eine echt wichtige Entscheidung für uns, weil wir so unsere Egos an der Studiotür abgeben konnten“, sagt Brian May. „Wir arbeiteten wirklich geschlossen als Band zusammen – was davor nicht immer der Fall gewesen war. Ich wünschte, wir hätten schon 15 Jahre früher diesen Entschluss gefasst.“

Die Geschlossenheit der Band zeigte sich auch an dem grandiosen Coverartwork von Richard Gray, das die Köpfe der Bandmitglieder zeigt die nahtlos ineinander übergehen. „Das Cover zeigt genau diese Einheit, die sie damals waren: vier Menschen, die nahtlos zu einem Ganzen verschmelzen“, so May. „Wir hatten auch mit Freddies sich kontinuierlich verschlechterndem Gesundheitszustand viel zu tun – und zogen an einem Strang, um ihn zu unterstützen.“ Da Freddie inzwischen nicht mehr auf Tour gehen konnte, bewies die Band ihr kreatives Genie auf andere Weise: Laut John Deacon lebten sie diese klassische Live-Energie nun einfach im Studio aus. „In den ersten Wochen der Aufnahmephase haben wir auch viele Live-Sachen gemacht, viele Songs gespielt, einfach Jam-Sessions gemacht – und dabei sind auch gute Ideen entstanden.“

„Party“ und der Rocksound von „Khashoggi’s Ship“ hätten sich „ganz natürlich entwickelt, wie von selbst“, wie es Freddie damals formulierte. Inspiriert von einem Satz von Anita Dobson, der später auch für die Anti-Apartheits-Demonstrationen zentral wurde, war das übergroße „I Want It All“. Obwohl es genau genommen schon vor der Studiophase geschrieben wurde – ein eindringlicher Beweis dafür, wie viel Heavy-Rock-Nachdruck sich die Band durch ihre Live-Aktivitäten inzwischen angeeignet hatte. „Wir konnten den Song nie live mit Freddie spielen“, sagt May. „Ich bin mir sicher, er wäre zu einem festen Bestandteil unserer Shows geworden – weil der Song so partizipativ ist. Er ist fürs Publikum zum Mitsingen gemacht, eine astreine Hymne.“

„Viele der Tracks [von Miracle] beinhalten auch allererste Takes“, so Roger weiter. „Wir wollten nämlich genau dieses Spontane und Frische bewahren. Es war ein Versuch, die Energie und den Enthusiasmus einzufangen, den wir beim gemeinsamen Spielen als Band hatten.“

Die Songs dokumentierten auch sehr gut persönliche Erfahrungen der Queen-Musiker: Das aus den Schlagzeilen aufgeschnappte Drama, auf dem der Song „Scandal“ basiert, war letztlich Mays Seitenhieb gegen das andauernde Einmischen von Presseleuten in persönliche Angelegenheiten der Bandmitglieder. Und der von John Deacon besonders gefeierte Abschlusstitel „Was It All Worth It“ wurde im Nachhinein als Song über den Gesundheitszustand von Freddie gelesen (der diesen Song komponiert hatte).

Nach der bereits im Jahr 2011 remasterten Version, erscheint am 18.11.2022 das Album erneut in verschiedenen Editionen. Neben einer Download-Version gibt es eine zwei CDs umfassende Deluxeversion (die mir zur Besprechung vorlag) sowie – für den etwas praller gefüllten Geldbeutel – eine Collector’s Edition, die mit einer LP, 5 CDs, einer DVD und einer Blu-ray plus einem 76seitigem Hardcover-Buch ausgestattet ist.

Die Deluxe-Edition erscheint in einem Hardcover mit neuem 16seitigen Booklet, in dem neben neuen Fotos und den Songtexten auch auf zwei Seiten die Musiker zu Wort kommen. Die erste CD umfasst das Originalalbum im 2011’er Remix, der bereits erhältlich war. In 2011 war es auch eine DoppelCD, die allerdings andere Bonustracks auf dem zweiten Silberling enthielt (Singleversionen und Single-B-Seiten). Die neue Version (zweite CD) ist „The Miracle Sessions“ betitelt und gewährt faszinierende Einblicke in den kreativen Prozess der Band – inklusive Originaltakes, Demos und frühen Versionen. Darüber hinaus ist auch die vorab veröffentlichte neue Single „Face It Alone“ – einem von insgesamt sechs bislang unveröffentlichten Songs (zwei davon mit Gesang von Brian May) - enthalten. Bisher unveröffentlicht sind die Songs „When Love Breaks Up“, „You Know You Belong To Me“, „I Guess We’re Falling Out“, „Dog With a Bone“, „Water“ und „Face It Alone“.

Aufschlussreich sind auch die Gesprächsmitschnitte der vier Bandmitglieder, aufgezeichnet zwischen den eigentlichen Takes in den Townhouse-, Olympic- und Mountain-Studios. Sie sind immer mal wieder zu hören. Diese Momentaufnahmen zeugen von der Chemie und der Freundschaft, die damals zwischen den Queen-Mitgliedern herrschte. Auch klingen die Songs in ihren Demoversionen rauer und ungeschliffener und zeigen nicht nur den Aufnahme-/Entwicklungsprozess sondern klingen auch richtig gut.

Einen Mehrwert bietet neben dem gut gemachten Hardcover die zweite CD der Deluxe-Edition, die neben den starken Alternativversionen vor allem durch die bisher unveröffentlichten Songs „When Love Breaks Up“, „You Know You Belong To Me“, „I Guess We’re Falling Out“, „Dog With a Bone“, „Water“ und „Face It Alone“ besticht. Wer also die 2011’er Version schon besitzt und für die Collector’s Edition nicht so tief in die Tasche greifen will, bekommt mit der Deluxe-Edition einen neuen Einblick in die Produktion von „The Miracle“, der sich lohnt.

Stephan Schelle, November 2022

   

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