Poor Genetic Material - Possibilities
Eigenvertrieb (2023)

(6 Stücke, 43:06 Minuten Spielzeit)

Die deutsche Band Poor Genetic Material hatte zuletzt das Album „Here Now“ im Jahr 2020 in Komplettbesetzung eingespielt. Im Jahr 2023 kam dann überraschend ein Album („Elsewhere“) unter dem Bandnamen heraus, bei dem lediglich Phil Griffiths, Stefan Glomb und Philipp Jaehne beteiligt waren. Es war eine Art Interims-Album, das die Zeit zwischen „Here Now“ und dem am 22.03.2024 erscheinenden „Possibilities“ überbrücken sollte.


Jetzt also wieder in der Komplettbesetzung mit Philip Griffiths (Lead-Gesang, Backgroundgesang, Didgeridoo), Marin Griffiths (Lead-Gesang bei „Old Buffon“ und Nursery Rhyme bei „Rain“), Stefan Glomb (6- und 12seitige elektrische und akustische Gitarren), Philipp Jaehne (Piano, Orgel, Synthesizer, Mellotron), Pia Darmstaedter (Flöte), Dennis Sturm (Bass) und Dominik Steinbacher (Schlagzeug, Backgroundgesang).

Das Album erscheint in einem vierseitigen Papersleeve und enthält neben der Disc ein sehr gut gemachtes 16seitiges Booklet, in dem neben zahlreichen Fotos auch alle Texte abgedruckt sind. Daneben erscheint das Album noch in einer streng limitierten Auflage auf Vinyl.

Das Album beginnt mit dem sechsminütigen Titelstück, das von Bass und Perkussion eröffnet wird und sich nach wenigen Momenten durch Orgel und weiteren Instrumenten in proggige Höhen schraubt. Ein klasse Groove, der das Album eröffnet und nach etwas mehr als einer Minute in einen Part mit herrlicher Sologitarre, begleitet von akzentuiert gespielten Instrumenten, übergeleitet wird. Nach etwa zweieinhalb Minuten kommt dann auch Gesang auf und schraubt den Song noch mal eine Etage höher. Im Mittelteil wird es dann eine Spur sakral und zurückgenommen, um nach wenigen Momenten wieder mit Gesang und Schlagzeug/Keyboard zunächst reduziert weiterzugehen. Zum Ende hin ist wieder die instrumentale Vielfalt zu genießen, in die sich nun auch Pia Darmstaedter mit einer sehr schönen Flötenmelodie zurückmeldet. Ein traumhaftes Stück in das man sofort hineingezogen wird.

Eine warme und unter die Haut gehende Akustikgitarrenpassage, die an frühe Genesis erinnert, kommt zu Beginn des 8:17minütigen „Rain“ auf. Auch die Mellotronsounds weisen in diese Richtung, während das Schlagwerk den Track in die heutige Zeit versetzt. Sobald dann der Gesang einsetzt, hat aber der eigene Stil von Poor Genetic Material wieder die Oberhand gewonnen. Es entwickelt sich schnell ein herrlicher Longtrack mit Satzgesang in dem lediglich die Instrumentalpassagen ein wenig an die 70’er Jahre erinnern. Ein sehr atmosphärischer Song, der Suchtpotenzial besitzt.

Modern klingende Keyboardsounds leiten dann in den 6:30minütigen Song „A Spark Of Ideas“ ein. Hier treffen sehr perkussive Elemente von Bass und Schlagzeug auf herrlichen Satzgesang. Zwischendurch kommen dann auch wieder proggige Parts auf, die einen in die seligen 70’er transformieren, jedoch im Klangbild von heute verweilen. Stefan Glomb und Philipp Jaehne gehen in der zweiten Hälfte an Gitarre und Keyboard ein sehr schönes Zwiegespräch ein.

Mellotronsounds, wie bei den Beatles, eröffnen dann das 4:28minütige „Old Buffon“, bei dem Vater und Sohn Griffiths sich den Gesang teilen. Ein Song mit leichtem Popappeal und beatlesken Elementen. Danach folgt das 12:49minütige „An Island In Time“. Keyboards und Schlagzeug eröffnen diesen Song sehr atmosphärisch. Dann setzt nach gut 40 Sekunden eine Rhythmusgitarre ein, die einem die Gänsehaut nach oben schnellen lässt. Nach etwa einer Minute mutiert der Track dann in einen melodischen Rocksong, der mit raumgreifendem Satzgesang versehen ist. Durchzogen ist das Stück von Soli an denen jeder beteiligt ist. Ein absolutes Highlight des Albums, obwohl hier eigentlich kein Song einem anderen hintan steht.

Zeitlupenartig zeigt sich dann der 4:56minütige Abschlusstrack „Contingency“, bei dem zunächst Keyboards, Flöte und Schlagzeug eine sehr angenehme Atmosphäre verbreiten. Dann wird es etwas komplexer, sobald der Gesang einsetzt, da die Band an einigen Stellen mehrere Instrumente zu einer Wall Of Sound hochfährt. Ein druckvoller Abschluss.

Mit „Possibilities“ ist Poor Genetic Material wieder ein eindrucksvolles Album gelungen, das ihren Status im Prog- und Artrockbereich untermauert. Oftmals stellen sich bei den Songs Gänsehautmoment ein. Auch wenn das im Trio gespielte „Elsewhere“ überzeugen konnte, so entfalten Poor Genetic Material doch erst in der 7’er Besetzung ihre ganze Strahlkraft.

Stephan Schelle, März  2024

   

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