Poor Genetic Material - Absence
QuiXote Music / H‘art (2016)

(6 Stücke, 56:53 Minuten Spielzeit)

Drei Jahre hat es gedauert bis die deutsche Rockformation Poor Genetic Material nach ihrem 2013 erschienenen achten Werk „A Day In June“ einen Nachfolger am 16.09.2016 auf den Markt bringt. Das LineUp der Band ist aber unverändert geblieben und besteht anno 2016 aus Philip Griffiths (Gesang), Martin Griffiths (Gesang), Stefan Glomb (Gitarren, Bass), Philipp Jaehne (Keyboards), Pia Darmstaedter (Flöte), Dennis Sturm (Bass) und Dominik Steinbacher (Schlagzeug). 


Absence – Abwesenheit – das vielfältige Gefühl von Mangel. Menschen, Dinge, Lebensgefühle, die uns vertraut waren, die uns geprägt haben, die nun nicht mehr sind als eine vage Erinnerung. Sei es, weil wir selbst uns verändert haben, sei es, weil das, woran diese Gefühle hingen, aus unterschiedlichen Gründen unerreichbar geworden ist. Dieser Zustand ist zentrales Thema des neunten Albums von Poor Genetic Material.

Acht Stücke, von denen das aus zwei Parts bestehende, mehr als 31minütige Titelstück die anderen sechs Songs einrahmen, sind auf dem neuen Album enthalten. War Martin Griffiths auf dem letzten Album noch Gastsänger (er ist bekannt als Sänger der Band Beggars Opera), so gehört er mittlerweile zur Stammformation und teilt sich mit seinem Sohn Philip die Gesangsparts.

Gestartet wird mit dem 19minütigen „Absence – Part 1“, das mit sanften Klangwolken beginnt. Hier hinein webt Pia Darmstaedter zarte Melodietupfer aus ihrer Flöte. Langsam entwickelt sich dieser wunderbare Longtrack und zieht den Hörer unweigerlich in einen hypnotischen Sog bis nach gut dreieinhalb Minuten Schlagzeug und E-Gitarre einsetzen und den Track in rockige Gefilde leiten. Ab diesem Zeitpunkt ist man in einem mitreißenden Artrocksong angelangt. Philip und Martin ergänzen sich dabei am Mikro perfekt, denn die Stimmen passen ausgezeichnet zueinander. Nach etwas mehr als sieben Minuten ändern sich schlagartig Sound und Struktur des Songs und wechseln von atmosphärischem Flair in Rockgefilde, die auch eine Spur Krautrock beinhalten. Bands der Marke Eloy & Co. kommen mir hier in den Sinn. Zum Ende hin lassen sie es dann wieder sphärischer und ruhiger angehen. Ein klasse Longtrack, der das Album einleitet.

Diesem schließt sich der sechsminütigen Song „What If …?“ an. Orgelklänge eröffnen das Stück um im nächsten Moment in härtere Rhythmen zu wechseln, die wie eine Mischung aus Rock, Mittelalter und ethnischen Elementen zu bestehen scheinen. Auch leicht jazzige und komplexe Strukturen kommen in diesem Stück auf. Dem folgt dann dann das traumhafte, proggige, an verschiedene Progacts erinnernde „Lost In Translation“ an. Ein wunderbarer Song, bei dem der Progfan so manche Anleihe heraushören kann, ohne dass die Eigenständigkeit von Poor Genetic Material darunter leidet.

Mit 3:43 Minuten Spielzeit ist „Chalkhill Blues“ das kürzeste Stück des Albums. Wer jetzt aber einen Bluessong erwartet, der liegt völlig falsch. Vielmehr bietet die Band einen sehr melodischen, ins Ohr gehenden Song, der mich auch wieder an deutsche Krautrockbands erinnert aber einen tollen Groove hat und tierischen Spaß macht. Das macht Appetit die Band mal live zu erleben, denn das Ding wird auf der Bühne echt abgehen. 

Neben dem zweigeteilten Titelstück haben Poor Genetic Material mit „Absconded“ einen weiteren Longtrack auf dem Album, der es auf 10:39 Minuten bringt. Sehr abwechslungsreich, melodisch mit wechselnder Dynamik zeigt sich dieser Song von seiner besten Seite. Ein tolles Stück das zwischen atmosphärischen Parts und knackigem Rock wechselt und von wunderbaren Soli durchzogen ist.

Den Abschluss bildet dann der zweite Teil des Titelstückes, der es auf mehr als 18 Minuten bringt. Sehr atmosphärisch mit teils floydigen Keyboards beginnt das Stück in den ersten vier Minuten. Dann kommen Akustikgitarre und Bass sowie Schlagzeug auf (dieses klingt ebenfalls stark nach Pink Floyd). Darauf setzt Philip dann seine sanfte Stimme. Das ist einfach nur klasse gemacht. Auch in diesem Stück finden Wechsel in Struktur und Sound statt. Neben sehr nostalgischen Anklängen wirkt der Song an anderen Stellen modern und frisch.

Der CD, die im Jewelcase verpackt ist, wurde ein 16seitiges Booklet spendiert, das neben den Texten auch ein sehr ansprechendes Artwork beinhaltet und die Songtexte enthält.

Mit „Absence“ beweisen Poor Genetic Material das sie zur ersten Garde der deutschen Art-/Progrock-Gilde zählen. Ein tolles atmosphärisches Album das sich noch lange im Player drehen wird.

Stephan Schelle, September 2016

   

CD-Kritiken-Menue