Polis – Unterwegs I
Progressive Promotion Records (2023)

(8 Stücke, 66:26 Minuten Spielzeit)

Die aus Sachsen stammende Band Polis existiert seit nunmehr gut 13 Jahren. In der Zeit hat das Quintett, bestehend aus Christian Roscher (Gesang), Christoph Kästner (Gitarren), Marius Leicht (Tasteninstrumente, Satzgesang), Andreas Sittig (Bassgitarre, Satzgesang) und Sascha Bormann (Schlagzeug) drei Studioalben veröffentlicht. Das letzte hieß „Weltklang“ und kam im Jahr 2020 heraus. Darüber hinaus sind Polis auch schon sehr lange live unterwegs. Da lag es nahe, endlich mal ein Livealbum zu veröffentlichen.


Am 30.12.2023 erscheint nun mit „Unterwegs I“ das erste Livealbum der Band. Der Titel weist aber schon darauf hin, dass es wohl nicht das Letzte gewesen sein wird. Aufgenommen wurden die ersten sechs Stücke beim Woodstock Forever Festival bei Waffenrod in Thüringen im Jahr 2020. Die letzten beiden Stücke wurden bei einem Konzert in der Alten Kaffeerösterei in Plauen am 30.12.2020 mitgeschnitten.

Auf der Bandseite ist zu lesen: „Ein Polis Konzert ist stets etwas Besonderes. Um die Arrangements unserer Studioalben mit ihrer teils opulenten Instrumentierung ohne Abstriche auf die Bühne zu bringen, scheuen wir keine Mühe, ein regelrechtes Instrumentenmuseum mit uns zu führen. Große Verstärkerwände und zahlreiche Rotationslautsprecher dürfen ebenso wenig fehlen, wie die echte Hammondorgel, Fender-Rhodes Piano und die analogen Synthesizer-Instrumente, die man seit ihrer Blütezeit in den 70er Jahren nur noch selten bis gar nicht mehr auf der Bühne findet. Die Freude an deren Klanggewalt zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht und wir versinken gemeinsam mit dem Publikum in tiefen Klangwelten und breiten mit kindlicher Spielfreude unseren Gefühlkosmos aus.“

Von den acht Stücken finden sich je zwei Stücke von dem 2013’er Album „Sein“ und dem 2020’er Album „Weltklang“ sowie ein Stück vom Debütalbum „Eins“ aus dem Jahr 2011 auf dem Livealbum. Daneben hat die Band auch noch die zwei neue Songs „Das erste Leuchtfeuer“ und „Die Einsamkeit“ live präsentiert, die als Appetithappen für das nächste Album mit drauf gepackt wurden.

Die Band dazu: „Unter den Stücken finden sich neben unseren „Bühnenklassikern“ wie „Tropfen“ und „Blumenkraft“ mit ihren ausgedehnten Instrumentaljams und dem Publikumsliebling „Sag mir“ auch zwei noch gänzlich unveröffentlichte Stücke. Da neue Kompositionen ihren Weg bei uns meist schneller auf die Bühne finden, als auf die nächste Platte, haben wir „Das erste Leuchtfeuer“ und „Die Einsamkeit“ bereits live gespielt und uns entschlossen, diese als Vorgeschmack auf das nächste Album einfließen zu lassen.“

Mir lag die CD-Version vor, die in einem vierseitigen Digipak mit achtseitigem Booklet (darin enthalten sind Livefotos) herausgekommen ist. Musikalisch agieren Polis irgendwo zwischen Pink Floyd und Selig, psychodelischer Rockmusik, Progressiverock, Neo-Kraut und Seventies-Rockbrett mit großer Geste und meditativen Jams. Gesungen wird dabei in deutscher Sprache.

Während die einzelnen Stücke live nahezu in gleicher Länge wie in den Studioversionen gespielt wurden, haben Polis den Liveklassiker „Tropfen“ in einer gut doppelt so langen Version gespielt. Damit beginnt auch der Livemitschnitt. In der 10:51minütigen Version von „Tropfen“ lassen sich Polis viel Zeit, diesen sich entwickeln zu lassen und durch ausufernde Instrumentalpassagen auszubauen. Da wechseln sich dann auch sehr ruhige mit kraftvolleren Passagen ab. Das wirkt jetzt noch eine Spur psychedelischer und im Rock der 70’er Jahre verortet. Diese Liveversion gefällt mir persönlich noch besser als die Studioversion.

Auch das folgende „Gedanken“ stammt vom letzten Album „Weltklang“ und schließt direkt an den ersten Song an. Auch hier zeigt sich die ganze Versiertheit der fünf Musiker. Der Song wandelt im Stile des 70’er Jahre Rock mit herrlichen Orgelklängen, die an Bands wie Uriah Heep & Co. erinnern, aber doch sehr eigenständig sind.

Mit „Die Einsamkeit“ und „Das erste Leuchtfeuer“ haben sie dann zwei neue Songs mit auf den Silberling gepackt, die sich nahtlos in die älteren Stücke einfügen. „Die Einsamkeit“ ist ein besinnlicher, sanfter Rocksong mit herrlichen Gitarren- und Orgeleinlagen. „Das erste Leuchtfeuer“ ist dagegen ein sehr perkussiver Song, der von Sascha Bormann am Schlagzeug und Andreas Sittig am Bass nach vorn getrieben wird. Darauf werden druckvolle Gitarren, perlende Keyboards und Gesang gelegt. Eine klasse Kombination.

Das 7:30minütige „Eine Liebe, tausend Leben“ ist ein Song der sich nicht auf den drei Studioalben befand und mir somit unbekannt war. Ein Rocksong der ebenfalls Elemente des 70’er-Jahre Rock aufweist. Ein sehr atmosphärischer Song, der im letzten Drittel mit einem sehr schönen, leicht Bluesangehauchtem Gitarrensolo glänzt.

Es folgen dann noch die Stücke „Danke“ und „Sag mir“ um dann mit dem wunderbaren „Blumenkraft“ zu enden. In dem Song wird es dann auch ein klein wenig jazzig und vertrackter. Besonders hervorzuheben ist in diesem Song der mehrstimmige Satzgesang. In der zweiten Hälfte geht Christoph Kästner an der Gitarre richtig ab.

Es wurde wirklich Zweit, dass Polis ein Livealbum veröffentlichen, denn sie scheinen auf der Bühne viel gelockerter und gelassener mit einem hohen Gespür für tolle Harmonien und Soli zu sein, als sie es auf den Studioalben vermögen. „Unterwegs I“, dem hoffentlich in nicht allzu langer Zeit ein zweiter Teil folgen sollte, ist nicht nur der perfekte Einstieg in den Musikkosmos von Polis, sondern bietet tolle Interpretationen ihrer Songs. Das macht eine Menge Appetit auf‘s nächste Album und auf ein Livekonzert. Diese Band sollte man sich unbedingt merken.

Stephan Schelle, Dezember 2023

   

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