Peter Gabriel / Various Artists – And I’ll Scratch Yours

Peter Gabriel / Various Artists – And I’ll Scratch Yours
Real Word Records / Universal Music (2013)
(12 Stücke, 55:08 Minuten Spielzeit)

Lange hat es gedauert, bis sich die Musiker revanchierten und Stücke von Peter Gabriel interpretierten. „And I’ll Scratch Yours“ ist das Parallelalbum oder der Kontrapunkt zu Peter Gabriel’s 2010’er Werk „Scratch My Back“, in dem er sich Songs unterschiedlichster Musiker angenommen hat und sie auf seine ganz eigen Weise eingespielt hat. Nun also die Revanche, die ein Dutzend von Gabriel’s Songs, darunter die bekanntesten und beliebtesten Stücke (mit Ausnahme des Megasellers „Sledgehammer“) des Ausnahmemusikers, in ein neues Gewand kleiden.


„Anstatt ein traditionelles Album mit Coverversionen zu machen, dachte ich mir, dass es sehr viel unterhaltsamer sein würde, ein neuartiges Projekt anzustoßen, bei dem Künstler miteinander kommunizieren und Songs austauschen”, erklärt Peter Gabriel. „Nach dem Motto: Ich interpretiere einen deiner Songs und du im Gegenzug einen von meinen. Deshalb auch der Titel ‘Scratch My Back - And I’ll Scratch Yours’ (auf gut Deutsch: Eine Hand wäscht die andere).”

„Scratch My Back”, der erste Teil dieses Song-Austausches, wurde ursprünglich 2010 veröffentlicht und wird nun noch einmal in einer speziellen Edition zusammen mit „And I’ll Scratch Yours” neu herausgebracht. Aufgrund der dicht gefüllten Aufnahme- und Tourneekalender der an diesem Projekt beteiligten Künstler ist es bei der Umsetzung des Vorhabens natürlich zu einigen Verzögerungen gekommen. Doch aufgewogen wird dies durch Gabriels Freude über das letztendlich erhaltene Feedback. In Anbetracht des Kalibers und der Karrieren der Künstler, deren Songs er ausgewählt hatte, ist es schon geradezu unglaublich, dass bis auf zwei Songwriter alle in der Lage waren, Peter Gabriels Gefälligkeit zu erwidern. Für Neil Young und Radiohead, die beide verhindert waren, sprangen mit Joseph Arthur und Feist feat. Timber Timbre andere hochkarätige Künstler ein, die zu diesem aufregenden Projekt ihre Versionen von „Shock the Monkey” respektive „Don’t Give Up” beisteuerten.

Schon der Opener, „I Don’t Remember“ wird von David Byrne (Talking Heads) in einer für ihn typischen Art interpretiert. Wie er haben auch die anderen Künstler es verstanden, die Grundlagen der Songs beizubehalten und sie doch so zu verändern, dass etwas komplett Neues entstanden ist. Byrne hat den Song recht elektronisch ausgelegt, so wie man es auch von seinen Solowerken und her den Talking Heads kennt.

Ganz anders präsentiert sich „Come Talk To Me“ von Bon Iver. Hier kommen neben Artrock auch Folk- und Countryelemente, ja sogar psychedelische Klänge zum Tragen. Regina Spektor hat dagegen „Blood Of Eden“ im Singer/Songwriter-Stil angelegt. Und auch im nächsten Song ändert sich der Sound sehr krass. „Not One Of Us“ wirkt wie eine Mischung aus Electro, New Wave und Neue Deutsche Welle. Joseph Arthur wiederum versteht es aus „Shock The Monkey“ den Rhythmus herauszudestillieren und aus dem Song einen intensiven, hypnotischen Track zu machen, der durch seine eigenartige Monotonie einige verstörende Momente bezieht.

„Big Time“ atmet den ganzen Charme von Randy Newman, der sich den Song ganz zu Eigen gemacht und durchaus jazzige Versatzstücke eingebaut hat. Arcade Fire haben sich „Games Without Frontiers“ und Elbow „Mercy Street“ angenommen. Elbow’s Sänger liegt dabei sehr nah an Gabriels Stimme, so dass diese Version sehr nahe am Original scheint. Brian Eno hat aus „Mother Of Violence“ ein elektronisches Kammerspiel gemacht, das man kaum wiedererkennt.

Durch sehr ansprechende perkussive Rhythmik glänzt „Don’t Give Up“ von Feist feat. Timber Timbre und Altmeister Lou Reed hat dem wohl beliebtesten Stück „Solsbury Hill“ seine Sanftheit entzogen und eine ganz raue und kalte Nummer daraus gemacht. Den Schluss bildet dann „Biko“ in der Interpretation von Paul Simon. Er hat, nur zur Gitarre begleitet, aus dem Song einen typischen Paul Simon-Song gezaubert.

Das Projekt kommt in zwei Versionen mit jeweils unterschiedlichen CD-Covern: CD Standard Version „And I’ll Scratch Yours“ und DoppelCD Deluxe Edition („And I’ll Scratch Yours“ und „Scratch My Back“).

Mit dem Album „And I’ll Scratch Yours“ hat Peter Gabriel eine tolle Idee zu Ende geführt. Die Interpretationen der einzelnen Künstler sind so typisch für diese, denn sie haben ihren ganz eigenen Stil auf die Gabriel-Songs übertragen und so etwas Neues geschaffen. Die Songs erstrahlen in einem teilweise ganz anderen Licht. Es macht tierischen Spaß sich eine andere Sichtweise der Stücke zu Gemüte zu führen. Tolle Idee, tolles Album.

Stephan Schelle, September 2013

   

CD-Kritiken-Menue