Paul Vincent – Vincent’s fliegender Rock ’n’ Roll Zirkus

Paul Vincent – Vincent’s fliegender Rock ’n’ Roll Zirkus
Bell Records (1975 / 2008)
(Wiederveröffentlichung)
(18 Stücke, 52:23 Minuten Spielzeit)

Was flattert mir denn da für eine skurril aussehende Scheibe ins Haus? Paul Vincent? Nie gehört. Die Scheibe, die im Jahr 1975 auf Vinyl erstmalig das Licht der Welt erblickte ist mir ebenfalls völlig unbekannt. Naja, denke ich mir, das Layout und der Titel passen zumindest zu meinem Musikmagazin.


Die CD erscheint im Digipack mit 12seitigem Booklet, in dem sich alle Texte der enthaltenen Songs (mit Ausnahme des „Kriminal Tango“) befinden. Leider fehlen Bilder, die einige der Mitwirkenden (darunter auch Lothar Meid) von damals zeigen, gänzlich.

Zunächst sei einmal gesagt, dass es sich bei „Vincent’s fliegender Rock ’n’ Roll Zirkus“ um Deutschrock der 70’er Jahre handelt. Das ganze kommt aber - aus heutiger Sicht - so bizarr und eigentümlich daher, das es schon wieder Mega-kultig und völlig abgefahren ist. Wenn ich die Musik kurz kategorisieren sollte, dann fällt mir spontan folgende Mischung ein. Man werfe die Stile (musikalisch und gesanglich) von Udo Lindenberg, Achim Reichel, Novalis, Torfrock (z. B. bei Lola, O Lola“), Frank Zander (mit Geräuscheffekten wie zur Zeit seiner ersten Werke) und Rocky Horror Picture Show zusammen und mische das ganze dann mit einer gehörigen Portion Humor á la Monty Python, fertig ist der Artistenmix.

Und diese Mischung kommt nicht von ungefähr, denn Gitarrist und Sänger Paul Vincent Gunia hat während seiner langen musikalischen Laufbahn u. a. mit so bekannten Leuten wie Klaus Doldinger, Udo Lindenberg (er war einige Jahre Co-Produzent, Komponist, Arrangeur und Gitarrist für Udo’s Panikorchester), Wolle Kriwanek, Sting, Eric Burdon und Meat Loaf gearbeitet. Und mit dem seligen Freddie Mercury hat er zusammen an dessen Soloalbum „Mr. Bad Guy“ gearbeitet.

Neben den ursprünglich 14 Titeln des Originalalbums (es ist seinerzeit in einer Auflage von 5.000 Stück herausgekommen und bringt heute in gutem Zustand einen Preis im vierstelligen Bereich) bietet die CD vier Bonustracks. Darunter drei Remixe und mit dem deutschen Schlagerklassiker „Kriminal Tango“, mit dem Ralf Bendix im Jahr 1959 einen großen Erfolg hatte, ein zusätzliches neues Stück.

Die recht humorvollen Texte stammen von Paul’s Frau Mono Gunia, die damals auch Sängerin und Texterin bei der deutschen Punkband Drosselbart war. Und diese Text sind ebenfalls recht skurril, was man bei Titeln wie „Penner-Ballade“ (Textzeile: „Und unten am See tut man ner Flunder weh, doch tief auf dem Grund schläft sich ein Penner gesund.“), „Mummenschanz“ (Textzeile: „Aber … keine Panik! sprach der Floh, doch sein Anzug brannte lichterloh.“), „Vier nackte Jünglinge im Feuerofen“, bei dem zur Melodie von „Kuckuck, Kuckuck“ der Text „King Kong, King Kong, ruft’s aus dem Wald …“ gesungen wird oder „Fixer-Ballade“ schon erahnen kann.

Musikalisch bewegen sich die Stücke recht rockig im Stile von den oben genannten Bands. Mit der Mixtur aus verschiedenen Künstlern der 70'er vermittelt die CD den Zeitgeist dieser Epoche und kleidet sie in eine Zirkusatmosphäre. Dann mal Vorhang auf und ab in die Manege! Mit der 0:28minütigen Overture „Das Orchester sorgt für Stimmung“ startet die CD recht Stilvoll (es kommt eine gewisse Zirkusatmosphäre auf).

Man hat an einigen Stellen tatsächlich das Gefühl, als würde man verschollenen Stücken von Udo Lindenberg („Die Gladiatoren laufen ein“) oder Achim Reichel Songs (z. B. „Fixer-Ballade“) lauschen. Und „Letzte Grüsse“ klingt, als träfen Novalis auf Queen.

Wer auf Kraut- bzw. Deutschrock der 70’er Jahre mit Blueseinflüssen steht, der kann mit dieser CD eine herrliche Zeitreise erleben. Mir gefällt dieser skurrile Ritt in die 70’er jedenfalls (da werden so einige Erinnerungen wach). Wer in die fröhlich/verrückte Musik von „Vincent’s Rock ’n’ Roll Zirkus“ reinhören möchte, der kann das über die Homepage www.luxusmusikshop.de tun.

Stephan Schelle, März 2008

   

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