P’cock – The IC Years – The Prophet & in ‘cognito
MIG music / made in germany music (2023)
(15 Stücke, 88:16 Minuten Spielzeit)

Das deutsche Label MIG music mausert sich zu einem der wichtigsten Labels, die sich um die Wiederveröffentlichung von elektronischer Musik sowie von Veröffentlichungen des IC-Labels kümmert. Anfang der 80’er Jahre kamen zwei herausragende Alben einer bis dato unbekannten deutschen Band mit dem Namen P’cock bei IC (Innovative Communication), dem Label von Klaus Schulze auf den Markt. Treibende Kraft hinter diesem Projekt war der Schlagzeuger Thomas „Tommy“ Betzler. Am 25.08.2023 erscheinen die beiden Alben erstmals auf CD.


Gegründet wurde die Band als „Peacock“ im Jahr 1975 von Tommy Betzler und tingelte zunächst durch das erweiterte Rhein-Main-Gebiet und baute sich eine kleine aber treue Fangemeinde auf. Ein Demoband aufnehmen und an die Plattenfirmen zu verschicken, erwies sich als erfolglos. Es hagelte Absagen, vor Allem mit der Begründung, dass die Zeit des Progressive Rock nun wirklich vorbei und Disco jetzt der letzte Schrei sei. Kurzum – Peacock beschloss sich aufzulösen. Doch da hatten sie die Rechnung ohne Klaus Schulze gemacht…

Um Klaus zu beeindrucken, beschloss man im Darmstädter Szeneladen „Die Goldenen Krone“ ein Livekonzert zu geben, damit der Meister sich einen musikalischen Eindruck machen konnte. Beim anschließenden Abendessen wurde direkt ein Plattenvertrag unterschrieben und ein paar Tage später standen Peacock bereits im Panne-Paulsen-Studio in Frankfurt, um ihr Debütalbum „The Prophet“ (1980) einzuspielen, produziert von Klaus Schulze persönlich. Hier stellte sich dann auch heraus, dass es bereits eine Band gleichen Namens gab, so dass man auf die elegante Lösung kam, sich fortan P’cock zu nennen. 1981 folgte dann die zweite P’cock-Platte „In ‘cognito“, diesmal direkt in Klaus Schulzes Studio in Winsen produziert.

P’cock erwies sich als eine der innovativsten deutschen Rockbands jenseits des abgehalfterten Krautrock-Idioms an der Schwelle zum New Wave und der anfangs noch ernst zu nehmenden Neuen Deutschen Welle.

Tommy Betzler spielte Anfang der 80’er Jahre auch zusammen mit Klaus Schulze u. a. bei der Aufführung seiner „Stahlsinfonie“. Ca. 1983 hängte Tommy dann aber die Trommelstöcke an den Nagel und baute sich eine Cateringfirma auf, die für das Wohlbefinden von Musikern neben ihren Konzerten Sorge trug. Wer Tommy kennt, der weiß, dass er in dieser Zeit viel erlebt und darüber viel erzählen kann (ohne natürlich Namen zu nennen). Seit einigen Jahren ist Tommy auch musikalisch wieder aktiv und hat elektronisches Schlagzeug bei TMA, Picture Palace Music (die Band von Thorsten Quaeschning), Sequentia Legenda (das Projekt des französischen Elektronikmusikers Laurent Schieber) und Michael Brückner gespielt. Mit Michael Brückner und Sammy David hat Tommy auch das Projekt P’faun aus der Taufe gehoben, das im Jahr 2018 zwei Alben herausbrachte und in der Tradition von P’cock Musik macht.

Im Jahr 1980 erschien das erste Album von P’cock unter dem Titel „The Prophet“. Es enthielt sieben Stücke. Klaus Schulze meinte im Juli 1980 dazu: Unter all den vielen Demos, die täglich ins Haus kommen, fiel mir vor etwa sechs Monaten eine Cassette auf. Hier erkannte ich zwar die Möglichkeiten der Gruppe, die Musik erschien mir noch zu stark an englische Vorbilder angelehnt. Die Kompositionen dieser Gruppe hatten etwas „Frisches“ und sehr Angenehmes - keine Spur von eintönigen, abgedroschenen Phrasen, und es waren gute und vor allem begeisterte Musiker. In gemeinsamer Arbeit haben P’cock und ich ein Album geschaffen, das ich für eine der besten „fusions“ aus elektronischen Komponenten und Rock mit klassischen Elementen halte. Das Album hat eine angenehme Langzeitwirkung, das heißt, es gefällt immer mehr, je öfter man es hört - und man erkennt immer mehr von den Feinheiten in den subtilen Arrangements.

Die Einstellung von Klaus Schulze trifft komplett zu, denn das Werk ist gut gealtert und überzeugt auch nach mehr als 40 Jahren. Eingespielt wurde das Album von Tommy Betzler (Schlagzeug, Percussion), Achim Albrecht (Fender Strat), Utz Bender (Gesang, Keyboards), Peter Herrmann (Keyboards, Synthesizer) und Axel Krause (Bass).

Gestartet wird mit dem 5:59minütigen Titelstück, das deutlich die perfekte Kombination aus Elektronik, Prog- und Rockmusik zeigt. Auch kommen hier musikalische Ähnlichkeiten zu Bands wie Eloy auf. Der Song ist gut durchkomponiert und enthält neben Gesang auch einen mit verfremdeter Stimme vorgetragenen Text.

Ein schneller Keyboardrhythmus startet dann in den druckvollen, melodischen Song „The Actors Fun“. Dem folgt das 4:11minütige „Toby“, das mit elektronischen Sounds recht mystisch beginnt. Erst nach einer Minute entwickelt sich das Stück zu einer sanften Rocknummer mit eingängigem Refrain. Im 4:04minütigen „Silver Swallow“ ist vor allem das sehr schöne Gitarrensolo von Achim Albrecht hervorzuheben. Ein klasse Song, der ab dem Mittelteil so richtig Fahrt aufnimmt und bei dem das Klaviersolo an Alan Parsons erinnert.

Auch das Intro zum 5:48minütigen „N 1,4“ weist zunächst ein wenig in Richtung Alan Parsons und hat darüber hinaus auch eine Spur Grobschnitt-Flair. Nach dem wunderbaren „Fly Your Kite“ beendet dann das zehnminütige „La Mer“ das Album eindrucksvoll. Hier hat Tommy Betzler dann ab dem Mittelteil seinen Part, in dem er so richtig auf die Gongs und Becken schlagen kann, so als wenn ein Gewitter ausbricht.

Das zweite Album vom P’cock trägt den Titel „In ‘cognito“ und erschien erstmals im Jahr 1981. Das LinbeUp bei dieser Produktion war fast identisch, lediglich Armin Stecker (Lead-Gitarre) war nun für Achim Albrecht zur Band gestoßen. Während „The Prophet“ in der Wiederveröffentlichung ohne Zusatzmaterial auskommen muss, wurden „In ‘cognito“ zwei Bonustracks spendiert. Zum einen das 3:43minütige „Look (At Life)“ und zum anderen die kürzere Version von „House In The Storm“.

Mit dem 11:10minütigen Longtrack „House In The Storm“ beginnt „In ‘cognito“. Und die Band macht da weiter, wo sie auf „The Prophet“ aufgehört hat, melodische Rockmusik mit einer gehörigen Portion elektronischem Vibe. Der Opener ist ein wunderschöner Track, der allen Musikern genügend Platz für Soli lässt und mit Struktur- und Rhythmuswechseln aufwartet. Dabei setzt Tommy mit seinem filigranen und manchmal auch druckvollen Spiel Akzente. Sehr schön ist auch das Zusammenspiel von Keyboards und Gitarre. Die als Bonus angehängte Shortversion von „House In The Storm“ klingt eine Spur dumpfer und enthält keinen Gesang, sie setzt da ein, wo sie beim Opener ab Minuten Vier weitergeht.

Richtig rockig, mit einem leicht vertracktem Rhythmus geht es dann im 4:21minütigen „Funtime Sorrow“ weiter. Da lässt die Band dann die Synthies auch mal so richtig flirren, während die Melodie sehr eingängig ist.

Sehr elektronisch wirkt das 3:03minütige „Always Funny“, während das 3:30minütige „Ban’cock“ wieder Alan Parsons-Flair verströmt. Das 6:23minütige „Mother“, bei dem man einige Klänge des Supertramp-Stils ausmachen kann und das 8:31minütige, atmosphärische und wie in Zeitlupe wirkende „Mr. Pollution“ beenden dann die Stücke, die sich auch auf dem Original befanden.

Als ersten Bonustrack findet sich dann das 3:43minütige „Look (At Life)“ auf der zweiten CD. Eine sehr schöne Ballade, bei der Utz Bender am Mikro nur von Pianoklängen begleitet wird und die Band dann sehr atmosphärisch einsteigt. Utz spielt dann auch noch ein Manfred Mann artiges Keyboardsolo.

Die Alben sind auf zwei CDs verteilt und stecken in einem Jewelcase mit zwölfseitigem Booklet, in dem sich Linernotes von Olaf Lux und einige Fotos befinden.

Mit „The IC-Years“, das die beiden Alben „The Prophet“ und „In ‘cognito“ der deutschen Band P’cock erstmals auf CD enthält, hat das deutsche Label MIG einen richtigen Schatz gehoben, der sonst vielleicht in Vergessenheit geraten wäre. Die beiden Alben gehören in jede gute Plattensammlung. Klanglich wurde die Musik ebenfalls sehr gut restauriert, so dass sie nun in neuem Glanz erscheint.

Stephan Schelle, August 2023

   

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